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Titel202013

Nach dem Urnengang  (Arno Klönne)

Angela Merkel bleibt, was sie ist, mit mehr Akklamation als bisher. Auf die FDP kann sie lässig verzichten, Koalitionshelfer für eine von ihr dirigierte Regierung sind vorhanden.
Bild hat sich dieses wenig überraschende Ereignis etwas kosten lassen: Eine umfangreiche Sonderausgabe, kostenlos und flächendeckend in die Haushalte der Bundesrepublik zugestellt. »Prost Wahlzeit!« stand da in riesigen Lettern, »Ab ins Wahllokal! Ran an die Urne. Eintritt ist frei!« Dieselbe Botschaft sinngemäß in allen Medien: Jetzt haben Sie es in der Hand – jede Stimme zählt! Ganz offensichtlich gaben sich diejenigen, deren finanzielle Ausstattung es ihnen erlaubt, professionell öffentliche Meinung zu machen, größte Mühe, den Souverän zur Teilnahme am Wahlakt zu animieren. Was trieb sie dazu an? Staatsbürgerliche Leidenschaft? Ein anderes Motiv ist weitaus plausibler: Das derzeitige parlamentarische Politiksystem leidet unter einem massiven und anhaltenden Vertrauensverlust. Der hat seine Gründe in realistischer Beobachtung dessen, was sich im politischen Verhalten von Parteien, Parlament und Regierung abspielt. Die gesellschaftspolitischen Entscheidungen sind immer mehr übernommen worden von Machtzentren, die im Grundgesetz gar nicht vorgesehen sind, denen man durch Wahlen auch nicht in die Quere kommen kann.

Die wichtigsten Weichenstellungen in der Politik seien alternativlos, hat Angela Merkel selbst dem Volk ständig mitgeteilt. Von dieser Botschaft profitiert sie. Daß die SPD und die Grünen eine Alternative dazu in den Politikbetrieb bringen würden, war ernsthaft nicht zu erwarten, dementsprechend trist fiel das Wahlergebnis für sie aus. Aber auch eine Fassadendemokratie braucht ein Mindestmaß an Legitimation, deshalb darf die Wahlbeteiligung nicht zu dürftig sein, sonst kommen zu viele Bürgerinnen und Bürger auf die Idee, da müsse man sich doch Gedanken machen über eine Kernsanierung in diesem Gehäuse. Also war es zweckdienlich, vor den Bundestagswahlen massenmedial künstliche Spannung zu erzeugen, einen »Wahlkrimi« zu inszenieren, »Duelle« ums Kanzleramt vorzuführen, ein »Kopf-an-Kopf-Rennen« von »zwei Lagern« vorzutäuschen, die in der politischen Substanz keineswegs existieren. Und die Aufmerksamkeit hinzulenken auf Personalkonkurrenzen für künftige Regierungsämter.

»Jede Stimme zählt«? Ja sicher, sie wird verrechnet bei der Verteilung von Sitzen im Bundestag, hat damit auch Einfluß auf die Besetzung von Regierungsämtern – aber für welche Politik wird »mandatiert«? Da standen in den Hauptsachen keine kontroversen Inhalte zur Wahl, nicht beim Kartell jener Parteien, die sich gemeinsam »Regierungsfähigkeit« vorbehalten. Operativ ist die SPD hilflos, solange sie nicht einmal dulden will, daß die Linkspartei eine sozialdemokratisch-grüne Regierung duldet. »Jetzt haben Sie es in der Hand«? Den Wahlzettel, das stimmt, aber was war damit zu bewirken? Ein Politikwechsel jedenfalls nicht, und selbst der Personalwechsel war unberechenbar, denn beim Zustandekommen von regierenden Koalitionen gibt es keine »Aufträge« der WählerInnen.

Die Stimmen für die Linkspartei haben immerhin dafür gesorgt, daß der neue Bundestag nicht oppositionslos ist, im Sinne politischen Widerspruchs. Von einem »Linkstrend« freilich kann keine Rede sein. Und die Piraterie fand nicht hinreichend Sympathie.

Nun sind die Wahlurnen wieder leer. Es gibt solche Gefäße auch zum Zwecke der Bestattung und zur Ziehung von Lotterielosen, eine Übereinstimmung im Begriff, die nachdenklich machen kann.