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Titel1910

Stimmt ja: Hitler hat Postkarten bemalt  (Max Holzmüller)

Stimmt ja, sagt Erika Steinbach, die Vertriebenenpräsidentin und menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion, wie unter dem Eindruck eines plötzlich einschlagenden Erkenntnisblitzes. Was stimmt? »Es stimmt ja, die Polen haben ja zuerst mobil gemacht.« Das wiederholte »ja« bezeichnet die Momente, in denen sich die Erleuchtung Bahn bricht, die Gedanken sich gleichsam in Kleistscher Manier beim Sprechen schubweise zur vollen Wahrheitsentfaltung bringen. Ja, stimmt ja!

Eine Wahrheit, die einmal Besitz ergriffen hat von ihrem Inhaber, kann auch mit Leid verbunden sein: »Und ich kann es auch leider nicht ändern, daß Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat«, sagt Steinbach. Nein, Geschichte läßt sich »leider nicht ändern«, allerdings ändert sich das Verständnis von ihr im redlichen und stets erneuten Bemühen um Erfassung der Zusammenhänge von Ereignissen. Würde ein Geschichtsforscher solche Zusammenhänge einfach ausblenden, könnte er zu dem sehr schlichten Ergebnis kommen: Adolf Hitler hat Postkarten bemalt. Und das stimmt.

Zur Teilmobilmachung Polens am 23. März 1939 gehört der Zusammenhang, dass sie eine direkte Reaktion auf den deutschen Einmarsch in die so genannte Rest-Tschechei war und dieser ein endgültiger Bruch mit dem »Münchener Abkommen« vom 30. Dezember 1938, in dem Hitler die »Eingliederung« des Sudetenlandes ins Deutsche Reich zugestanden worden war. Hinzu kam im Frühjahr 1939 die deutsche Forderung, Danzig mit einer exterritorialen Verbindung ans Reichsgebiet anzuschließen. Beides ließ bei den Polen die Befürchtung aufkommen, daß eine militärische Auseinandersetzung mit Nazi-Deutschland unmittelbar bevorstehe. Die Teilmobilmachung war eine defensive Reaktion auf diese massive Bedrohungslage.

So weit, so unsensationell. Doch warum dann der Steinbach-Eklat? Warum ihr Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Parteivorstand? Weil es ihr eben nicht um die historischen Zusammenhänge geht, sondern darum, revanchistische Positionen in ihrem Vertriebenenbund zu rechtfertigen. Ein Präsidiumsmitglied, Hartmut Saenger, hatte 2009 in einem Artikel geschrieben, daß alle europäischen Großmächte vor dem Zweiten Weltkrieg eine besonders große Bereitschaft zum Krieg gezeigt hätten. Und: Polen habe sich »besonders kriegerisch« aufgeführt (Teilmobilmachung, siehe oben). Der Vertriebenenbund-Kollege Arnold Tölg äußerte im Interview mit der Jungen Freiheit: Bei der Zwangsarbeiterentschädigung hätten »gerade die Länder, die am massivsten Forderungen gegen uns richten, genügend Dreck am Stecken«. Vielleicht findet sich für die Dreck-Sucher Platz in einer neu zu gründenden Partei rechts von der CDU. Demoskopen wollen bei Bundesbürgern eine Zustimmung für ein solches rechtspopulistisches Projekt von bis zu 20 Prozent ausgemacht haben. Wenn das stimmt, wäre es eine bittere Wahrheit.