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Titel1408

Eine Karriere in der Bremer CDU  (Baruch Barach)

Bremens Christdemokraten haben einen neuen Vorsitzenden. Nicht neu sind seine politischen Ideen. Als Innensenator einer großen Koalition war Thomas Röwekamp, Rechtsanwalt aus Bremerhaven und Reserveoffizier der Bundeswehr, verantwortlich für die Verschleppung, Einkerkerung und jahrelange Folter des Bremers Murat Kurnaz in Guantanamo.

Nachdem der damals Neunzehnjährige 2003 von Kopfgeldjägern in Pakistan aus einem Bus geholt worden war, liefert der Bremer Verfassungsschutz ungeprüfte, noch nicht einmal auf Gerüchten beruhende Mutmaßungen an die Kollegen von der CIA. Das hat zur Folge, daß Murat Kurnaz bereits in Afghanistan, wohin er zunächst verbracht wird, Mißhandlungen ausgesetzt ist, seinen Angaben nach auch durch Verhörspezialisten der Bundeswehr. Das streitet das Bundesverteidigungsministerium jedoch bis heute ab. Allerdings unternimmt das Ministerium alles Mögliche, um eine Beweiserhebung zu vereiteln. Selbst den Abschlußbericht des inzwischen eingesetzten Untersuchungsausschusses versucht Minister Franz-Josef Jung (CDU) zensieren zu lassen, indem er darauf besteht, »zentrale Befunde und Zeugenaussagen aus dem Berichtsentwurf der Öffentlichkeit vorzuenthalten« (Der Spiegel 17/08).

Nach Jahren, in denen Kurnaz immer wieder gefoltert wird, kommen die US-amerikanischen Vernehmer zu dem Schluß, daß an den Anschuldigungen aus Bremen nichts dran ist, und bieten die Freilassung des Gefangenen an. Obgleich alle Welt weiß, daß die Inhaftierten in Guantanamo unter KZ-ähnlichen Bedingungen gehalten werden, verweigert der seinerzeitige Innensenator Röwekamp die Rückkehr des in Bremen aufgewachsenen Terroropfers in seine Heimatstadt mit der Begründung, der »Ausländer Murat Kurnaz« habe einen Antrag zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis »nicht fristgerecht eingereicht«. amnesty international stellt dem Senator ein vernichtendes Zeugnis aus. An die Amerikaner gerichtet heiße Röwekamps Weigerung: Macht doch mit ihm, was ihr wollt, hier kräht kein Hahn nach dem Kerl – »eine Vorverurteilung ohne Verfahren«.

Nur anhaltenden Protesten und dem unermüdlichen Einsatz seines Anwalts ist es zu verdanken, daß Kurnaz frei kam und nun wieder in Bremen lebt. Einen Knick in der Karriere des alerten jungen Juristen Röwekamp hat der Fall Kurnaz nicht zur Folge. Ebensowenig wie der Fall Laye Alama Condé.

Im Januar 2005 nehmen Bremer Polizisten einen bisher unbescholtenen 35jährigen auf der Straße fest und verdächtigen ihn seiner Hautfarbe wegen – »schwarzafrkanische Dealer« war ein ständig wiederholter Begriff in Pressemitteilungen des Senators –, verbotene Pillen zu besitzen. In der »Hauptstadt des organisierten Erbrechens«, so ein Bremer Richter über die Drogenpolitik des CDU-Senators, wird ein Exempel an dem jungen Afrikaner statuiert. An einen Stuhl gefesselt wird ihm im Polizeipräsidium mit einem Schlauch stundenlang Wasser in den Magen gepumpt. Als er kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, ruft der Polizeimediziner einen Notarzt, der stellt Tod durch Ertrinken fest.

Anderntags läßt der Innensenator verlautbaren, ein »Schwerstverbrecher« und »gewerbsmäßiger Drogendealer« schwebe im Bremer Polizeigewahrsam in Lebensgefahr, nachdem er in der Haft auf eine durch Brechmittel aus seinem Magen beförderte Drogenkapsel gebissen habe. Das veranlaßt den Notarzt zu einer Richtigstellung gegenüber der Presse, die der Innensenator mit einer Anzeige nicht gegen den Polizeimediziner wegen Totschlags, sondern gegen den Notarzt wegen Verletzung der Schweigepflicht beantwortet.

»Solche Schwerstkriminellen müssen mit körperlichen Nachteilen rechnen«, kommentiert Röwekamp schließlich die Exekution. »Weiter so!« stärken seine Parteifreunde ihm den Rücken und feiern ihn in der Bürgerschaft mit »anhaltendem Beifall«, so das offizielle Protokoll. In der Rundfunkübertragung hört man »Bravo!«-Rufe und tumultuarischen Applaus, ohne daß der Bürgerschaftspräsident einen Versuch unternimmt, mäßigend einzuschreiten.

Nach einem Mißtrauensantrag der Opposition beschwört Henning Scherf (SPD), seinerzeit Bürgermeister und Senatspräsident, die Sozialdemokraten in der Bürgerschaft, wegen eines toten Afrikaners – denn darauf bezog sich der Mißtrauensantrag – doch nicht die große Koalition platzen zu lassen und die Stimmenverhältnisse im Bundesrat zu gefährden.

Einige Monate später tritt CDU-Kultursenator und Bürgermeister Peter Gloystein zurück, nachdem er in Sektlaune auf dem Bremer Marktplatz von einer Bühne herab eine Flasche Schaumwein über den Kopf eines Obdachlosen ausgekübelt hatte. »Sollst auch was abhaben! Hähähä!« Röwekamp wird Bürgermeister.

Als Innensenator macht er durch rabiates Vorgehen gegen Demonstranten von sich reden, und wenn er verkündet, er wolle »das Asylrecht wirkungsvoller durchsetzen!«, meint er schnellere, rücksichtslosere Deportation abgelehnter Asylsuchender.

Senator und Bürgermeister ist Röwekamp nicht mehr, seit die CDU nicht mehr an der Regierung der Hansestadt beteiligt ist. Jetzt macht er mit Zwischenrufen in der Bürgerschaft auf sich aufmerksam. In einer Debatte über Anpassung von Mietobergrenzen für Hartz-Opfer brüllt Röwekamp, auch diesmal vom Präsidium nicht zur Ordnung gerufen: »Unter Brücken sollen sie schlafen!« Wider Erwarten entschuldigt sich Röwekamp für seine Rüpelei. Allerdings nicht etwa bei denen, die er so verhöhnt hat, sondern bei seinen Parteifreunden: »Mir ist bewußt, mit welcher Heftigkeit Ihnen die Kritik an meinem Verhalten entgegenschlägt« – und wurd zum Landesvorsitzenden gewählt. Sein langjähriger Amtsvorgänger, Angela Merkels Kulturstaatsminister Bernd Neumann, berühmt geworden mit der Anregung, zur vorbeugenden Terrorismusbekämpfung Bücher mit Gedichten von Erich Fried verbrennen zu lassen, kommentierte, einen Besseren als Röwekamp hätte auch er in Bremen nicht vorschlagen können.