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Titel1614

Frauen zum Fürchten  (Ingrid Zwerenz)

»Wir brauchen keine Kanonen, uns fehlt kein Weltkrieg zum Glück, wir wollen weiter nichts als nur zurück, zurück, zurück.«* Dieses schön de-eskalierende Underground-Lied wagten ein paar beherzte Leute inmitten einer Masse von Hitlerhörigen gegen Ende des »Dritten Reichs« leise zu singen. Unserer Verteidigungsministerin von der Leyen sind diese Zeilen zu empfehlen, die gern von den in ihrer Familie gepflegten Hauskonzerten plaudert. Zu nutzen ist die Parodie in aktualisierter Form: »Wir brauchen keinerlei Drohnen, uns fehlt kein dritter Weltkrieg zum Glück.« Zu befürchten ist, daß die brennend ehrgeizige Politikerin daheim gar nicht mehr zum Musizieren kommt, sie muß ja draußen andauernd die slawophobe Kriegstrompete blasen. Noch ein paar Umdrehungen weiter und die Militärministerin fordert Atomwaffen.

Vor kurzem lief im Fernsehen der enttäuschend apologetische, direkt aus der Schönfärberei stammende Film »The Iron Lady« Regie: Phyllida Lloyd, Drehbuch: Abi Morgan – zwei Frauen am Werk für die kämpferische Frau Thatcher, die sich nicht nur lauthals ihres Sieges über die englischen Gewerkschaften rühmte, sondern bei Konflikten international sofort rabiat vorging und britische Soldaten in die Falkland/Malvinas-Insel-Schlachten kommandierte. Danach rang sie sich Beileidsbriefe an die Angehörigen der getöteten britischen Soldaten ab. Rüstet sich Frau von der Leyen schon für diese spezielle Korrespondenz? An Mustern fehlt es nicht. Der deutsche Nationalheilige Martin Heidegger, jetzt etwas angeschlagen wegen der judenfeindlichen Ausfälle in seiner Schrift »Die Schwarzen Hefte«, verfaßte mitten im Nazi-Krieg einen Kondolenzbrief, nachzulesen in Safranskis MH-Biographie »Ein Meister aus Deutschland«. »Am 26. September 1941 schreibt Heidegger an die Mutter eines Gefallenen, der ein Schüler von ihm gewesen war: ›Für uns Zurückbleibende ist der Schritt schwer zu dem Wissen, daß jeder von den vielen jungen Deutschen, die heute aus einem noch echten Geist und ehrfürchtigen Herzen ihr Leben zum Opfer bringen, das schönste Geschick erfahren darf.‹

Welches schönste Geschick wird dem Gefallenen denn zuteil? Ist es dies, daß Heidegger seiner gedenkt? … Bekommt damit dieser Krieg einen Sinn? Hat Heidegger nicht in seinen Nietzsche-Vorlesungen davon gesprochen, daß dieser Krieg Ausdruck des seinsvergessenen Willens ist?« So der scharfe Kommentar von Safranski, der sich sonst bemüht, seinen Philosophen ins beste Licht zu rücken, doch bei der Lektüre des Heidegger-Beileidsbriefes ist wohl selbst ihm der Kragen geplatzt.

Zur Erholung ein Autor, der sich über die Sinnlosigkeit und Absurdität von Kriegen die Finger wund geschrieben hat: Joseph Heller, US-Bürger, Sohn armer russisch-jüdischer Immigranten. Angefangen mit dem rasanten Welterfolgs-Roman von 1961, »Catch-22«, bleibt er beim Thema. In seinem von Lutz-W. Wolff übersetzten Rembrandt-Buch aus dem Jahr 1989 stehen unvergeßliche Sätze: »Man soll in einem weit entfernten, feindseligen Land keinen Krieg anfangen …, die Regierung, die man einsetzt, um Ordnung zu halten, wird keine Ordnung halten; wenn die Bevölkerung nicht aufhört zu kämpfen, kann man nicht siegen; und Völkermord ist das einzige Mittel, um entschlossenen militärischen Widerstand vor Ort zu brechen.« Heller ist 1999 verstorben. Die zitierten Zeilen passen auf Israel/Palästina und sind prophetisch für die USA-Kriege in Afghanistan sowie den Irak.

Von der Leyen wie Gauck möchten militärische deutsche Aktivitäten über die Grenzen hinweg ausdehnen. Am 6. Juli verfolgte die von ihrem Vater einst liebevoll Röschen genannte Ursula von der Leyen bei »Günther Jauch« stur ihre »Kampflinie« – ein botanisches Wunder: keine Rose, nur Dornen. Neben ihr Hillary Clinton, deren Fernsehauftritt man nach ihrem besonders gegen Edward Snowden gerichteten hochaggressiven Interview im stern vom 12. Juni 2014 ohnehin erwartungsfrei entgegensah. Charakter behielt und bewies eine dritte Teilnehmerin, Margot Käßmann, die ihr Urteil »Nichts ist gut in Afghanistan« wiederholte. Als Dunkelhaarige paßt sie nicht zu den bisher genannten Brutal-Blondinen mit den Beton-Frisuren.

Unerwartet rabiat hatte sich 1989/90 nach der sogenannten Wende die sonst politisch zurückhaltende Ehefrau Hannelore des damaligen Kanzlers Kohl geäußert. »Die Russen müssen raus!« forderte sie. Nachzulesen im autobiographischen Buch ihres Sohnes Walter Kohl. Hintergrund: 1945 hatten sowjetische Soldaten die Zwölfjährige vergewaltigt, unklar blieb, ob der sexuelle Übergriff auch ein Racheakt wegen ihres Nazi-Vaters war. Wilhelm Renner, in der NSDAP seit 1933, von Beruf Rüstungsbetriebsdirektor, blieb unerschüttert bis zum Kriegsende auf diesem Posten. Bei allem Mitgefühl für das Kind – auch der erwachsenen Hannelore scheint nie deutlich geworden zu sein, daß da eine gewisse Kausalität bestand. Ihr haßerfülltes Fazit hieß: Die Russen müssen raus! Wer aber hatte dazu beigetragen, daß sie reinkamen?

* Zitiert nach dtv-TB 1719 »Deutsche Schlager aus vier Jahrzehnten«, Autoren Lutz W. Wolff und Maurus Pacher, das Lied in Urform »Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück« stammt von Peter Kreuder und Hans-Fritz Beckmann, die Parodie dazu ebenfalls.