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Titel2118

Bemerkungen

Klagelied

eines verstörten CSU-Abgeordneten am Morgen nach der Landtagswahl vom 14. Oktober

 

Mei, was ist das für ein Schmarr’n!

Muss jetzt nach Altötting fahrn,

beten einen Rosenkranz,

sonst zerreißt es mich noch ganz.

 

 

Nicht mehr ganz allein regier’n,

will mir einfach nicht ins Hirn.

Steht demnächst am Königssee

eine riesige Moschee?

 

 

Muss der Söder jetzt verstohl’n

all die Kreuze runterhol’n,

die er völlig unbedrängt

kürzlich erst hat aufgehängt?

 

 

Mutti Merkel aber lacht.

Endlich ist das Werk vollbracht:

Seehofer wird baden gehen

und für sie ist alles schön.

 

Conrad Taler

 

 

Die Bewegung der Geschichte

Der italienische Altphilologe und Historiker Luciano Canfora (Bari) nennt sein neuestes Buch »Europa, der Westen und die Sklaverei des Kapitals« einen »historischen Essay«. Der Schwerpunkt liegt also nicht auf ausführlicher Darstellung, sondern auf Skizzierung im Rahmen einer klar umrissenen Fragestellung.

 

Der Hintergrund dieser Fragestellung ist »die Situation«, die er folgendermaßen skizziert: »Heute hat der Ausbeuter die Partie gegen den Ausgebeuteten gewonnen.« Die Fragestellung selbst lautet: Wie können »neue, effektivere und überzeugendere Formen des Widerstands gegen die Ungleichheit und des Kampfes für eine wirkliche Freiheit« gefunden werden?

 

Welche dies sind, ist nicht Thema. So lautet denn die indirekte Antwort in ihrer Kurzform: »Die Vorstellung, dass die Geschichte auf dem Weg zu ihrem Ende wäre, ist ein Irrtum.«

 

Das Konzept des »Westens« durchzieht den Essay in einer Intensität, die nicht immer einleuchtet; so ist es zumindest für das nicht-italienische Publikum nicht einfach, der Aneinanderreihung von Autoren zu folgen, die schließlich zu einem Werk des polnisch-französischen Schriftstellers Isaac Kadmi Cohen aus dem Jahre 1930 führt, der entgegen dem Klischee vom fremden, barbarischen Russland behauptet: »Der wirkliche Schaden, der die Zivilisation bedroht, kommt nicht aus dem Osten, sondern aus dem Fernen Westen.« Cohen versuchte nachzuweisen, dass die USA zum Nachteil Europas diese Rolle spielt, und Canfora stimmt ihm nicht nur zu, sondern verlängert die Linie bis in die Gegenwart.

 

Im Kapitel »Wo der Westen liegt« geht es vor allem um die Selbstzuschreibungen der Werte des »Westens«: Demokratie und christliche Tradition. Canfora bezeichnet diesen Konnex als »schlicht unmöglich, ja lächerlich«. Der Hinweis darauf, dass Japan heute als »ein Musterland des Westens« steht, mag an dieser Stelle genügen. Vor allem aber verlaufe »die Scheidelinie nicht mehr zwischen Orient und Okzident, sondern zwischen Norden und Süden der Welt«, wobei der »Süden« in allen Erdteilen nachweisbar ist.

 

Die Abschnitte über den »Kalten Krieg« und über »Sklaverei« (beziehungsweise Menschenhandel) sprengen den Essayrahmen, weil sie sich Beschreibungen und nicht so sehr der Hinführung zur Leitfrage und deren Beantwortung widmen.

 

Hierhin gelangt Canfora wieder im Abschnitt »Der Kapitalismus kann nicht global sein«. Er verweigert sich auch an dieser Stelle – wie am Anfang – konsequent einer positiven Beantwortung seiner Leitfrage, gewarnt durch die Erfahrungen mit dem Aufzeigen konkreter Handlungsperspektiven. (»Die […], die Marx vorschlug, sind nicht mehr aktuell.«) Dann aber fährt er fort: »[B]estehen bleibt hingegen seine [Marx‘] geniale Grundeinsicht: dass der Kapitalismus jener titanische Hexenmeister ist, der, indem er den Planeten im Zeichen des Profits vereinheitlicht, Kräfte geweckt und freigesetzt hat, die er nicht zu zähmen weiß.« An dieser Stelle taucht der Gedanke der Utopie beziehungsweise Dystopie auf, die ihm entgegentritt oder ihn in Gang hält. »Sozialismus« und »Fortschritt« sind seiner Meinung nach als Utopien »erschöpft« oder »auf dem Rückzug«. Canfora setzt stattdessen auf »Brüderlichkeit« und stellt ihr den »Egoismus« gegenüber: Dieser zeigt sich exemplarisch in der EU; die Kräfte, die die »Brüderlichkeit« tragen, »erweisen sich […] als wenige und versprengte«.

 

Abschließend vergleicht er die Entwicklung von Christentum und Kommunismus, die beide sich von ihren radikalen Ansprüchen (in Galiläa beziehungsweise im Paris der Commune) wegentwickelten. Er fragt sich, ob alle Anstrengungen letztlich vergeblich gewesen seien, und endet mit tröstlichen Hypothesen: »Die Geschichte verläuft in Spiralen. Sie erweckt den Eindruck, rückwärts zu verlaufen, auch wenn sie, mühsam, voranschreitet.« Diese Überzeugung als richtig zu belegen, ist ein Essay überfordert. Wenn Canfora aber behauptet, »aus […] schmerzvoller Entbehrung entsteht die permanente Bewegung der Geschichte«, fragt man sich, ob die Bewegung etwas gegen die Macht des einen Prozents der Superreichen ausrichten kann.

 

Lothar Zieske

 

 

Luciano Canfora: »Europa, der Westen und die Sklaverei des Kapitals«, aus dem Italienischen von Christa Herterich, PapyRossa Verlag, 107 Seiten, 9,90 €

 

 

 

Die Kunst des Weglassens

Es ist schon eine Kunst der bürgerlichen Soziologie, ein Buch über die globale Finanzklasse zu schreiben, ohne ein einziges Mal Karl Marx zu erwähnen, wenn es bei diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt um Business, Karriere und Kultur in Frankfurt und Sydney, das heißt die kulturelle und soziale Herausbildung einer neuen Kasse geht.

 

Charakteristisch ist die einseitige beziehungsweise etwas mangelhafte Quellenauswahl, so ist als historische Reminiszenz zwar Veblen (1899) erwähnt, aber einen Siegfried Kracauer zum Beispiel finde ich nicht. Die Autoren halten es mit Bourdieu, was grundsätzlich kein Fehler zu sein braucht, hier aber schon einen (polit-ökonomischen) blinden Fleck erzeugt.

 

Liest man das Buch von vorn nach hinten, muss man sich zunächst durch den soziologischen Fachwust (Methode, Referenz et cetera) quälen, bevor es in den Interviews mit den Investmentbankern interessant wird.

 

Ein wenig Neid kommt auf, gehörten zum Forschungsprojekt doch auch viele Interviews in Lokalen und Kneipen, wie die Fotos zeigen. Die Beschreibung der dortigen Beobachtungen sind nahe an der Grenze zur Satire – anders geschrieben: erschreckend banal. (Oder ist das auch eine soziologische Erkenntnis?) Trotzdem beneide ich die Forscher, allerdings nur unter der Bedingung, dass deren Drinks auf Kosten der DFG gingen.

 

Ob wir hier überhaupt von Klasse sprechen können, wenn man an Marx denkt, ist zweifelhaft, und kulturell betrachtet könnte man dann auch an die Klasse der international ausgebildeten Diener der Superreichen denken, die nun sicher ebenfalls Homogenisierungstendenzen aufweisen. Es fehlen, und das wurde sträflich vernachlässigt, die, die wirklich das Geld haben und die Fäden ziehen.

 

Einen kleinen Eindruck bietet Dennis Gastmann: »Geschlossene Gesellschaft. Ein Reichtumsbericht« (Berlin 2014).

 

Doch wenn man weiterliest, hat man den Eindruck, dass diese Studie etwas schwankt zwischen einem Bewerbungsgesuch nach »oben« und einem schlechten Gewissen, doch zu affirmativ gewesen zu sein.

 

Folgende wichtige Hinweise/Erkenntnisse stehen gegen Ende des Buches: »Dem Abbau von Ungleichheiten, die in Diskriminierung gründen, steht eine neofeudale Zunahme materieller Ungleichheiten gegenüber, die auf der sozialen Lage basieren.«

 

Und ein weiterer Hinweis, dem leider nicht weiter nachgegangen wurde: »Brancheneigene Stiftungen zeigen gesellschaftspolitisches Engagement in der Entwicklungshilfe, unterstützen junge Künstler und finanzieren kulturelle Einrichtungen wie Theater und Museen.«

 

Und auch noch: »Finalisierung strebt danach, immer mehr Güter, die noch außerhalb einer finanzwirtschaftlichen Verwertung stehen, in die Wertschöpfung einzubeziehen. Wie die Prozesse der Finalisierung eignet sich die Kulturpraxis die Praktiken und Güter außerhalb der eigenen Kreise an. So wird der Sozialraum des Übergangs und der Durchlässigkeit zum Nährboden einer kulturellen Praxis, in der sich Offenheit und Geschäftssinn verbindet.« Hierzu die neue Erkenntnis, was den Geschmack der Führungsschichten angeht: Die Oberen (manche!) werden zu kulturellen Allesfressern, weshalb man sie auch im Bahnhofsviertel in Frankfurt sieht.

 

Also, es lohnt sich nicht, das Buch zu kaufen, aber wenn man es in einer Bibliothek ausleihen kann, dann sollte man das tun. Und, wer wenig Zeit hat, kann im vierten Kapitel einsteigen.

 

Und der Schreiber dieser Zeilen? Er wartet darauf, dass ihn mal wieder jemand ins Borchardt (Berlin) einlädt, Wiener Schnitzel mit Champagner, damit er seine teilnehmende Beobachtung fortsetzen kann ...                 

 

Wolfgang Haible

 

Sighard Neckel, Lukas Hofstätter, Marco Hohmann: »Die globale Finanzklasse. Business, Karriere, Kultur in Frankfurt und Sydney«, Campus, 250 Seiten, 29,95 €

 

 

 

Verantwortung

Das Wort Verantwortung ist ein erlauchtes,

nur leider auch ein oft missbrauchtes –

als vorgeschobenes Motiv

für manchen Mief.

 

Günter Krone

 

 

Suche nach neuer Ruhestätte

Die Regierung in Madrid will verhindern, dass das neue Grab Francos wieder zu einem Wallfahrtsort wird. Die Franco-Familie schlägt nach dem Parlamentsbeschluss zur Exhumierung (s. Ossietzky 18 und 19/2018) die Krypta der Almudena-Kathedrale in Madrid als letzte Ruhstätte des Diktators vor. Francos Enkel unterbreiteten den Vorschlag dem Justizministerium, berichtete die Zeitung La Razón.

 

Der auf Fragen des historischen Gedächtnisses spezialisierte Professor für Rechtsphilosophie der Universität Carlos III, Rafael Escudero, geht davon aus, dass bei Umsetzung des Vorschlags die Kathedrale zum neuen Franco-Wallfahrtsort im Zentrum von Madrid wird. Die Franco Familie hat ein Familienpantheon in El Pardo, dort ist Francos Frau Carmen Polo beerdigt. Vielleicht sei dieser Ort besser geeignet.

 

Karl-H. Walloch

 

 

Walter Kaufmann erzählt

Eigentlich geht das nicht, hatte ich vor der Sendung gedacht. Nicht bei diesem Schriftsteller und seiner Geschichte. Konnte man wirklich in einem etwa 65 Minuten langen Interview die nahezu 95 Jahre des unglaublichen Lebens von Walter Kaufmann auf drei Kontinenten erzählen? Der Deutschlandfunk (DLF) hat es mit seinen Zwischentönen am ersten Sonntag im Oktober versucht – und auch dank Kaufmanns Talent zur Kurzgeschichte und seiner Vitalität wurde es eine interessante Sendung.

 

Schon die Programmvorschau des DLF hatte hervorgehoben: »Mit seinen 94 Jahren ist Walter Kaufmann ein echter Zeuge des Jahrhunderts: Als jüdisches Kind knapp dem NS-Mord entronnen, wurde er in Australien zum Schriftsteller, heute umfasst sein Werk mehr als 40 Bücher ... Von einer langen Odyssee, dramatischen Lebensabschnitten und Begegnungen erzählt Walter Kaufmann in seinem jüngsten Buch ›Die meine Wege kreuzten‹.«

 

Moderator Joachim Scholl ergänzte: »Als überzeugter Antifaschist ließ er sich in der DDR nieder.« Scholl hob hervor, dass Walter Kaufmann in einer Laudatio anlässlich der Verleihung des Ruhrgebiet-Literaturpreises 1993 in einem Atemzug genannt wurde mit Alfred Andersch, Wolfgang Koeppen und Heinrich Böll.

 

Dann durcheilte das Interview fast ein ganzes Jahrhundert: vom Kind einer ledigen jüdischen Verkäuferin aus dem Berliner Schanzenviertel zur Adoption des Dreijährigen durch einen wohlhabenden Rechtsanwalt in Duisburg, den ersten Erfahrungen antisemitischer Diskriminierung und Verfolgung als Schüler, der fürchterlichen Reichspogromnacht, der Inhaftierung und Ermordung seiner Stiefeltern in Auschwitz und der Flucht des 15-Jährigen vor den faschistischen Schergen nach England.

 

Aber statt dort Unterschlupf und Sicherheit zu finden, wurden Walter Kaufmann und tausende deutsche Flüchtlinge auf Regierungsanweisung als »feindliche« Ausländer in Schiffe gepfercht und in Australien in Internierungslager gesteckt. Kaufmann war in den folgenden fast zwei Jahrzehnten unter anderem Gefangener, Soldat, Hafenarbeiter, Matrose, Journalist, Delegierter der Seeleute-Gewerkschaft zu den Weltfestspielen, er wurde Kommunist, schrieb erste Geschichten und Bücher und zog 1957 in die DDR.

 

Dort konnte er weitere literarische Erfolge feiern, verfasste beeindruckende Reportagen (so über Angela Davis), seine Bücher waren begehrt, er engagierte sich im Schriftstellerverband und im PEN-Zentrum. Zum greifbaren Entsetzen seines Interviewers erklärte er: »Es war eine für mich wichtige Zeit, in der DDR zu leben und mitwirken zu dürfen, und ich habe ein Stück Heimat verloren, als die Mauer fiel.«

 

Der Weg zu Walters Kaufmanns 95. Geburtstag im Januar 2019 ist – wie könnte es anders sein – mit weiteren literarischen Arbeiten gepflastert. Bis zum Jahresende wird das Buch »Menschen und Orte« mit etwa 70 neuen Kurzgeschichten und Portraits erscheinen. In der ARD-Mediathek ist das Interview Kaufmanns, der auch Ossietzky-Autor ist, nachzuhören. Diese Stunde ist jede Minute wert ...               

 

Horst Schäfer

 

 

 

Nobelfischbrötchen

Die Fischbrötchen von Gosch Sylt seien die besten der Welt, sagt bewundernd eine Dame neben uns zu ihrer Begleiterin. Die Lautfärbung verrät die Himmelsrichtung ihrer Herkunft. Nun ja, inzwischen nahmen die Wessis auch Usedom vollständig in Besitz. Sie haben den FKK-Strand an die Peripherie verbannt und auch andere kulturelle Neuerungen durchgesetzt. An der Strandpromenade 22 in Bansin zum Beispiel, wo bis vor kurzem noch die Villen Aegir und Emma standen – natürlich wegen der Bäderarchitektur auch unter Denkmalschutz – verkauft jetzt eine Gosch-Filiale. Vorher gab es an diesem Ort in diversen Läden im Erdgeschoss Bücher, Andenken und Fischbrötchen, dann eine Baugrube und jetzt das »Beachhaus« mit 29 Ferienwohnungen und zwei Penthouse-Appartements. Für einen zweistelligen Millionenbetrag hat diesen Kasten ein Sylter Unternehmer hingeklotzt.

 

»Gosch Sylt« verkündet die Leuchtschrift, und drinnen wird mit Live-Musik gelockt. Draußen, auf der Seestraße, stehen mehr Leute, als drinnen sitzend die vermeintlich besten Fischbrötchen der Welt verzehren. Ich habe den Eindruck, dass die neugierig in den Genusstempel schauenden Urlauber den knusprigen Brötchen mit zartrosa Matjes oder Bismarckhering den Vorzug geben, welche man ein paar Schritte weiter an den traditionellen Buden für kleines Geld unverändert kaufen kann. Ob es die besten der Welt sind, weiß ich nicht, ich kenne zu wenig von der Welt. Den Superlativ überlasse ich wie gewohnt meinen Landsleuten. Und genieße wie seit Jahrzehnten die leckeren Fischbrötchen aus namenloser, aber bewährter heimischer Produktion.                

 

Frank Schumann

 

 

Eine moderne Familie

Schreiben kann sie. So etwa, wenn sie erzählt, wie sich zwei kleine Kinder – plötzlich ohne Erwachsene – allein in einem Ferienhaus auf Lanzarote befinden und die Lage für sie immer bedrohlicher wird. Das hat Thriller-Niveau vom Feinsten. Aber worum geht es eigentlich? Um eine normale moderne deutsche Familie heute. Der Vater, überfordert vom Anspruch, gleichermaßen in Beruf und Familie zu »funktionieren«, den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Die Mutter, einigermaßen emanzipiert und wenig sensibel gegenüber dem Leiden des Partners. Einige Beobachtungen – beispielsweise Erziehungsgewohnheiten heute und früher betreffend – stimmen, wie überhaupt die ganze Atmosphäre einer normalen Mittelstandsfamilie getroffen sein mag. Da wird Unsicherheit mit Forschheit überspielt. Man ist zufrieden und scheinbar glücklich, wenn da die Panikattacken nicht wären. Ich fand den Anspruch »Roman« ein bisschen hoch gegriffen, »Novelle aus dem Wohlstandsleben« würde es eher treffen. 

 

Christel Berger

 

Juli Zeh: »Neujahr«, Roman, Luchterhand, 191 Seiten, 20 €

 

 

 

Zuschriften an die Lokalpresse

Ihren »legendären Baby- und Kinderbasar« veranstaltete die Falkenseer Kita »Allerlei« am 22. September. Es wurde »zum Shoppen und Verkaufen« eingeladen (Zitate aus der BRAWO vom 23.9.18). Obwohl ich die Erweiterung des Sortiments der wöchentlichen Trödelmärkte im Allgemeinen durchaus begrüße, möchte ich doch bescheiden anfragen, ob das auch mit den Jugendämtern abgestimmt ist. Handelt es sich dabei um häuslich vernachlässigte oder wochenlang nicht aus der Kita abgeholte Kids, deren Eltern nicht mehr ermittelt werden konnten? Ich bin zwar für neue Wege wie beispielsweise den Cannabis-Freiverkauf in Kanada, aber mit dem Baby- und Kinderhandel, noch dazu in einer Kita, gehen wir meines Erachtens in Brandenburg doch einen Schritt zu weit! – Ernestine Hortner (68), Erzieherin a. D., 14471 Potsdam-Pirschheide

 

*

 

Unter der Überschrift »Europa hat Reizdarm« beklagt die Lokalseite des Preußenspiegels von Nauen/Falkensee das immer häufigere und länderübergreifende Auftreten von Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall. In einigen Fällen, behauptet der Autor des Beitrags, können die Beschwerden »sogar zur psychischen Belastung« werden. Was mich besonders besorgt: Die beschriebenen Symptome sind weder ein regionales noch ein rein medizinisches Problem, sondern sie haben offensichtlich übergreifende politische Ursachen. Da muss »die Politik« doch nach den Gründen forschen! Wird der Reizdarm durch die transatlantische Handelskrise ausgelöst? Wird er durch den konträr debattierten britischen Brexit gefördert? Erwächst er in der Bundesrepublik aus den enttäuschten Erwartungen an den nationalen Fußball? Aus dem Fischesterben? Aus der anhaltenden Krise der GroKo? Aus der nicht vorhersehbaren Verbreitung der Wölfe? Aus der Mietenexplosion? Aus der monatelangen Trockenheit der Wälder? Aus dem Mangel an Postfilialen, Tante-Emma-Läden, Erziehern und Hebammen? Welche sozialen Gruppen, welche Berufe, welche Altersbereiche sind besonders betroffen?

 

 Wie dem auch sei: Es geht darum, nicht nur die Erscheinungen darzustellen, sondern auch die Ursachen dafür zu ermitteln! Wie formulierten es doch unsere Altvorderen so treffend: »Es kommt nicht auf die Hose an, sondern auf das Herz, das darin schlägt!« – Kay-Manitu Weißnicht (46), Azubi, 07589 Lederhose

 

Wolfgang Helfritsch