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Klimt in Halle!  (Peter Arlt)

Bedeutende Ausstellungen bringen solche Museen zustande, deren Sammlungen selbst über kostbare Arbeiten verfügen, so das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), das ein herausragendes Gemälde von Gustav Klimt (1862–1918) besitzt – nur drei deutsche Museen haben Klimt in ihren Sammlungen. Deshalb ist Halle anlässlich des 100. Todestages des Künstlers als einziges Museum außerhalb Österreichs ein Publikumsmagnet.

 

Wie der Direktor der Moritzburg, Thomas Bauer-Friedrich, betont, ist die Ausstellung »aus der Sammlung des Museums heraus entwickelt« worden. Ausgangspunkt war das repräsentative »Porträt Marie Henneberg«, 1901/02, im großen quadratischen Format, zu dem vier Studien die Suche zur Bildkomposition und zur Platzierung der Ansteckblumen zeigen, die im Gemälde das Gesicht der Marie Henneberg betonen. Aus dem jüdischen Großbürgertum erhielt Klimt etwa zwanzig Mal Porträtaufträge, die Dame des Hauses für den Salon oder für die Halle der Villa zu malen. Gegen den verbreiteten Antisemitismus nahm sie Klimt liberal an, wie Alfred Weidinger im Katalog ausführt. Hugo Henneberg war Sohn eines Fabrikbesitzers, ein wohlhabender Bildungsbürger und kreativer Fotograf, wohnhaft in einem der vornehmen Landhäuser von Architekt Josef Hoffmann auf der Hohen Warte in Wien, zu denen im Katalog historische Texte stehen. Nach Hennebergs Tod musste die Dargestellte das Porträt verkaufen. Es erwarb der aus der engen Verbindung von Wien und Leipzig befreundete Jurist, Musiker und Verleger Max Kuhn. Aus dessen Erbe kam das Bild 1966 als Dauerleihgabe (1979 angekauft) zur Bereicherung der Sammlung Klassischer Moderne ins Museum Moritzburg.

 

Nun steht das Porträt aus Klimts klassischer Zeit im Zentrum der Retrospektive, wo jedes Kunstwerk als Individuum präsentiert wird. Die Schau vermittelt anspruchsvoll und nobel vor verschiedenfarbigen Wänden und der umlaufenden Jugendstil-Bordüre einen Einblick in die gesamte künstlerische Entwicklung Gustav Klimts von 1879 bis 1918. Zu sehen sind etwa 60 Zeichnungen, oft aus Privatsammlungen, und die Gemälde »Klara Klimt«, um 1880, aus Wien, »Bleiches Gesicht«, 1903, aus New York, »Irrlichter«, 1903, aus Privatsammlung, »Eugenia Primavesi«, 1913/14, aus Toyota und drei Landschaften, darunter »Buchenwald«, um 1902, vom Albertinum Dresden. Das opulente Katalogbuch zeigt sie, über die ausgestellten Bilder hinaus, sehr gut gedruckt (24,95 €).

 

In den Landschaften erscheinen keine heroischen Alpenmotive, sondern alltägliche Profanmotive in kühner Komposition und mit verstecktem Sinn, wie zwei kleine Birken mit schwachen Stämmen, die sich aufrecht am schrägen Seeufer halten, Düsternis spiegelt sich im Wasser. »Buchenwald« und die Porträts bedecken mosaikartige Farbflächen mit geprägtem Ornament oder malerischen Farbpunkten und -kommata. An französische Malerei oder die des Belgiers Fernand Khnopff kann man dabei denken. Besonders fein ineinander gewoben die lila Töne beim Henneberg-Porträt in einzigartiger Verdichtung. Über das Zeichengerüst bringen erst der Zusammenhang von Farbgestaltung und Lage der Gestalten im Raumgebilde tiefere Einsichten. Im parallelen Linienfluss des Gemäldes »Irrlichter«, 1903, blitzen aus der arabeskenhaft aufsteigenden Kaskade Lichter und verlocken Blicke und Busen weiblicher Gestalten mit verführerischer Erotik. Wie in anderen traumgestaltigen Bildern übertrug Klimt die Naturgeister »in ein astrales Reich« (Alfred Weidinger), womit sich Klimt wohl dem Verborgenen (Okkulten) zu nähern suchte.

 

Das Wiener Kunstleben um die Jahrhundertwende 1900 ist vom Wachstum der prächtigen Stadt geprägt. An der Spitze stand mit Historismus und Symbolismus Hans Makart, als dessen legitimer Nachfolger Gustav Klimt erschien mit seinem Bruder Ernst und dem Freund Franz Matsch als »Künstler Compagnie«. Doch die Maler um Klimt trennten sich von dem historistischen Allegoresenstil und von den konservativen Künstlern und gründeten 1897 die Secession, deren 1. Präsident Gustav Klimt wurde. Mit dem Willen zur Internationalisierung prägte die Elitevereinigung den »Stil«, wie man in Wien Jugendstil oder Art Nouveau nannte.

 

Die hohe Zeichenkunst des Künstlers, des »Zauberers der Linie«, zeigt zuweilen sozial dramatisch einen Verbrecher, erfasst jedoch vor allem die Seelenlage der weiblichen Modelle, die aus »sexuell aufgeladenen Sitzungen« manchmal seine Geliebten wurden, von denen drei Kinder von ihm bekamen, nicht aber seine dauerhafte Gefährtin Emilie Flöge.

 

Bei der Studie »Liegender Halbakt nach rechts« für das Gemälde »Wasserschlangen« von 1904 zeichnet Klimt einzelnes, wie den Hals oder den linken Arm, in einer ruhig erfassten durchgehenden Linie; anderes, wie die Binnenformen des Gesichts, in bewegten Strichellinien. Dagegen erscheint in Doppellinien die rechte Hand, die wie der Körper mit welligem Tuch bedeckt ist und deren Finger zu ahnen die Vulva berühren. Die Hervorhebung der Selbstbefriedigung wird gemildert von den kräftig gezeichneten Lockenkringeln, die scheinbar vom erotischen Motiv wegführen, doch raffiniert zu ihm hinlenken. Klimt besaß ein feines Gefühl für weibliche Erotik, deren künstlerische Darstellung er enttabuisierte (Wolfgang Büche).

 

Dem Streben des Jugendstiles nach einem Gesamtkunstwerk und der Erfahrbarkeit des Lebensumfelds folgt die ambitionierte Konzeption der Moritzburg. Sie begrüßt die Besucher mit Marmorskulpturen George Minnes, und Einrichtungsgegenstände schaffen das Fluidum der Villa Henneberg.

 

Erstmals stellte Klimt das »Porträt Marie Henneberg« 1902 mit Fotografien des Hugo Hennebergs in einer Ausstellung der Secession aus. Ein Grund mehr, das hallesche Ausstellungsprojekt auf den »Meister des fotografischen Stimmungsbildes« (Monika Faber) zu erweitern. Denn Henneberg hat die Fotografie der Jahrhundertwende mit Gummidruckverfahren zu einem sehenswerten Medium der Grafik entwickelt. Hier lebt die langjährige Intention der Moritzburg, auch ein Museum der Fotografie zu sein.

 

 

Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Friedemann-Bach-Platz 5, bis 6. Januar 2019, Mo, Di, Do-So/Feiertag 10-18 Uhr; Mi sowie 24., 31.12. geschlossen; Mi 2.1. geöffnet.