erstellt mit easyCMS
Titel1210

Bemerkungen

Am Buchsbaum
Wo der Park an den öffentlichen Gehweg grenzt, steht ein hüfthoher kugelförmiger Buchsbaum. Er ist, wie der ganze Park, bei Mensch und Tier beliebt. Vor allem bei sämtlichen Hunderassen. Ob groß ob klein, sie alle sind leidenschaftliche Schnüffler, die lustvoll den Buchsbaum wässern. Er aber nimmt übel und färbt seine Blätter braun.

Hundehalter sehen das offenbar nicht und lassen ihren Liebling unbedacht auf den Buchsbaum los.

Eine Hundehalterin, die sich und ihren Köter nicht zurückhalten konnte, wird vom Pfleger des Parks freundlich gefragt: »Muß das denn sein?«

Beleidigt kreischt die Buchsbaumschänderin: »Ooch´n Hund hat mal een menschliches Bedürfnis!«

Bernd Heimberger


Hartz IV, ökologisch korrekt

Eine in Bioläden kostenlos erhältliche Zeitschrift preist in ihrer neuesten Ausgabe das Buch »Arm aber Bio« von Rosa Wolf an: Die Autorin habe im Selbstversuch festgestellt, daß es »Hartz IV«-Empfängern durchaus möglich sei, sich vom für Lebensmittel festgelegten Tagessatz von 4,35 Euro ökologisch zu ernähren. Neugierig geworden, wer sich denn in der Medienlandschaft noch für ein Buch solchen Inhalts interessiert, stoße ich auf den Spiegel, der ein Interview mit der Autorin geführt hat. Rosa Wolf räumt dort zwar ein, daß von Hartz IV zu leben immer Verzicht bedeute, »aber wenn man eh zu Hause ist, weil man keine Arbeit hat, kann man auch Kartoffelbrei aus Bio-Kartoffeln machen, statt das abgepackte Fertigzeug zu kaufen«.

So schlimm kann es dann wohl nicht um die »Hartz IV«-Empfänger stehen, wenn sie sich sogar ökologisch ernähren können. Die Buchautorin hat es ja vorgemacht. Aber jeder, der einmal für längere Zeit von »Hartz IV« leben mußte, weiß, wie unsinnig und unverschämt dieser »Selbstversuch« ist. Hat Rosa Wolf auch berücksichtigen müssen, daß die Waschmaschine im letzten Monat endgültig kaputtgegangen ist? Hat sie Kinder, die schon wieder aus ihren Schuhen herausgewachsen sind? Auch Sommerbekleidung fehlt noch, und der nächste Kindergeburtstag steht an, der irgendwie schön gestaltet werden soll. Wie ging solcher Bedarf in ihre Rechnung ein? Sicher ist auch dafür Geld in den Regelsätzen vorgesehen, aber wer längere Erfahrung mit Hartz IV hat, weiß, daß es vorn und hinten nicht reicht.

Ich unterstelle Rosa Wolf nichts Böses. Wahrscheinlich hat sie in der Vorstellung, »Hartz IV«-Empfänger auf den richtigen, ökologischen Weg bringen zu können, einfach nicht weit genug gedacht. Aber Spiegel-Redakteure hätten bemerken müssen, daß solch ein rascher Selbstversuch Unfug ist und über die Wirklichkeit eines von Hartz IV Lebenden nichts aussagt. Davon will der mit Anzeigen der großen Konzerne gesponserte Spiegel aber gar nichts wissen. Sein Auftrag ist es, platte Bild-Zeitungspropaganda in intellektuell ansprechende Form zu packen: gleicher Inhalt, nur weniger offensichtlich hetzerisch und plump dargeboten. Das ist ihm wieder gelungen.
Gesine Pillardy
Rosa Wolf: »Arm aber Bio«, Edition Butterbrot, 212 Seiten, 11.95 €


Null-Diät

»Ich bin froh, daß ich kein Dicker bin, denn dick sein ist ‘ne Quälerei«, sang Marius Müller-Westernhagen, auf satirische Weise um Nachsicht mit Wohlbeleibten werbend. Nicht um Satire und nicht um Verständnis geht es Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrer-Verbandes. Er empfiehlt eine bundesweite Übergewichtskontrolle bei Schülerinnen und Schülern, was erst einmal schön gesundheitspädagogisch klingt. Aber dann: Wenn Eltern nicht in der Lage seien, ihre Kinder zum Schlankwerden zu erziehen, seien Sanktionen notwendig, sagt Kraus und fordert im Namen seines Verbandes Kürzung von »Hartz IV«-Leistungen und Abstriche am Kindergeld. Daß dann noch weniger Geld für gesunde Ernährung zur Verfügung steht, kümmert den Oberlehrer nicht, der offenbar bislang nicht gelernt hat, daß gerade schlechtes, billiges Essen dick macht. Sparen ist jetzt die politische Devise, am besten: die Armen auf Null-Diät setzen. Dann können sie sich gesund hungern.
Zita Zürn


Getreide anbauen

»Kürzen auf Kosten der Armen?«, fragt im Blick auf die kommende staatliche »Schuldenbremse« die Neue Westfälische, eine der SPD nahestehende Bielefelder Tageszeitung. Carsten Heil, stellvertretender Chefredakteur der NW, weiß die Antwort: »Massiv einsparen« beim Sozialtransfer und »den Betroffenen sagen: Strengt euch endlich selbst an!«

Das Arbeitslosengeld sei »jener Bereich, in dem sich viele tummeln, die durch hohe staatliche Unterstützung zu einer Faulpelz-Karriere geradezu ermuntert worden« seien, weiß Heil. Bei der internationalen Entwicklungshilfe habe man schon seit Jahren begriffen: Es sei der falsche Weg, den Bedürftigen den Magen zu füllen – »stattdessen müssen sie ertüchtigt werden, selbst Getreide anzubauen«.

Bleibt noch die Frage offen: Woher nehmen die »Hartz-IV«-EmpfängerInnen das Stück Land, auf dem sie dann Korn aussäen? Der NW-Redakteur wird es uns sicher noch mitteilen.
Marja Winken


Wenn DGB und BDA dealen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände wollen gemeinsam das Tarifvertragsgesetz ändern, die Bundeskanzlerin soll bereits Zustimmung signalisiert haben: Künftig soll in einem Unternehmen tariffähig nur noch diejenige Gewerkschaft sein, die darin die meisten Mitglieder hat; kleinere Gewerkschaften sollen dann in diesem Unternehmen auch nicht mehr streiken dürfen, solange der (von ihnen nicht abgeschlossene) privilegierte Tarifvertrag gilt. Ist das ein Erfolg für die Gewerkschaftsbewegung? »Ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag«? Ist der Deal also als eine Niederlage der kleinen Pseudo-Gewerkschaften zu verstehen, die Tarifdumping betreiben?

Wer das Vorhaben so deutet, unterstellt den Arbeitgebern, daß sie um der Sozialpartnerschaft willen eigene Interessen großzügig beiseite stellen. Tatsächlich aber treffen sich hier zwei Wünsche: Die DGB-Gewerkschaften wollen sich die Konkurrenz kleinerer, möglicherweise tarifpolitisch gar nicht so zahmer Arbeitnehmerorganisationen vom Halse schaffen; die Lokführergewerkschaft hat sie erschreckt. Und die Arbeitgeber wollen Ruhe in ihrem Unternehmen: möglichst gar keine Streiks, und wenn schon, dann keine, die sie als »wild« empfinden. Ordnung und Ruhe sind angesagt, da doch die Zeiten härter, die Ausbeutungsmethoden brutaler werden.
Marja Winken


Spätes Eingeständnis
Der sozialdemokratische Abteilungsleiter am Berliner Landesschulamt, Ludger Pieper, weiß Bescheid: »Das islamische Ritualgebet hat Demonstrationscharakter und dient auch der sozialen Kontrolle.« Mag sein. Aber gilt das nur für das islamische Gebet? Oder wird nun endlich eingestanden, was der eigentliche Zweck des Schulgebets war, mit dem wir Agnostiker acht Jahre lang ausgegrenzt wurden? Der Gottesdienst beim Schul-Skikurs, dem wir fern bleiben durften: eine Demonstration und ein Akt sozialer Kontrolle? Der Hinweis des katholischen Religionslehrers, daß uns Ungläubige nichts davon abhalte, einen Mord zu begehen, da wir doch nicht an die Hölle glaubten; die Mahnung seines evangelischen Kollegen, daß alles sinnlos sei, wenn man nicht an den göttlichen Sinn eines Blitzes glaube; die demütigende Stigmatisierung, wenn man nicht niederkniete und die Hände faltete – nicht etwa in der Pause in einem Extrazimmer, sondern während der Unterrichtsstunde in der Klasse: alles soziale Kontrolle! Wir haben es geahnt. Jetzt spricht es ein Sozialdemokrat aus. Von einem Ende des zwischen Hitler und dem Vatikan ausgehandelten Konkordats spricht er nicht.

Übrigens: Als ich das Gymnasium besuchte, war der Stadtschulrat rot, das Unterrichtsministerium schwarz und das Lehrerkollegium mit wenigen Ausnahmen braun. Gegen das Schulgebet und gegen soziale Kontrolle hatten sie alle zusammen nichts einzuwenden.
Thomas Rothschild


Gaucks Volksaufklärung
Der Präsidentschaftskandidat macht nun Werbung für sich selbst, und prompt gelang es ihm, eine Schlagzeile zu produzieren, an der fast alle Medien Gefallen fanden: »Gauck kritisiert Parteiengeschacher«. Das Amt des Präsidenten, der doch dem ganzen Volk dienen solle, dürfe nicht zur »Beute der Parteien werden«, propagierte Gauck, womit er sagen wollte: Er, »überparteilich«, sei der beste Kandidat.

»Geschacher«? Das Wort hat eine lange und üble Tradition. Dem hebräischen Begriff für Handel entnommen, bog und biegt es diesen um in ein Synonym für üble Machenschaften, antisemitisch konnotiert. Goebbels hatte eine Vorliebe für dieses Wort.
A. K.


Seemannsgarn
Joachim Gauck – da zeigen sich jene mächtigen Medien, die ansonsten den Unionsparteien und der FDP wohlgesonnen sind, ganz einig und entschieden – soll Bundespräsident werden. Da braucht es Heiligenlegenden, um Christian Wulff auszustechen. Und so wird der Kandidat zum »Sohn eines See-manns«, den die Soffjets aus bloßer Tücke verschleppt haben; der junge Gauck wurde so schon früh zum Kämpfer gegen die SED-Herrschaft, zum »Widerstandspfarrer«. Fakten haben da keine Bedeutung. Nicht die Tatsache, daß Gauck sen. Offizier der Hitler-Marine war. Auch nicht, daß Gauck jun. wohlgepflegter Aufsteiger im kirchlichen Dienst des DDR-Staates war, privilegiert in diesem Reservat, auch nach eigener Aussage alles andere als ein »Fundamentaloppositioneller«. Er wußte sich anzupassen, bis der DDR-Staat zusammenbrach. Zum Kämpfer gegen den Staatssicherheitsdienst wurde Gauck, als dieser abgehalftert war. Der »Freiheitsheld« war keiner.
Peter Söhren


Abrechnungstrickser als Vorbild
Schon vergessen? Im Dezember letzten Jahres trickste der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff mal ganz einfach bei der Abrechnung eines Fluges in ein fernes Land, bereute dann ganz einfach öffentlich, und ganz einfach und sofortest wurden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Den Differenzbetrag zahlte er nach, und damit war die Sache bereinigt. Ohne Strafe für seine Verfehlung.

Nun wäre es bestimmt nützlich, wenn er unser aller Bundespräsident würde. Denn wenn Du künftig mal irgendwo beim Abstellen Deines Autos die Parkzeit überziehst und dann ein Knöllchen hinter der Windschutzscheibe findest, brauchst Du Dich nur auf unser neues Staatsoberhaupt zu berufen und alles so zu machen wie er: Du bereust öffentlich – wie Wulff es gemacht hat. Du zahlst die Groschen nach, die fürs Überziehen der Parkdauer fällig geworden sind; und darfst – unter Berufung auf den Mustervorgang Christian Wulff – ganz sicher sein, kein Bußgeld mehr zahlen zu müssen: Herrliche Zeiten brechen an – vorausgesetzt, daß Christian Wulff Bundespräsident wird. Selbstverständlich erwarte ich, daß die Staatsanwaltschaft immer mit gleichem Maße messen wird. Wir leben ja nicht etwa in einem Unrechtsstaat.
Holdger Platta


Press-Kohl

Die Berliner Zeitung, die seit 65 Jahren erscheint, zitierte am 19.5.2010 aus den Antworten ihrer Leser auf die Umfrage »Ich lese die Berliner Zeitung, weil ...«

»... ich als Friseur mit meinen Kundinnen über jedes Thema reden möchte und mir damit niemals der Gesprächsstoff ausgeht.« Herr Creuzberg ist Friseur der Frau Bundeskanzlerin.

»... sie im Vielklang der Berliner Zeitungslandschaft eine unersetzliche Stimme ist.« Dies findet Reinhold Leinfelder, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin – und vielleicht Spezialist für Dinosaurier.

»... sie die einzige Zeitung in Berlin ist, die ich regelmäßig lesen kann, ohne aggressiv zu werden«, bekennt ›Mr. Reedoo von Culcha Candela‹. Leider weiß ich nicht, was Culcha Candela ist, aber vielleicht herrscht dort ohnehin friedliche Stimmung.
*
Die Sorge für schwer behinderte Menschen ist eine ernste Angelegenheit. Unabhängig davon darf ich auf ein Wort-Monstrum hinweisen, dessen Bedeutung einem deutsch sprechenden Ausländer unklar bleiben müßte. Einem deutsch sprechenden Deutschen vermutlich auch. Das Wort heißt: »Hauptschwerbehindertenvertretung«.
Felix Mantel