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Titel2316

Bemerkungen

Vor achtzig Jahren

Er war einer der vier in der kurzen Reihe von Deutschen, die den Friedensnobelpreis erhielten (vor ihm Gustav Stresemann und Ludwig Quidde, nach ihm Willy Brandt). Carl von Ossietzky, schon schwerkrank,  bekam ihn am 23. November 1936 nach der Entlassung aus dem Konzentrationslager Esterwegen, anderthalb Jahre vor seinem Tode, rückwirkend für das Jahr 1935. Die Entgegennahme des Preises in Oslo blieb ihm verboten. Die Hitler-Regierung untersagte für die Zukunft allen Deutschen, einen Preis wie den ihrem Widersacher verliehenen entgegenzunehmen.

 

Bereits 1921, zwölf Jahre bevor die Nazi-Diktatur begann, und dann immer wieder hatte Ossietzky vor Hitler und dessen militärischen und industriellen Hintermännern gewarnt. Wenn Rosalinda Ossietzky-Palm den Kampf ihres Vaters »für den Frieden und bis zuletzt für die Erhaltung der demokratischen Ordnung« hervorhob, betonte sie die untrennbare Verbindung von Pazifismus und rechtsstaatlich verfasster Republik. Diese Verbindung zu festigen, bildete den Kern Ossietzkys journalistisch-schriftstellerischen Schaffens, und seine grundsätzliche Mahnung lautete, dass die Republik von Weimar in Verkennung ihres primären Auftrags nicht den Frieden fördere, sondern sich in Wahrheit der Kriegsvorbereitung widme. In seinem langen Essay »Rechenschaft«, den er zu seinem Haftantritt im Mai 1932 abfasste, legte er seine politische Konfession offen: »… wir glauben nicht an den Primat des Militärischen in der Politik … Aber nirgendwo glaubt man so inbrünstig wie in Deutschland an den Krieg als vornehmstes politisches Mittel, nirgendwo ist man eher geneigt, über seine Schrecken hinwegzusehen und seine Folgen zu missachten, … nirgendwo setzt man Friedensliebe so gedankenlos persönlicher Feigheit gleich. … Die Republik hat es nicht verstanden, den spontanen Antimilitarismus, den unsre Heere aus dem Kriege mitbrachten, im eignen Interesse zu fundieren. Sie hat ihn, im Gegenteil, unterdrückt, wie sie nur konnte …« Nicht von der deutschen Justiz erhoffte er schließlich noch Gerechtigkeit, sondern er baute auf eine erfolgreiche Revision durch ein künftiges Weltgericht: »Alles das gehört zum Hintergrund unsres Prozesses, den wir juristisch verloren haben, den wir aber einmal vor einer andern Instanz politisch gewinnen werden.«

Wolfgang Beutin

 

Im Verlag Ossietzky sind erschienen: Werner Boldt: »Carl von Ossietzky. Vorkämpfer der Demokratie«, 820 Seiten, 34 €; Werner Boldt: »Carl von Ossietzky. Ein Lesebuch«, 144 Seiten, 10 €; Heidi Beutin/Uwe Polkaehn (Hg.): »Er hoffte, er lebte, er kämpfte für den Frieden. Carl von Ossietzky (1889-1938)«, 86 Seiten, 9 €, alle zzgl. Versandkosten von 1,50 €, Bezug: ossietzky@interdruck.net

 

 

Küsst die Faschisten

Es ist schon erstaunlich: Da sieht man eine über zehn Jahre alte Theaterinszenierung mit Texten, die fast hundert Jahre alt sind – und wundert sich über die Aktualität. Gewiss, Kurt Tucholsky bewies Weitsichtigkeit, als er in den Zwanzigern die Gefahr dieser doch eigentlich bodenständigen, völkischen, nationalen Bewegung – damals allesamt friedliche Wörter – anzeigte. Am Berliner Ensemble sind derzeit die Damen Burckhardt, Engelsmann, Senckel und Rongen und die Herren Goos, Jacoby und Schubert damit beschäftigt, viele hübsche leichte Texte vom Ehepaar, das einen Witz erzählt, und von den Igeln in der Abendstunde samt Tamerlan zu zelebrieren. Doch Tucholsky-Texte können eben auch anders, man denke nur an das »Lied vom Kompromiss« 1919. Und wenn Tucho in den Zwanzigern die Achtziger vorausahnte, könnte uns heute ja auch ein bisschen Zukünftiges aufscheinen. Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft, und wenn die AfD erst mal an der Macht ist, eine durchaus bodenständige, durchaus, nun ja, volksnahe, nationale Bewegung, dann wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das hat in der Geschichte bisher doch immer geklappt, Donald wird sich einkriegen, Björn und Frauke und Alexander ebenfalls, denn Adolf – nun gut, das war damals die Ausnahme. Doch so schlimm wird es nicht kommen, des können wir gewiss sein …                                           

bis

 

 

Trump: Nicht weiter störend

Gegen den 45. US-amerikanischen Präsidenten plakatierte noch in der Wahlnacht ein Student: »Welcome to hell«. Seitdem hält der Protest in mehreren US-Städten an. Mit bemerkenswerter Gelassenheit reagieren indes deutsche Wirtschaftsbosse und deren Lobbyisten. Menschen, denen Erfolg um jeden Preis alles ist, darin wesensverwandt mit dem neuen »mächtigsten Mann der Welt«, ist sogar Bewunderung für ihn anzumerken. Sein »Sieg zeigt, dass man mit extremen Auftritten ... erfolgreich sein kann«, lässt sich Herbert Sommer von der OWL GmbH, einer einflussreichen ostwestfälischen Wirtschaftslobbyorganisation, vernehmen. Und Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft, meint: »Trump [beherrscht] das Egomarketing. Respekt vor diesem Sieg!« Ohoven lobt zudem die Anti-Establishment-Rhetorik Trumps: »Die Politiker sollten mit Demut darüber nachdenken, was sich ändern muss.« Bei der Forderung nach unbeschränktem Freihandel ist Demut selbstverständlich fehl am Platz: Hier darf es keine Änderungen geben. Die ablehnende Haltung Clintons und Trumps zu TTIP war in der Sicht Ohovens denn auch nur wahltaktisch motiviert. »Beide wären nach einer Schamfrist umgeschwenkt.« »Die Wirtschaft« verlangt eben danach. Ohoven und Sommer wissen, dass Kapitalismus auch (oder gerade) gut ohne Demokratie funktioniert. Sommer bekennt: »Ich bin ein Verfechter des freien Marktes. Der wird sich immer durchsetzen, auch wenn es zwischendurch politische Fehler gibt.« Die gibt es bedauerlicherweise ja immer mal wieder. Doch sind sie kein Grund zur Beunruhigung für die Herren des großen Kapitals. Denn selbst Hitler, sicher ein zeitweiliger »politischer Fehler«, konnte und wollte die Profitmacherei nicht aufhalten. Und Augusto Pinochet, um nur den noch zu nennen, hat sie gegen alle demokratischen Betriebsstörungen kräftig gefördert. – Na, wer sagt's denn!              

Carsten Schmitt

 

 

Wie bitte? (II)

Nachtrag zum Beitrag »Wie bitte?« in Ossietzky 21/2016: Wie erst jetzt durch Veröffentlichung in einem Fachblatt bekannt wurde, hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 27.6.2016 – Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 10/16 – die Auffassung der Vorinstanz bestätigt: »Eine fehlende Einsicht steht einer günstigen Prognose entgegen.«

 

Damit blieb das Rechtsmittel der uneinsichtigen Klägerin und jungen Rechtsreferendarin erfolglos. Man darf gespannt sein, ob sie auch noch das Bundesverfassungsgericht bemühen wird.                            

Ralph Dobrawa

 

 

Schönes Europa

Ach wie war es ehedem

in Europa doch bequem.

Heut’ dagegen jeden Tag

nichts was uns erbauen mag.

 

Jetzt gerad von spät bis früh

Wallonie nur Wallonie.

Morgen dann vielleicht der Schrei:

Ärger mit der Slowakei!

 

Dann ist wieder Polen dran,

das uns nicht gefallen kann.

Ohne Sinn und auch Verstand

werkeln sie in Griechenland.

 

Selbst den Freunden links vom Rhein

fällt nicht viel Vernünftges ein.

Weiter südlich – quel malheur –

geht es auch nicht besser her.

 

Leben dort in Saus und Braus,

geben fremdes Geld gern aus,

lieben Wein und schöne Frau’n,

denken nicht ans Häusle bau’n

 

Nur bei uns ist alles gut,

deshalb jetzt ein bisschen Mut:

Unser Deutschland ganz allein

soll für uns Europa sein.

Conrad Taler

 

 

FaktenCheck: Europa

Was verbindet das Programm des 45. US-Präsidenten im Kern mit der Agenda, die die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin verfolgen? Wohin sind die Flüchtlinge aus dem Dschungel von Calais »verschwunden«? Was verbirgt sich hinter dem »Schwarzen Protest« polnischer Frauen? In welcher Krise steckt die abhängige Arbeit in Europa? Antworten auf diese und etliche weitere Fragen gibt die 8-Seiten-Zeitung FaktenCheck: Europa, Ausgabe 2/2016, mit Beiträgen unter anderem von Nikos Chilas, Dorothee Vakalis, Werner Rügemer und Winfried Wolf. Ein zum Verteilen geeignetes Blatt; 25 Cent pro Stück bis 99 Exemplare, 15 Cent ab 100, Bestellungen unter: bestellen@faktencheckhellas.org                

K. K.

 

 

Anlageprodukt Autobahn

Die jahrelange Arbeit der Lobbyisten aus der Versicherungsbranche droht jetzt Früchte zu tragen. Bund und Länder haben sich im Oktober im Rahmen der Neuordnung ihrer Finanzen darauf geeinigt, Bau und Betrieb von Autobahnen und Bundesstraßen in einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft zu bündeln. Bis zu 49,9 Prozent der Gesellschaft könnten nach Plänen des Bundesfinanzministers Schäuble an private Investoren gehen. Nachdem Sigmar Gabriel noch im Oktober in einem Brief an die SPD-Mitglieder suggerierte, dass die Privatisierung von Autobahnen und Bundesfernstraßen ausgeschlossen sei, steht zu befürchten, dass der Anteil privater Investoren am Ende sogar noch viel höher liegen könnte. Versicherungen und Banken versprechen sich Zinsen von bis zu acht Prozent und reiben sich zulasten der Steuerzahler und Autofahrer die Hände. Der Entwurf für die notwendige Grundgesetzänderung (Art. 90) wird seit Monaten von der Bundesregierung als Geheimsache behandelt. Ein Wistleblower spielte im Juni 2016 der Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand ein entsprechendes Papier zu, nach wie vor liegt kein offizieller Entwurf auf dem Tisch. Die Organisation macht seit Monaten auf die Gefahren der Privatisierungspläne der Bundesregierung aufmerksam, sammelt Unterschriften und hat eine vierseitige Zeitung zu den Hintergründen und Folgen der geplanten Autobahnprivatisierung veröffentlicht (Bezug: www.gemeingut.org/bestellen). Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge sind bei den Bundesbürgern extrem unbeliebt, wie eine jährlich seit 2007 durchgeführte forsa-Umfrage belegt. Wird das die CDU- und SPD-Abgeordneten bei der Abstimmung der Grundgesetzänderung interessieren?                  

Klara Lindstett

 

 

Sensible Abkürzungen

Als Stadträtin bekommt man alles Mögliche zu lesen; das Wenigste ist ein Genuss. Unter anderem ist da das Inklusionskonzept, frisch aus der Phrasendreschmaschine.

 

Früher sagte man Lahme, Blinde, Taube, Stumme. Oder Sehschwache und Schwerhörige. Wenn es darum geht, für ihr ganz eigenes Problem Hilfe und Lösungen zu finden, ist es durchaus hilfreich, konkret zu benennen, was das Problem eigentlich ist. Es gibt einen Blinden- und Sehschwachenverband, und der wird in der Stadt finanziell unterstützt. Er heißt so, weil es ihn schon Ewigkeiten gab, bevor man die Sensible Sprache erfand.

 

Allerdings meint man inzwischen, diese Bezeichnungen würden die Menschen auf ihr Leiden reduzieren. Also versuchte man es mit »Behinderte«. Prompt bekam man zu hören, behindert sei man nicht, das werde man – als sei es die Bosheit der Nichtbehinderten, die Blinde stolpern lässt. Tatsächlich unternehmen wir eine ganze Menge, um ihnen das Leben zu erleichtern. Vielleicht nicht genug. Ich habe noch keinen erlebt, der einem Blinden Beine stellt, ihn also absichtlich behindert.

 

Auch dieses Wort war nicht gut genug. Man muss sagen, dass es Menschen sind. Behinderte Menschen also. Geschafft? Mitnichten. Der Mensch ist schließlich wichtiger als die Behinderung und gehört deshalb nach vorn: Menschen mit Behinderung. Uff. Das ist freilich ziemlich unhandlich und schreit nach Vereinfachung. Die heißt dann »MmB«.

 

Ist es wirklich sensibler, einen Blinden »MmB mit visueller Beeinträchtigung« zu nennen? Wo bleibt da verdammt noch mal der Mensch? Und grenzt es nicht die aus, die ohnehin schlecht sehen und sich mit vier statt einem Wort herumschlagen müssen, wovon das eine noch dazu gar kein Wort ist, also schlecht erkennbar?

 

Immerhin kenne ich auch einen Sehbehinderten, der über alle vier Backen grinst, wenn ich ihn »Ratte« oder »Sauhund« nenne, weil ich damit zugebe, dass er mich mal wieder ausgetrickst hat. Er ist in unserer Jiu-Jitsu-Gruppe bestens inkludiert. Ihm stelle ich freilich auch Beine – sonst würde er sich diskriminiert fühlen.                

Heidrun Jänchen

 

 

Finissage für eine Galerie

Mit dem Begriff Finissage verbindet man gewöhnlich das feierlich-heitere Ende einer gut gelaufenen Kunstausstellung, die viele Besucher angezogen hat. Wird allerdings zu einer Galeriefinissage eingeladen, wie das der 18-köpfige Arbeitskreis Kultur der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) zum 3. November tun musste, dann sieht die Sache eher traurig aus. Die Galerie der Gesellschaft in den großzügigen Räumen seiner 1998 eingerichteten Geschäftsstelle in der Berliner Weitlingstraße 89 muss nämlich ihre »freiwillige, ehrenamtliche Arbeit aus ökonomischen Gründen« beenden, wie ihr Mitbegründer vor 17 Jahren und ihr Leiter Peter Michel, promovierter Kunst- und Gesellschaftswissenschaftler, in seiner Grabesrede ausführte. Die Top-Lage in der City des Stadtteils Lichtenberg macht ihr Weiterexistieren an diesem Ort unmöglich. Die GBM, deren Mitglieder, Freunde und Sympathisanten über das gesamte DDR-Gebiet verstreut sind, kommen in die Jahre, und die personellen Verluste werden immer größer. Die Geschäftsstelle wird sich ab dem 1. Januar nächsten Jahres an dem neuen Standort am Franz-Mehring-Platz 1 auf 18 Quadratmeter beschränken müssen. Ausstellungen sind dann undenkbar, und zu Lesungen, Kolloquien, Filmen und anderen kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Veranstaltungen muss im Gebäude für den jeweiligen Termin ein Raum gemietet werden. Die von dem Arbeitskreis Kultur herausgegebene Zeitschrift Icarus hat schon Ende 2012 ebenfalls aus finanziellen Gründen ihr Erscheinen eingestellt (siehe Ossietzky 19/2012). Aber der Arbeitskreis wird weiterarbeiten, verspricht Peter Michel, dessen Leiter.

 

Gegründet worden war die GBM-Galerie, um als Menschenrechtsorganisation dem Galeriesterben vor allem in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre etwas entgegenzusetzen, »etwas ganz Praktisches, Nichtkommerzielles, etwas ehrenamtlich von Solidarität Getragenes«, so Peter Michel. Ausgestellt wurden vor allem Arbeiten jener, die nach 1989/90 kaum noch Gelegenheit hatten, ihre Werke öffentlich zu zeigen. »Damit stellten wir uns der offiziellen Abwertung solcher Kunst sehr bewusst entgegen.« Progressive Kunst war das Thema, nicht zuletzt aus dem Ausland. Es finden sich bei den 87 Ausstellungen in 17 Jahren illustre Namen von Künstlern, deren Rang in der DDR-Zeit auch bei strengen Kritikern unbestritten war. Ronald Paris war 1999 der erste, der eingeladen wurde, und dann nochmals 2003 und 2011. Nun war er zur Galeriefinissage dabei. Es gab beispielsweise Ausstellungen von Heidrun Hegewald, die 2015 den Menschenrechtspreis der GBM verliehen bekommen hat, von Willi Sitte, Werner Tübke, Bernhard Heisig, Achim Kühn, Leo Haas, Hans Grundig, Joachim John, Harald Kretzschmar, Rolf Biebl, Horst Sakulowski und Hans Vent. Von den ausländischen Künstlern können unter anderen Gabriel Mucchi (Italien/Deutschland), Stanisław Poznański (Polen) und Alfred Hrdlicka (Österreich) genannt werden. Auch anderen Organisationen wurden die Galerieräume zur Verfügung gestellt, etwa dem Kreativzentrum für Frauen, dem Deutschen Verband der Mund- und Fußmaler und dem Freundeskreis »Palast der Republik«. Zu den Laudatoren gehörten Wissenschaftler, wie Horst Kolodziej und Peter H. Feist.

 

Aber eine Trauerveranstaltung wurde die Finissage dennoch nicht, kann doch die Galerie auf eine fruchtbringende Arbeit zurückblicken. So war die Abschlussveranstaltung ein großes Dankeschön an alle, die der GBM-Galerie verbunden waren – nicht zuletzt an Peter und Maria Michel.                     

Elke Lang

 

 

Zuschriften an die Lokalpresse

Wie man aus den Medien erfährt, kommt es im täglichen demokratischen Geschehen immer häufiger zu Widerstand gegen die Staatsgewalt. Bei Demos und Aktionen gegen Hausbesetzer folgen aufmüpfige Bürger oft nicht mehr den Anordnungen der Ordnungskräfte, ignorieren Platzverweise, setzen Pflastersteine nicht artgerecht ein oder protestieren gegen unvermeidbare Kollateralschäden. Neuerdings scheint das unbotmäßige Verhalten sogar auf die Tierwelt überzugreifen. Wie das neue deutschland vom 4. November auf der Panorama-Seite meldete, habe ein freilaufendes Pferd an der Autobahn bei Kaiserslautern sich »aufgebäumt«, sei »mit erhobenem Schwanz« auf Beamte zugelaufen und habe sich »unkooperativ« verhalten. Einer zufällig daherkommenden Frau sei es glücklicherweise gelungen, das Tier mit Hilfe eines Apfels abzulenken, so dass es wieder angeleint werden konnte. Ein Ansatz, der Schule machen sollte. Erstens: Der bereits von Adam und Eva entwickelte Apfeltrick ist auch im Digital- und Veganzeitalter durchaus noch wirkungsvoll. Zweitens: Obst beruhigt aufgebrachte Gemüter effektiver als Pfefferspray und Elektroschocker. Man sollte die Beamten deshalb nicht nur mit Dienstwaffen, sondern auch mit Dienstfrüchten der Saison ausrüsten und insgesamt mehr Flexibilität im Umgang mit Menschen und Tieren entwickeln. – Meta Maibock (72), Rentnerin, 67822 Oberhausen an der Appel

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Dass die zuständigen Behörden strikt darauf achten, bundesdeutschen Verbrauchern einwandfreie Lebensmittel zuzuführen, verdient unser aller Anerkennung. Dass nach dem Wiederauftreten der Geflügelpest in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg Tausende von Gänsen, Puten und Hühnern gekeult werden mussten, ist sicher begründet und für die Tiere ebenso bedauerlich wie für ihre existenzgefährdeten Halter. Dass aber, wie am 10. November im neuen deutschland in einem Bericht aus Kiel gemeldet wird, »Geflügelhaltern in weiteren Teilen Deutschlands … Stallpflicht droht«, halte ich für übertrieben. Da muss es doch noch andere Möglichkeiten geben, die Tierbesitzer zeitweilig von der übrigen Bevölkerung zu isolieren, zum Beispiel in vorher als Flüchtlingslager genutzten Schulturnhallen oder auch in ehemaligen Kulturhäusern oder stillgelegten Bahnhöfen. Dort wäre es gewiss auch einfacher, die medizinische Betreuung oder die Freizeitgestaltung zu organisieren. – Malvine Globisch (64), Rentnerin, 73489 Sperrhof

Wolfgang Helfritsch