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Bemerkungen

USA im Visier?
Die Kanzlerin der Bundesrepublik hat eine neue weltpolitische Doktrin formuliert: Deutschland werde es »nicht hinnehmen«, wenn einzelne Staaten einen Anspruch auf geostrategische »Einflußzonen« im internationalen System der Machtverteilung stellten. Ob Angela Merkel die USA aufs Korn genommen hat? Sie sind der eklatanteste, längst realisierte Fall einer solchen Ambition. Aber was kann die Bundesrepublik dagegen tun? Als modisches Mittel bietet sich auch in diesem Politikfeld an: Das Bundeskanzleramt läßt klammheimlich Todesdrohnen gegen die Machtelite in den USA fliegen. Sanktionen würden ja nicht zum TTIP passen. Und die »Einflußzonen« Washingtons sind einfach zu zahlreich und zu groß, als daß deutsche militärische und finanzielle Revolutionshilfe hier etwas bewirken könnte. Deutschland braucht Drohnen ...


Aber aus einem Plan zum diskreten Einsatz gegen US-Politiker würde nichts. Die CIA müßte ihn vorher genehmigen.

A. K.


Amtseid
Hebst du zum Amtseid deine Hand,
beherzige dabei:
Du schwörst da bloß aufs Vaterland
und nicht auf die Partei.

Günter Krone


Zerfall eines Staates
Der Irak war nach dem Abzug der letzten US-Besatzer im Dezember 2011 zeitweilig aus den Schlagzeilen geraten. Das Land war zwar noch immer zerrissen, zerrieben zwischen den Interessen verschiedener Kräfte, die Regierung höchst instabil. Insgesamt schien die Lage sich jedoch beruhigt zu haben. Bis dann im Januar 2014 in Gestalt der Milizen des »Islamischen Staates« (ISIS, auch IS) der im benachbarten Syrien tobende Bürgerkrieg auf den Irak überschwappte. Die USA und mit ihr verbündete Staaten griffen umgehend militärisch ein. Für den Promedia-Verlag war diese erneute Eskalation eines schwelenden Konfliktes der Anlaß, den Hintergrund des derzeit wieder tobenden Krieges zu beleuchten.


Die in Österreich lebende irakische Publizistin Tyma Kraitt schildert informativ den komplizierten Prozeß der Herausbildung des Staates Irak im Widerstand gegen osmanische und britische Fremdherrschaft sowie gegen die haschemitische Monarchie. Das zeitweise dominante irakische Nationalbewußtsein sei nicht unwesentlich auf die Tätigkeit der Kommunistischen Partei zurückzuführen, die über alle ethnischen und konfessionellen Grenzen hinweg die Bevölkerungsmehrheit im Kampf gegen fremde und einheimische Unterdrücker einigen konnte. Als schweren Fehler charakterisiert die Autorin das zeitweilige Bündnis der Kommunisten mit der panarabisch-nationalistischen Baath-Partei. Der Widerstand gegen die zunehmend repressive Baath-Diktatur formierte sich fortan unter dem Banner religiöser Dissidenz. Die »Islamisierung« der Oppositionsgruppen und das derzeitige Bürgerkriegschaos seien unmittelbare Folgen.


Hans-Christof von Sponeck war mehrere Jahre Leiter des UN-Programms »Öl für Lebensmittel«, welches dem Irak nach dem Krieg von 1991 erlaubte, in begrenztem Umfang Erdöl zu exportieren. Er schildert, wie dieses an sich gutgemeinte Programm zum Bestandteil einer barbarischen Sanktionspolitik und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe wurde. Joachim Guilliard untersucht den Krieg von 2003 und nachfolgenden Besatzungsterror. Er weist nach, daß die Privatisierung der irakischen Erdöllagerstätten vorrangiges Ziel der militärischen Eroberung des Landes war. Werner Ruf charakterisiert die ISIS-Milizen als ganz gewöhnliche Banditen; die von ihnen geschaffenen parastaatlichen Strukturen seien allerdings zu den auf Freihandel basierenden Vorstellungen neoliberaler Ideologen paßgerecht.


Folgen des sich anbahnenden Staatszerfalls des Irak wären weitere blutige Konflikte, Wellen von Vertreibung und Völkermord.

Gerd Bedszent

Tyma Kraitt (Hg.): »Irak. Ein Staat zerfällt. Hintergründe, Analysen, Berichte«, Promedia Verlag, 217 Seiten, 17,90 €


 

Im Gestrüpp der Bürokratie
Erich Maria Remarque hat in seinen Exil-Romanen eindringlich das Elend von Flucht und Verfolgung geschildert. Er schrieb: »Der Flüchtling muß verbluten im Gestrüpp der Bürokratie und der entsetzlichen allgemeinen Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Einzelnen, die stets die Folge von Krieg, Angst und Not ist.« Diese Worte sind aktueller denn je, ebenso wie Remarques Warnung: »Nie hat es mehr Lügen gegeben, nie mehr Tod und nie mehr Tränen als in unserem Jahrhundert, dem der Zivilisation und des Massenmordens.« Damit meinte er das 20. Jahrhundert – das bis heute nicht überwunden ist, im Gegenteil, die Lage der Flüchtlinge hat sich in unserem 21. Jahrhundert noch verschlimmert. »Historisch beispiellos«, konstatiert Carolin Ehmke in der Süddeutschen Zeitung vom 25. April, »ist die Unmöglichkeit für Flüchtlinge, eine neue Heimat in Europa zu finden, weil es nahezu unmöglich geworden ist, lebend und legal nach Europa zu kommen.«


Die Europäische Union will angesichts des Massensterbens im Mittelmeer die Finanzmittel für die EU-Grenzschutzmission »Triton« erhöhen. Aber deren Chef hat sogleich klargestellt, daß der Hauptauftrag der Mission nicht darin besteht, Menschen aus Seenot zu retten. An erster Stelle steht die Abschottung Europas vor Flüchtlingen. Diesem Zweck dient auch die geplante Zerstörung von Schlepperbooten. »Es geht darum, den Menschenhandel von brutalen Schleppern zu unterbinden«, sagt die deutsche Kanzlerin. Was sie nicht sagt, ist, daß es das Schlepper-Unwesen nur deshalb gibt, weil Europa legale Einreise verweigert. Die Zerstörung von Schlepper-Schiffen ist eine militärische Aktion mit dem Ziel, Flüchtlingen den Weg über das Mittelmeer endgültig zu versperren.


Was fehlt, ist ein klares Bekenntnis Europas zu seiner Mitschuld an den Flüchtlingsströmen. Mit seiner aggressiven Wirtschafts-, Agrar- und Handelspolitik, mit seinen ökonomischen und ökologischen Fehlentscheidungen, seinen Waffenlieferungen, seiner militärischen Unterstützung von Regierungen, die andauernd und gravierend Menschenrechte verletzen, ist die EU mitverantwortlich für das Elend der Menschen, die nach Europa zu gelangen hoffen. Die einen fliehen vor einem Regime, das Menschen anderer ethnischer, religiöser oder politischer Zugehörigkeit verfolgt, foltert und tötet, die anderen vor Hunger und Elend, die Dritten vor einer Zukunft, die ein menschenwürdiges Leben unmöglich macht. Hier von Wirtschaftsflüchtlingen zu sprechen, ist angesichts der Mitverantwortung der Industrienationen, die einen Teil ihres Reichtums der Armut in Afrika verdanken, zynisch. Wie glaubwürdig die vielzitierte westliche Wertegemeinschaft ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, welche Rechte sie den verzweifelten Menschen zugesteht. Freiheit, Gleichheit, Solidarität müssen auch und gerade für die Armen gelten. Die Ursachen der Flüchtlingsströme müssen beseitigt, dem Flüchtlings-
sterben muß ein Ende gemacht werden.


Lioba Meyer

Die Autorin ist Vorstandsmitglied der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft.


Zeit-los
Zum 70. Jahrestag von Kriegsende und Befreiung nichts Substantielles, statt dessen eine Muttertags-Ausgabe, im ersten Beitrag dazu Gedanken über reifere Frauen als Pornodarstellerinnen, im weiteren ein Dossier über die vermeintlich lebende Putin-Mutter und eine vermeintliche KGB-Verschwörung. Wollte man beleidigend werden, müßte man wohl fragen, ob die Redaktionskonferenz bei der Themenauswahl für die Ausgabe vom 7. Mai nicht ganz bei sich war oder noch mit den Nachwirkungen eines Mai-Ausfluges zu kämpfen hatte. Oder sie hat, unbemerkt vom Publikum, die Nullnummer eines neuen Satiremagazins lanciert, dessen Erscheinungsdatum sich mit dem der Zeit deckt.

Lübbertus Rehwinkel


Hitlers Pferde
Mit Nazikunst ist immer noch Auflage zu machen. Titelseite der Bild-Zeitung vom 21. Mai: »Sensation bei Groß-Razzia. Polizei findet Hitlers Bronze-Pferd«. Zu sehen ist eines der beiden hypermuskulären Rösser des Bildhauers Josef Thorak, die einst an der Reichskanzlei standen. Daneben ein Foto des »Führers« mit hochgeschlagenem Mantelkragen. Nicht unfesch schaut er aus.


Im Innenteil auf Seite 6: »Der Krimi um die Nazi-Kunst«. Noch einmal ein mehrspaltiges Bild der Reichskanzlei samt Pferd. 1952 wurden die beschlagnahmten Plastiken von der Sowjetunion an die DDR zurückgegeben, fanden Platz neben einer Kaserne in Eberswalde. Vor 26 Jahren verschwanden sie dort und wurden seither gesucht: »Die Spur führt durch ganz Europa, Namen von großen Industriellenfamilien tauchen im Zuge der Nachforschungen auf.«


Hier liegt die Bild-Zeitung falsch, obwohl es denkbar wäre: Noch in der Nachkriegszeit ließen Industriekapitäne gern ihre Köpfe von Thoraks Kollegen Arno Breker modellieren. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß einer der Beteiligten, der Flick heißt, mit den gleichnamigen Konzerneignern, die Hitler unterstützten und von ihm profitierten, nichts zu tun hat.


»Fakt ist«, schreibt die Bild-Zeitung, »auf dem Schwarzmarkt wurden für die Pferde bis zu vier Millionen Euro geboten. Allein das Material der Bronze-Skulpturen dürfte mehrere Hunderttausend Euro wert sein.«


Als wir 1974 unter der Leitung von Georg Bussmann im Frankfurter Kunstverein die Ausstellung »Kunst im 3. Reich – Dokumente der Unterwerfung« machten, achteten wir darauf, daß die Bildwirkung der zum ersten Mal wieder aus dem Depot geholten faschistischen Machwerke nicht ungebrochen blieb. Wir vertrauten nicht darauf, daß Kitsch, Pomp und inhumane Inhalte sich den Besucherinnen und Besuchern von selbst erschließen würden. So montierten wir den arischen Akt des Adolf Ziegler (seinerzeitiger Spitzname: »Meister des deutschen Schamhaars«) auf ein hochvergrößertes Foto, das Frauen beim Granatendrehen in einem Rüstungsbetrieb zeigte.


Die Macher der Bild-Zeitung kennen den Geschmack ihrer Leserinnen und Leser genau. Sonst hätten sie nicht so einen Erfolg. Auf der ersten Seite und im Innenteil rücken sie die Nazi-Devotionalie ins rechte Licht, um dann auf der zweiten Seite ihren Kolumnisten Franz Josef Wagner (»Post von Wagner«) räsonieren zu lassen: »Ich mag diesen Gedanken nicht weiterdenken, aber wenn die Nazis gesiegt hätten, dann würden wir mit diesen Skulpturen leben. In unseren Parks. Sieg heil, Sieg heil. Wir hätten Muskeln, aber kein Hirn mehr, keine Seele.«


Nun hat die Bild-Zeitung mit ihrer Millionenauflage dafür gesorgt, daß wir wieder mit diesen Skulpturen leben. Franz Josef Wagner soll uns darüber hinwegtrösten. Quasi als »Seele vons Jeschäft«, wie man in Berlin sagen würde.

Reiner Diederich



Deutsche Lyrik
Schon 1982 veröffentlichten Thomas Anz, inzwischen emeritierter Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Marburg, und Joseph Vogl, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, im Hanser Verlag eine 271 Seiten starke Sammlung von Gedichten über den Ersten Weltkrieg, bei www.zvab.com noch antiquarisch erhältlich. 2014, im Jahr der 100. Wiederkehr des Kriegsbeginns, stellten sie für den Reclam-Verlag unter demselben Titel »Die Dichter und der Krieg« eine Auswahl daraus zusammen. An dieser Anthologie läßt sich vortrefflich die sich wandelnde Einstellung der berühmten oder vergessenen Dichterinnen (vier an der Zahl) und Dichter (50) zum Krieg ablesen.


Hieß es im Juli 1914 noch »zu lange war schon Frieden« (Tagebucheintrag von Alfred Lichtenstein, Freiwilliger in einem bayerischen Infanterieregiment, gefallen am 25. September 1914 bei Reims), so mischten sich nach und nach unter dem Eindruck der Kriegsmaschinerie, der Fronterlebnisse zunehmend apokalyptische Töne, Trauer und Schuldgefühle desillusionierend unter die begeisterten Kriegsbilder.


Als »am Abend die herbstlichen Wälder von tödlichen Waffen« tönten (Georg Trakl: »Grodek«), als Paul Zech sein dreifaches »Genug!« aufbrüllen ließ, als schließlich Walter Hasenclever die Mörder als in der Oper sitzend lokalisierte und ihnen Karl Liebknechts »nieder der Krieg« entgegenrief, als Erich Mühsam sein »Kriegslied« schrieb (»Sengen, brennen, schießen, stechen, / Schädel spalten, Rippen brechen …«) und Karl Kraus »Fluch, Kaiser, dir!« veröffentlichte (»Der Zeuge«), da war der Krieg zwar nicht zu Ende, der um die Köpfe aber verloren.

Klaus Nilius

Thomas Anz/Joseph Vogl: »Die Dichter und der Krieg – Deutsche Lyrik 1914– 1918«, Reclam Verlag, 103 Seiten, 4 €


Aufruhr in der Provinz
Vor 40 Jahren fand in einer westfälischen Kleinstadt die erste Betriebsbesetzung in der Geschichte der Bundesrepublik statt.


Mieterproteste, Blockupy oder Stuttgart 21 – heute gelten Städte als Mobilisierungsraum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Ignoriert werden dabei häufig die »kleinen« Kämpfe in der Provinz, die ohne große öffentliche Beachtung von abhängig beschäftigten Menschen ausgefochten werden und ebenfalls von einem Geist der Rebellion geprägt sind. Der Berliner Verlag Die Buchmacherei füllt diese Leerstelle, indem er diese (fast) vergessenen, aber ungewöhnlichen Arbeitskämpfe ans Licht holt (siehe auch Ossietzky 24/2014). Ein beeindruckendes Beispiel bietet eine neue von Dieter Braeg herausgegebene Dokumentation.


Das nahe Lippstadt gelegene Erwitte erlebte 1975 mit insgesamt 449 Tagen den längsten Firmenstreik der Nachkriegszeit. Dabei hielten die Beschäftigten fast acht Wochen lang den Betrieb besetzt. Anlaß war die Entlassung von knapp einhundert Beschäftigten der insgesamt 150köpfigen Belegschaft des Zementwerks Seibel und Söhne. Nachdem der als rücksichtsloser »Frühkapitalist« verrufene Unternehmer Gespräche mit dem Betriebsrat sowie der IG Chemie-Papier-Keramik scheitern ließ, besetzte die Frühschicht am 10. März 1975 spontan und ohne Absprache mit der Gewerkschaft das Werk. Lastkraftwagen versperrten ab jetzt das Gelände. Die erste Betriebsbesetzung in der BRD hatte begonnen.


Die anlaufende bundesweite Solidaritätswelle brachte am 1. Mai 12.000 Menschen auf dem Erwitter Marktplatz zu einer Kundgebung zusammen. Seibel aber blieb unbeeindruckt, schließlich räumte die Belegschaft nach fast zwei langen Monaten der Besetzung den Betrieb. Der Hauptvorstand der IG CPK wollte die »wilde«, sich außerhalb arbeitsrechtlicher Konventionen bewegende Aktion in geordnete Bahnen lenken, denn Gerichte hatten die Besetzung als illegal gewertet. Der Kampf wurde verstärkt auf die juristische Ebene verlagert und damit die Renitenz der Belegschaft gezügelt. Das öffentliche Interesse erlahmte mit der Zeit.


Im Buch kommen vor allem die widerständigen Menschen selbst zu Wort. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Situation der Frauen der Zementarbeiter. In der konservativ-katholischen Umgebung verließen sie die häusliche Sphäre, traten kollektiv in die Öffentlichkeit und wurden aktiver Teil des Widerstands.


Der Abwehrkampf mobilisierte für längere Zeit die Öffentlichkeit, um dann schnell wieder in Vergessenheit zu fallen – wie die Widerstandsoption Betriebsbesetzung selbst. Es ist gut, daß eine verschüttete Geschichte aus der Provinz der 70er Jahre noch einmal erzählt wird und uns daran erinnert, daß Arbeitskämpfe – auch ohne erweiterte politische Motive – als Teil sozialer Proteste zu verstehen sind.

Joachim Maiworm

 

Dieter Braeg (Hg.): »Erwitte – Wir halten den Betrieb besetzt. Geschichte und Aktualität der ersten Betriebsbesetzung in der Bundesrepublik«, (inkl. CD mit weiteren Texten), Die Buchmacherei, 258 Seiten, 17,50 zzgl. 1,50 € Verpackung (www.diebuchmacherei.de)

 

Zuschrift an die Lokalpresse
Die Sorge um das Wohl und Wehe der Bundesbürger ist ein vorrangiges Anliegen unserer Demokratie. Deshalb begrüße ich es, daß sich unsere Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) persönlich um die Sicherheit verbeamteter Auf- und Absteiger sorgt, die sich aus dienstlichen Gründen durch das Bespringen vertikal beweglicher Plattformen, sogenannter Paternoster, in Amtsgebäuden von Stockwerk zu Stockwerk hangeln müssen.


Wie der Berliner Kurier am 30. Mai kundgab, dürfen ab dem 1. Juni nur noch solche Mitarbeiter die nostalgischen Schwebekabinen nutzen, die sich unterschriftlich zur Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln verpflichtet haben. Das trifft beispielsweise für das Rathaus Schöneberg zu, von dessen Balkon aus sich Präsident Kennedy einst als Berliner und Liebhaber der Rathaus-Paternoster outete. Auch das »Yes, we can!« seines Amtsnachfolgers Obama, häufig in »Yes, we scan!« umgefälscht, wird von Fachleuten als engagiertes Bekenntnis zum Erhalt der beliebten Etagenschleudern interpretiert.


Ich meine, man solle nicht päpstlicher sein als der Papst, dem nicht zufällig die Namensgeberschaft für den Paternoster nachgerühmt wird. Bewegt sich doch das Beförderungsgerät sowieso pro Sekunde 20 bis 40 Zentimeter himmelwärts. – Bernardette Breitenwischer (39), Beamtin, 01594 Staucha

Wolfgang Helfritsch


Die Frage

Reihen sich die Tage
aneinander, fragen wir uns,
du und ich,
wo alles dies stattfindet,
was uns bestimmt,
wohin es führt
und warum gerade jetzt.
In dieser beängstigenden
Unendlichkeit.

Türen und Fenster stehen offen,
von Tag zu Tag wird es wieder heller,
wir beginnen uns zu erinnern.
Morgens hat uns Gesang geweckt,
und ein gewaltiges irdisches Grün,
das uns bekannt ist
aus allen vergangenen Jahren,
dringt herein
bis in die letzten Winkel.

Allmählich finden wir uns damit ab,
daß der Sinn verborgen bleibt.

Wolfgang Bittner