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Griechenhilfe  (Arno Klönne)

Die Hellenen, obwohl doch von unserer strengen Bundeskanzlerin als Südländer identifiziert, die zur Faulenzerei und zur Korruption neigen, haben Gnade gefunden; wir haben ihnen ja Historisches zu verdanken, einen frühen Beitrag zur europäischen Leitkultur. Aus der Verschuldung wurden sie gerettet durch Beschluß der Großen, einer Staatsfrau und etlicher Staatsmänner, die ein Rettungspaket für das leichtfertige kleine Hellas schnürten und dafür den Euro-Krisenfond (EFSF) mit vielen zusätzlichen Milliarden aus Steuergeldern ausstatteten. Auch die Gläubiger Griechenlands, die privaten Banken und Versicherungsgesellschaften in Kerneuropa, beteiligen sich an der Rettungsaktion und bringen, wenn auch unter Klagen, ihr philhellenisches Opfer, das sie aber nicht viel kosten wird, im Gegenteil.

Zur Hilfe gehört Beratung für den Umbau von Staat und Unternehmen, »Reformwissen« wird vermittelt. Besonders eifrig zeigt sich hier der deutsche Bundeswirtschaftsminister. Großzügig sieht er davon ab, daß eigentlich die Rettung der Partei, der er vorsitzt, alle seine Kräfte fordert. »Ganz konkret helfen« will Philipp Rösler den Griechen: Privatisierung brauche Sachverstand, die deutsche »Treuhand«-Erfahrung könne hier höchst nützlich sein. Auch sei beabsichtigt, deutschen Investoren, die sich in griechischen Gefilden engagieren möchten, öffentliche Kredite zu geben.

Selbstverständlich ist Lernhilfe, wenn sie effektiv sein soll, auf Kontrolle angewiesen, das wissen wir aus der Pädagogik. Mit dem Blick auf Griechenland hat das der deutsche Bundesfinanzminister – lapidar wie er nun einmal formuliert – so ausgedrückt: »Ein Staat, dem geholfen wird, muß im Gegenzug einen Teil seiner Hoheitsrechte an die Europäische Union abgeben.« Praktisch heißt das: Die deutsche und die französische Regierung sowie die Brüsseler EU-Kommission, assistiert vom Euro-Krisenfond und von Internationalen Währungsfond, geben dem griechischen Staat Lernziele vor, an die er sich bei Strafe des Kreditentzugs zu halten hat: Soziale Leistungen sind massiv zu kürzen, ausländischem Kapital ist freie Bahn zu geben.

Das Wunderbare am Fall Griechenland: Retter und Helfer bekommen ihren Lohn, durchaus irdisch. Das finanzmarktliche Rettungspaket, gepackt unter kompetenter Beratung durch Josef Ackermann (Deutsche Bank und Internationale Banken-Vereinigung), erweist sich als Belohnung für jene Banken und Versicherungen, die bisher schon durch ihre Kredite an Griechenland ein gutes Geschäft gemacht haben. Sie können nun ihre griechischen Finanzpapiere, die riskant geworden sind, in Schuldscheine umtauschen, die zwar längere Laufzeiten haben und im Zins niedriger liegen, aber vom Euro-Krisenfond gesichert werden. Im gefährdeten griechischen Sektor des europäischen Finanzmarktes bleibt also der Gewinn privat, das Risiko und der mögliche Verlust hingegen werden sozialisiert, nämlich den Steuerbürgern der in den Krisenfond einzahlenden oder für ihn bürgenden Länder zugeschoben – eine neue Methode der »Umschuldung«, rettend für die privaten Profiteure des Kreditgeschäftes. Die Wiener Tageszeitung Der Standard, linker Neigungen völlig unverdächtig, hat das auf die knappe Formel gebracht: »Griechenhilfe, das ist inzwischen ein Synonym für Bankenhilfe.«
Der Druck zur »Modernisierung« von Staat und Wirtschaft in Griechenland wiederum bedeutet Hilfe für ausländische Unternehmen, die dort gewinnträchtig Eigentum übernehmen und auf ihre Zwecke hin umgestalten können. Als in dieser Hinsicht hoffnungsvolle Branchen hat Philipp Rösler Telekommunikation, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen, Straßenbau und Touristik benannt.

Angela Merkel hat dieses rettende und helfende Werk so beschrieben: »Was wir in diesen Zeiten für den Euro und für Europa aufwenden, bekommen wir um ein Vielfaches zurück.« Das stimmt schon, nur ist zu klären: Wer ist »wir«? Die aufwenden müssen und die das Vielfache zurückbekommen, werden nicht dieselben sein.