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Titel2014

Kennen Sie den ...?  (Volker Bräutigam)

»Frage: Was ist der Unterschied zwischen ...« – »Hahaha! Kenn´ ich!«

Noch mal von vorne: »Was ist der Unterschied zwischen ›radikalislamischen Kämpfern‹ und ›moderaten Kräften‹ im Nahen Osten?« Antwort: »Es gibt keinen. Aber die einen heißen Terroristen, die anderen sind nur Rebellen.«

Ach so.

Unter US-amerikanischer Anleitung hatten sich Mitte September die Außenminister von 30 Staaten in Paris zu einer neuen »Koalition der Willigen« zusammengeschlossen und, so berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, »dem Irak Hilfe versprochen« bei der Niederschlagung des Islamischen Staates (IS). Jedoch: »Im Gegensatz zu Amerika lehnt es Frankreich weiterhin ab, auch Luftschläge gegen Ziele in Syrien zu erwägen, aus Sorge, den syrischen Machthaber Assad zu stärken.«

Was hatte der deutsche Willige beizutragen? Nochmals die FAZ: »Auch Steinmeier sagte, der Vormarsch des IS in Syrien sei zu Lasten der moderaten Opposition gegangen.« (Nur kluge FAZ-Köpfe formulieren so stilsicher.) SPD-Steinmeier, wir erinnern uns, hatte dem öffentlichen Drängen von der Leyens (CDU) nachgegeben und Waffenlieferungen aus dem Bundeswehr-Arsenal an die »moderaten« Kurden im Irak zugestimmt. Im Einklang mit der Mehrheit der Willigen des Bundestages, wie sich zeigte.

Der buchhalterischen Korrektheit halber: Die moderaten Kurden im Nord-irak erhalten 8000 klassische G3- und 8000 neue G36-Sturmgewehre (Heckler & Koch), 40 MG3-Maschinengewehre (Rheinmetall AG), 8000 Pistolen P1 (Carl Walther GmbH), 30 Panzerabwehr-Lenksysteme MILAN (MDBA Euromissiles, Deutschland/Frankreich), 200 Exemplare der Panzerfaust 3 (Dynamit Nobel Defence GmbH), 40 Schwere Panzerfäuste (Förenade Fabriksverken, Schweden), 100 Signalpistolen und 10.000 Handgranaten DM51 (Diehl Defence & Co.KG). Plus insgesamt eine Million Schuß Munition (Patronen, Granaten, Raketen).

Kosten: Schlappe 75 Millionen Euro. Die Waffenlieferung ins irakische Kriegsgebiet durfte der Bundestag in Berlin sogar moderat kritisieren: »Tabubruch!« Obwohl das Tabu längst nicht mehr existiert. Die BRD liefert traditionell Waffen in Spannungsgebiete und an kriegführende Staaten, an Israel, an Saudi-Arabien, Katar und an Algerien beispielsweise. Diesmal sind die Empfänger aber moderate Leute. Nur ein moderater Tabubruch also.

Weniger besinnlich das US-Repräsentantenhaus. Es pfiff auf das Völkerrecht (Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates) und stimmte mit deutlicher Mehrheit dafür, die »irregulären« Kampfverbände in Syrien zu bewaffnen, die von Washington als »moderate Opposition« bezeichnet werden. Sie werden nun Mordgerät für moderate 500 Millionen US-Dollar bekommen.

Über diese Vorgänge machten sich viele US-Medien in Satirebeiträgen lustig. Im Magazin The New Yorker schrieb der Kabarettist Andy Borowitz, den USA sei es gelungen, in Syrien einen moderaten Rebellen aufzuspüren. Außenminister John Kerry habe versichert, dieser Erfolg sei der Lohn monatelanger Anstrengungen gewesen. Der Syrer sei akribisch überprüft worden: ein moderater Rebell, der »definitiv zu der Sorte Gentleman zählt, mit der die Vereinigten Staaten von Amerika getrost Umgang pflegen«. Abschließend habe Kerry erklärt, die Ermittlung des moderaten Syrers sei ein strategischer Sieg der Regierung und werde ihren Kritikern das Maul stopfen. »All den Neinsagern, die bisher behauptet haben, es gebe überhaupt keine moderaten syrischen Rebellen, erkläre ich, daß wir einen solchen jetzt gefunden haben. Und wenn wir einen gefunden haben, dann heißt das, daß es dort noch mehr davon geben muß.«

So sind sie, unsere amerikanischen Freunde. Deutsche Politiker und ihre Medien bedienen uns hingegen allenfalls mit Realsatire. Kürzlich tauchte auch in den Nachrichten der ARD-Tagesschau die Wortkombination »moderate Islamisten« auf. Die Fähigkeit deutscher Redaktionsstubenbesatzer, Moslems unterschiedlichster politischer und religiöser Provenienz zu unterscheiden und zu beschreiben, ist ebenso unterentwickelt wie die der meisten deutschen Politiker.