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Titel1909

Frage an die Kriegsparteienwähler  (Gerhard Zwerenz)

Nachdem der Bundeswehr unweit Kundus zwei Tanklastwagen weggekapert wurden, verkündete Franz Josef Jung, Minister und Absolvent der hessischen Kochschule, über Bild: »Wer uns angreift, wird bekämpft.« So die schnelle Antwort eines Feldherrn auf die räuberische Frechheit der Taliban, die ihre Beute in den Fluß fuhren, wo sich die nahe wohnenden Dörfler Benzin für den Eigenbedarf abzapften. Die nächtlichen Umtriebe im Feindesland kamen dem macht- und wachthabenden Bundeswehr-Kommandeur verdächtig vor, der seinen vorgesetzten US-General um kameradschaftliche Bombenhilfe bat, weil die eigenen Flieger ja unabkömmlich den baltischen Luftraum gegen die Putinisten schützen müssen. Also siegte Oberst Klein, ein »besonnener Offizier«, »alles andere als ein Hasardeur« (Spiegel online, 5.9.09), mit Hilfe von NATO-Kampfjets, auf daß es Feuer vom Himmel regne, in den unsere tapferen deutschen Christen doch sonst nur ihre Gebete fürs teure Seelenheil hinaufsenden.

Oberst Kleins ebenso besonnener Kriegsminister war es zufrieden. Die talibanischen Benzindiebe zahlten ihr Verbrechen mit 40 Toten. Zivile Opfer seien keine dabei. Soviel vom Jungschen Kriegsreport, auf den absolut Verlaß ist wie bei seinen Vorgängern. Wer wollte an der Wahrheit von Wehrmachtsberichten zweifeln? Dieses Vertrauen hat Tradition und Kontinuität.

Minister Jung kommt aus der hessischen CDU-Kriegsschule. Einmal Religionskrieger, immer Religionskrieger. Eine fromme Partei, die in der Schweiz heimlich jüdische Vermächtnisse hortet und verwaltet, lebt unter der steten Gnadensonne der Firma Kohl & Koch (Heckler & Koch inbegriffen). Gemeinsam mit der Berliner SPD-Führung schlugen die hessischen Christdemokraten Monate vor den talibanischen Benzinräubern am Flusse Kundus die nicht weniger aufrührerischen Ypsilantisten am Flusse Main, wo der als Minister designierte Hermann Scheer der heiligen Atomindustrie Vernunft beibringen, das heißt sie das Fürchten lehren sollte. In Frankfurt am Main also triumphierten die Vereinigten Berliner CDU- und SPD-Vorstände, die in Sachsen ihre Sozis schon auf glatte neun bis zehn Prozent gedrückt hatten. Der Kochlöffel Jung aber siegt am Hindukusch weiter, wo schon Peter Struck unsere kostbare Freiheit so energisch verteidigt hat, daß er sich jetzt aufs wohldotierte Altenteil zurückziehen kann.

Ich erlaube mir, unsere Kriegsparteienwähler zu fragen, wie sie es denn nach dem 27. September halten wollen. Wer soll den angefangenen, also begonnenen und nicht beendeten Krieg weiterführen?

Die 40 Talibantoten verdreifachten oder vervierfachten sich inzwischen, und richtige Talibans sind es auch nicht, und unsere lieben Bundeswehr-Soldaten im »Auslandseinsatz«, die gestern noch drückebergerische Weicheier waren, sind mit einem Schlag als verachtenswerte Bomberfreaks zum Gespött der NATO-Kameraden geworden. Deutsches Militär rächt Benzinklau mit Massaker? Jung-Siegfried aber verteidigt seine Truppe mit dem Elan des Talk-Riesen Guido Westerwelle, der kürzlich in Plasbergs Sendung Hart aber fair dem friedensstörrischen Lafontaine alle Propaganda-Gründe aufsagte, mit denen für den Afghanistan-Krieg so getrommelt wird, wie einst dem deutschen Volk der 2. Weltkrieg eingeredet wurde. Was Maulheld Westerwelle als Kriegsgrund gegen die Taliban anführt, ließe sich gegen die meisten Länder Asiens und Afrikas vorbringen. Der 3. Weltkrieg als Weltreligionskrieg? Die Kriegsparteien CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne bilden eine im Kriegswillen übereinstimmende neue Einheitspartei, wie sich die Sozialdemokratie schon 1914 auf die Seite von Wilhelm II samt seiner Generäle, Minister, Schlotbarone, Kapitalmagnaten und Großgrundfeudalisten geschlagen hat. Die Linke wird für unberührbar erklärt, weil sie die neuen Kriege verweigert. Wer und was also ist wählbar?

»Nicht immer wird man die Schmutzarbeit den Partnerländern überlassen können«, kündigte Bundeswehr-Oberstleutnant Reinhard Herden schon in Truppenpraxis Wehrausbildung 2+3/1996 an. Da galt der »Einsatz« in fernen Ländern, wie ihn Merkel, Jung und andere Politiker der Kriegsparteien jetzt bei vielen Gelegenheiten »würdigen«, noch als Schmutzarbeit. Herden: »Es wäre unklug«, die Bundeswehr »nicht für die brutalen kleinen Kriege gegen die kleinen bösen Männer auszubilden. Deutschland wird um eine Beteiligung an diesen Kriegen gebeten werden.« Inzwischen sind wir gebeten worden. Helmut Kohl hatte es am 12.7.1994 glasklar vorausgesehen: »Es ist mit der Würde unseres Landes unvereinbar, daß die Deutschen sich bei internationalen Pflichten drücken.« Klaro: Wir »müssen internationale Verantwortung übernehmen«. Statt deutscher Wertarbeit Schmutzarbeit. Und zum Dank kommt jetzt der Hohn für die waffennärrische, kannibalische Dummheit dieser emsigen Kriegsparteien. Wer das wiederwählt, ist auf ewig verloren: »So lebt euer Leben des Gehorsams und des Krieges!« (Nietzsche)

Am 9.9.09 sorgte unsere Fernseh-Elite wiederum in Hart aber fair für Volksaufklärung: Michel Friedman forderte, den Krieg hinreichend zu erklären. General a. D. Kujat und seine Politkommissare von der CDU-SPD-FDP-Grünen Einheitspartei taten es. Jürgen Todenhöfer isolierte sich menschlich entsetzt, Petra Pau will gnädig, was alle wollen: Diese Afghanen sollen sich selbst besiegen. Eingespielte Straßenpassanten, nach dem Hindukusch befragt, wußten nicht, wo und was das ist. Plasbergs Resultat: Es ist mehr Kriegserklärung nötig.

Mal sehen, wieviel Volk am Wahltag drauf reinfällt. Chruschtschow einst in Stalingrad: Kratze den Deutschen, und es kommt ein Soldat heraus. Kratze den Soldaten, und es kommt ein Faschist heraus.

Spätere Generationen werden viel aufzuarbeiten haben.