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Titel1615

Landesverräter im Amt  (Otto Köhler)

Gut, Generalbundesanwalt Harald Range wurde gefeuert. Der Mann, der den tatsächlichen »Abgrund von Landesverrat« (Ossietzky 11/2015) in diesem Land nicht sah, und seit Monaten in einem »Prüfverfahren« untergetaucht war, um zu »klären«, ob »ein Anfangsverdacht« für eine in seinen Zuständigkeitsbereich fallende Straftat wie Landesverrat vorliege, und dabei wohl immer noch bei der Frage steckenblieb, ob Angela Merkel wirklich ein Handy habe und ob es eine ladungsfähige Adresse für eine Organisation namens NSA gebe; er ist über seinen plötzlich entwickelten Eifer gestolpert: Landesverrat ja. Aber bei Journalisten, die die neuesten Pläne des Verfassungsschutzes aufdeckten, die Überwachung aller Bürger dieses Landes so zu perfektionieren, dass jeder Große Bruder zufrieden sein kann.


Gut also, den einen sind wir los, weil er durchdrehte, als sein weisungsbefugter Justizminister rechtliche Bedenken bekam, ob man deshalb Journalisten mit dem Vorwurf des Landesverrates überziehen dürfe. Was mag das für ein Land sein, das sich verraten glaubt, wenn die Bürger erfahren, was sein Geheimdienst gegen sie im Schilde führt?


Aber was ist mit dem Geheimdienstchef, der die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes erst auslöste? Kann Hans-Georg Maaßen, der die Anzeige wegen Landesverrats stellte, noch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleiben? Gut er ist hochqualifiziert. Zwei Jahrzehnte im Dienst des Innenministeriums wurde ihm das hohe Amt erst übergeben, nachdem ihm die Freie Universität eine Ernennung zum Honorarprofessor entschieden verweigert hatte. Grund: Er hatte als Beamter des Innenministeriums mit einem Gutachten dafür gesorgt, dass der vom CIA als »Terrorist« nach Guantanamo entführte Murat Kurnaz, drei zusätzliche Jahre dort eingesperrt blieb, obwohl dort seine Unschuld nach zwei Jahren Folter feststand. Kurnaz habe schon nach sechs Monaten ununterbrochenen Verbleibens im Ausland sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verwirkt, dekretierte Maaßen, und da spiele es keine Rolle, ob dieser »Auslandsaufenthalt« im US-Folterlager freiwillig war oder nicht. Dieses exquisite Rechtsempfinden, das Maaßen für eine Professur an der FU disqualifizierte, empfahl ihn wärmstens für den Posten an der Spitze des Verfassungsschutzes, nachdem sein Vorgänger Fromm wegen der Schredderaktion des VS gehen musste. Die hatte sich als unerlässlich erwiesen, als sich nach dem seltsamen Tod unserer deutschen Mitbürger Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos herausstellte: Nicht türkische Gemüsehändler haben sich gegenseitig umgebracht, sondern das waren Mordtaten von einem eng mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitenden Nationalsozialistischen Untergrund, wobei zuletzt sogar der VS durch einen V-Mann am Tatort zugegen war – um den ordnungsgemäßen Verlauf zu kontrollieren?


Das alles aufzuklären, war der Kurnaz-Spezialist Hans-Georg Maaßen der kompetente Mann. Es ist ihm vorbildlich gelungen, den ganzen NSUVS-Komplex unter der Decke zu halten. Und darum ist es konsequent, dass er »Haltet den Dieb« schrie und Journalisten zu Landesverrätern machte, die über die umfassende Tätigkeit seines Verfassungsschutzes aufklären.


Aber selbst wenn nun – vielleicht? – auch Maaßen gehen müsste. Wer trägt die letzte Verantwortung? Thomas de Maizière mit Sicherheit nicht. Der für den Verfassungsschutz zuständige Innenminister hat – wie 1962 Franz Josef Strauß beim damaligen Landesverrat – von allem nichts gewusst. So ließ er es zunächst durch seine Staatssekretärin verlauten. Dann ließ er durch seinen Sprecher erklären, »dass bis hoch zum Minister das Bundesinnenministerium der Auffassung ist, dass Herr Maaßen korrekt gehandelt hat«.


Und inzwischen haben wir erfahren, dass de Maizière frühzeitig, möglicherweise schon seit April – also von Anfang an –, Bescheid wusste. Franz Josef Strauß musste damals zurücktreten. Heute sind wir da viel weiter.