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Titel1515

Monatsrückblick: Klippschule der Nationen  (Jane Zahn)

Was ist eigentlich los mit unseren Herrschenden? Damals, als sie noch Politiker wie Franz Josef Strauß sponserten, da wäre in Griechenland schnell mal geputscht worden. Heute halten sie sich Politiker, die Europa wie eine Klippschule führen, an der Frau Merkel Rektorin und Herr Schäuble Oberlehrer ist. Und alle auf die griechischen Lümmel von der letzten Bad-Bank einhacken, die keine Hausaufgaben machen und sich ungebührlich benehmen.


Aber wozu auch ein Militärputsch? Man kann ein Volk auch durch Aushungern von allzu demokratischen Experimenten abhalten. Jetzt übernimmt Deutschland gleich die Regierung in Athen und befiehlt, was zu geschehen hat. Die griechische Regierung musste zustimmen, dass europäische Institutionen – von niemandem gewählt und von Deutschen beherrscht – in ihrem Land Privatisierungen vornehmen und Gesetze erlassen, die dann vom griechischen Parlament – das man immerhin gnädig im Amt belässt – abgenickt werden dürfen. Das löst zwar keines der Probleme Griechenlands und Europas und lässt weitere Milliarden Schulden im Sumpf der wirtschaftlichen Hoffnungslosigkeit versinken, führt aber zu Jubel am deutschen Stammtisch: Denen haben wir’s aber gezeigt! Ja, wie Klippschule geht. Auch, wenn es widersinnig ist und die Wirtschaft kaputt macht.


Wie es Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ausdrückte: »Die bisherige Krisenpolitik ist eine Katastrophe. Deutschland hat Europa damit einen Schlag ins Gesicht versetzt.« (AFP, zitiert nach junge Welt vom 14.7.15)

Die Politik der Rettungsbleiwesten wird fortgesetzt. Die sogenannten Hilfspakete für Griechenland hatten seit 2013 folgende Auswirkungen: eine Steigerung der Arbeitslosigkeit um 102 Prozent, eine Senkung der Durchschnittsrente um 45 Prozent, des Durchschnittslohns um 38 Prozent und des Mindestlohns um 26 Prozent. Die Anzahl der Menschen ohne Krankenversicherung stieg um 500 Prozent. (klar, Zeitung der Links-Partei vom Juli 2015)


Allerdings gab es auch Profiteure: Der IWF nimmt Zinsen von 3,6 Prozent, seine Kosten für das geliehene Geld betragen aber höchstens 0,9 Prozent. Das bedeutet 2,5 Milliarden Euro Gewinn für den IWF aus den bisherigen Krediten an Griechenland. Und Herr Schäuble kann seine »schwarze Null« nur schreiben, weil Deutschland die billigen Kredite, die es aufnimmt, zu höheren Zinsen an Griechenland weiterverleiht. Bis jetzt ist – auch wenn sich das in den Medien anders anhört – noch kein Steuergeld nach Griechenland geflossen – ganz abgesehen davon, dass die Gelder, die angeblich an Griechenland gezahlt wurden, letztlich an deutsche und französische Banken gingen und diese vor dem Bankrott bewahrten.


Aber: Schulden müssen zurückgezahlt werden! Sagt ausgerechnet Deutschland, das 1953 in den Genuss des Londoner Schuldenabkommens kam.


Und wird wohl dieses Mantra angesichts des drohenden Staatsbankrotts der Ukraine wiederholt? Goldman Sachs sagte der Ukraine den Staatsbankrott für den Juli voraus. Insgesamt hat das Land 67 Milliarden US-Dollar Schulden und macht keine Anstalten, diese nach Fälligkeit zurückzuzahlen. Die ukrainische Bahn hat schon mal Insolvenz angemeldet. Aber in der Ukraine regieren ja keine linken »Chaoten«, sondern Oligarchen im Bund mit Faschisten, die kann man nicht hängen lassen. Denen gewährt die EU gern Kredite, bis jetzt 2,8 Milliarden Euro, zugesagt sind weitere 1,2 Milliarden.


Aber man lässt ja auch Griechenland nicht hängen! Das Land ist zwar zahlungsunfähig, wird aber nicht für bankrott erklärt, denn: Die Nichtzahlung der fälligen Zinsen habe man erwartet. Sagt der IWF. Das ist eine völlig neue Sichtweise: Wenn der Bankrott erwartet wurde, ist er keiner.
Wäre Griechenland eine Bank, hätte es sicher eine Chance.


Auch unsere Regierung erhielt die Chance zu lernen: Am 21. Juli erklärte das Bundesverfassungsgericht ein Bundesgesetz für verfassungswidrig: Die Herdprämie sei nicht zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in den Bundesländern notwendig, daher habe die Bundesregierung keine Kompetenz, dazu Gesetze zu erlassen. Bisschen kompliziert ausgedrückt, wie Juristen eben sind, aber klar ist: Die Bundesregierung hat bei ihrer Gesetzgebung das Grundgesetz nicht berücksichtigt. Seit 2005 werden jährlich etwa sieben Gesetze vom Bundesgerichtshof für verfassungswidrig erklärt. Die nächsten, die anstehen: Maut und Vorratsdatenspeicherung. Gegen das Gesetz, das die bloße Absicht einer Ausreise in Länder, in denen Terrorlager existieren, unter Strafe stellt, ist zwar noch keine Klage erhoben worden, aber der erste Dschihadist, der deswegen angeklagt wird, müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn er dieses Gesetz nicht als verfassungswidrig anklagt. Gewinnen würde er auf jeden Fall. Hier wurden elementare Grundlagen des Rechtsstaats außer Kraft gesetzt. Warum schützt uns der Verfassungsschutz nicht vor dieser Regierung, die offensichtlich ihre Hausaufgaben nicht macht?


Aber immer eine gute Figur macht sie: Beim Treffen mit Schülern wurde die Kanzlerin von einem palästinensischen Flüchtlingsmädchen mit dessen schwieriger Situation konfrontiert: permanente Unsicherheit, weil der Familie die Abschiebung droht. Als die Schülerin in Tränen ausbrach, streichelte Frau Merkel ihr den Kopf, haute ihr aber um die Ohren, dass da schließlich noch Tausende Palästinenser in jordanischen Flüchtlingslagern wären, die man nicht alle ins Land lassen könne. Deshalb müsse schneller abgeschoben werden, damit gar nicht erst eine solche Situation entstehen könne. Menschlichkeit? Aber nicht doch! Angela Merkel verwaltet doch bloß die politische Agentur des deutschen Kapitals, und das hatte für Menschlichkeit noch nie etwas übrig. Für Terrorhelfer schon. Die Kanzlerin hat ein Kondolenztelegramm in die Türkei geschickt, aber nicht an die Opfer des Attentats beim sozialistischen Jugendverband, sondern an die türkische Regierung, deren Unterstützung für den IS notorisch ist. Mit dieser Regierung sei Deutschland »verbündet im Kampf gegen den Terrorismus«. Gegen? Da war doch wohl »für« gemeint. Falsche Präposition! Setzen, fünf!


Dabei wollen die Sponsoren der Regierung doch nur, dass sie sich weiter dumm und dämlich verdienen können an den arbeitenden Menschen in ganz Europa. Zuviel Schule ist da geradezu gefährlich. Denn schließlich könnten die Menschen – nicht nur in Griechenland – daraus auch lernen, dass es innerhalb dieses Systems nichts mehr zu gewinnen gibt und es geändert werden muss. Noch sind es zu wenige, die das wissen und entsprechend handeln. Aber Millionen haben jetzt schon die Illusionen verloren, die Frage ist, wann sie die Kraft gewinnen, aktiv zu werden.