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Titel1814

»Aus« für italienische Traditionszeitung  (Karl-H. Walloch)

In der vorletzten Ausgabe titelten die Redakteure: »Jetzt haben sie L'Unità getötet.« Das war am 30. Juli 2014. Einen Tag später stellte die Tageszeitung der Linken, 90 Jahre nach ihrer Gründung, ihr Erscheinen ein. Der Beschluß zur Einstellung des Blattes war den Journalisten, die seit April kein Gehalt mehr bekamen, am 29. Juli vom Konkursverwalter mitgeteilt worden. In den Wochen zuvor gab es um L'Unità immer wieder Übernahmegerüchte. Doch es kam nie ein Angebot. Selbst der Ministerpräsident der Italienischen Republik, Matteo Renzi, appellierte, Die Einheit – so die Übersetzung von L'Unità – zu retten, bewirkte aber nichts.

Es war Mario Monti, der 2011 als Ministerpräsident begann, die staatlichen Finanzmittel für die Printmedien zu kürzen. Zuvor hatte Italien den Anspruch gehabt, das Meinungsspektrum innerhalb der Medien zu garantieren. Die Kürzungen der staatlichen Zuschüsse trafen L'Unitá hart. Erhielt die Zeitung vor sechs Jahren noch rund sechs Millionen Euro an staatlichen Zuwendungen, hatte die Regierung diese 2014 auf etwa zwei Millionen Euro abgeschmolzen. Dabei waren die staatlichen Zuwendungen stets nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Verlag Nuova Iniziativa Editoriale, zu der L'Unitá gehörte, hat etwa 22 Millionen Euro Schulden. Wie die Zeitung wird auch der Verlag nun liquidiert. So endet die Geschichte einer der ältesten und angesehensten italienischen Tageszeitungen, die immer mit der Arbeiterbewegung verbunden war.

Am 12. Februar 1924 wurde L'Unità vom Journalisten, marxistischen Philosophen und Gründer der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Communista Italiano – PCI) Antonio Gramsci aus der Taufe gehoben. Bis 1991 war L'Unità die offizielle Zeitung der PCI für Arbeiter und Bauern. Nach Gramscis Vorstellung sollte die Zeitung keine Parteizeitung sein, sondern eine Zeitung für die Linke im Lande. Nach dem Attentat von Anteo Zamboni am 31. Oktober 1926 auf den Faschistenführer Benito Mussolini wurde L'Unità verboten. Sieben Monate später erschien die Zeitung im französischen Lille. Dann dauerte es Jahre, bis L'Unità wieder in Italien, im Turiner Untergrund, erscheinen konnte. Die Eroberung Roms durch die Alliierten ermöglichte der PCI-Zeitung ihre Wiedergeburt.

In den kommenden Jahren – es ist die Zeit, in der die Filme über »Don Camillo und Peppone« nach der Romanvorlage von Giovanni Guareschi spielen – hatte die Zeitung fast 240.000 Leser und war ein Forum der Linksintellektuellen im Lande. Die terroristischen »Roten Brigaden« bezeichneten 1978 das Blatt als »Feind der Demokratie« und eröffneten einen Generalstreik gegen L'Unità.

Mit den politischen Veränderungen in Europa öffnete sich die Zeitung hin zur Mitte. Ab 1991 gab es im Kopf der Zeitung nicht mehr den Bezug zur PCI, statt dessen einen Hinweis auf die Tradition des Blattes und ihren Gründer. 1995 ging L'Unità als erste Zeitung Italiens ins Internet. Es folgte die Lösung von der Partei und eine halbe Privatisierung. Im Juli 2000 stellte die Zeitung für sechs Monate aus Geldmangel ihr Erscheinen ein. Dann gab es die Wiedergeburt von L'Unità, dieses Mal an der Seite der Partito Democratico (PD). In den Folgejahren kämpfte die Redaktion stetig mit den Herausgebern und finanzieller Not. Im Juni 2014 wurden nur noch 21.000 Exemplare der Zeitung verkauft. In der vorletzten Ausgabe brachte L'Unità einen Rückblick auf ihre Kämpfe und ihre Geschichte.

Nun ist die Printausgabe von L'Unità bereits Geschichte. In einem Gespräch erinnerte der letzte Chefredakteur Luca Landò daran, »... daß die Zeitung immer jungen und angesehenen Schriftstellern und Intellektuellen die Möglichkeit gegeben hat, eigene Beiträge zu veröffentlichen. Wie etwa Antonio Tabucchi, Pier Paolo Pasolini.« Und weiter sagte Landò: »Ich möchte nur alle Bürger daran erinnern, also auch unsere Politiker, daß diese Zeitung immer eine Stimme der Schwachen und Ausgegrenzten war, Themen ansprach, die bei anderen Printmedien nicht auftauchten. Aus diesem Grund wurde L'Unità am 12. Februar 1924, also mitten im Faschismus, von Antonio Gramsci gegründet, einer der interessantesten Persönlichkeiten Italiens.«

Im Internet kann die Zeitung unter unita.it weiterhin gelesen werden.