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Titel2417

Vom Fließband – tote Hasen  (Monika Köhler)

Aber ja, ich bin eine voreingenommene Rezensentin. Ich esse kein Fleisch. In Hamburg werden im Bucerius Kunst Forum tote Hasen dargeboten – in Öl, als Gemälde, Stillleben. Die Hasen in hilfloser Haltung, die Hinterläufe weit auseinandergerissen, so dass die helle Bauchseite aus dem dunklen Hintergrund hervorleuchtet, der Kopf nach unten. Schönes Streichelfell, nicht abgezogen, kein rohes Fleisch. Daneben kleine tote Vögel – Buchfinken – und größeres Federvieh. Garniert mit Rosen, angebissenen Äpfeln und – sind es Kohlblätter? Weit, weit im Hintergrund: Landschaften, Wolken sogar. Wer hängte sich so grauenerregende Stillleben an die Wand? Als Appetitanreger fürs Esszimmer? Das Bürgertum, das reich geworden war im ausgehenden 17. Jahrhundert in den Niederlanden, in den Städten: Amsterdam, Antwerpen. Die Jagd war jahrhundertelang dem Adel vorbehalten. Als Ersatz sollten der Bourgeoisie diese Stillleben dienen. Deutlich im Gemälde von Willem van Aelst »Jagdbeute mit Falkenhauben« (1663) oder mit »Fischreihern« (1671). Jan Weenix malte seine – erlegten – Hasen fast wie am Fließband in imposanten Ausmaßen.

 

Der Titel der Ausstellung: »Die Geburt des Kunstmarktes – Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters« (bis 7. Januar 2018) – gestaltet von Franz Wilhelm Kaiser, dem neuen Direktor. Warum florierte der Kunstmarkt, den es in dieser Form bisher nicht gegeben hatte, gerade in den Niederlanden? Der nördliche Teil war im 17. Jahrhundert der am dichtesten bevölkerte Teil Europas. Das Pro-Kopf-Einkommen und der Bildungsstand seien hoch gewesen, so Kaiser. Um mehr produzieren zu können, fanden die Künstler Marktlücken wie Landschaften in Ton-in-Ton-Malerei von Jan van Goyen. Es hieß, er könne seine besten Bilder an einem Tag herstellen. Oder Sujets als Marke wie Jacob van Ruisdaels reißende Bergbäche. In Holland gab es die nirgends. Die bürgerlichen Kunden liebten Szenen aus dem Alltag wie »Die Möhrenputzerin« von dem Feinmaler Gerard Dou. Und von Adriaen van Ostade »Die Küchenmagd« (1668), Fische zubereitend, oder »Die eingeschlafene Spinnerin« (um 1630). Alles Ölbilder.

 

Die »Fette Küche« (nach 1660) – nicht der Kupferstich von Pieter Bruegel (1563) – hier ein Gemälde von Jan Steen. Es geht alles gemächlicher zu, weniger drastisch. Bei Bruegel wird ein Fremder, der an der offenen Tür erscheint, mit einem Fußtritt hinausgeworfen. Ein Hund beißt in sein dürres Bein. Im Bild von Steen ist ganz undeutlich eine Gestalt hinter der Scheibe einer Tür auszumachen. Niemand nimmt sie wahr. Auch der Hund nicht, der heruntergefallene Eier aufleckt. Eine »magere Küche« gibt es nicht im Goldenen Zeitalter?

 

Kunsthändler, die oft Maler waren, und die Künstler selbst verkauften ihre Bilder (Grafik) auch auf der Kirmes, in Kneipen, auf der Straße. Neue Absatzmöglichkeiten boten selbst Schießwettbewerbe. Auf Events, die damals anders hießen und die Musik, Spiele, Essen, Trinken, Tabak, alles inklusive boten, wurde Kunst vermarktet. Ein Druck zeigt einen »Stichverkäufer« auf dem Jahrmarkt (Jan van Somer). Auf einem höheren Niveau waren die Historienmaler angesiedelt. Amsterdam galt als Zentrum dieses Genres. Bekannt wurde der Kunsthändler Hendrik Uylenburgh durch Rembrandt, der sich mit einer hohen Summe bei ihm als Werkstattleiter einkaufte. Rembrandt hatte die Nichte Uylenburghs geheiratet: Saskia. Rembrandt war nie Mitglied einer Gilde wie viele andere Künstler. Er lehnte es auch ab, den Preis für seine Bilder nach der Arbeitszeit zu berechnen. Dennoch zeigte Uylenburgh großes Interesse an ihm, weil er zwar schon bekannt, aber noch nicht zu teuer war. Der Kunsthändler animierte ihn, sich vor allem Porträts zuzuwenden, die beliebt waren. Eines von 1633, wohl aus der Werkstatt Rembrandts, ist ausgestellt in Hamburg. Ein etwas dümmlich aussehender, wohlgenährter Bürger, »Willem Burchgraeff« mit riesigem weißem Spitzenkragen. Auch einige Radierungen mit christlichen Themen. Darunter das bekannte »Hundertguldenblatt«, das aber wohl doch nur 30 Florin gekostet hat. Immer noch viel für eine Grafik damals. Ausgestellt ist ein Buch, »Album amicorum« genannt, das Burchard Grossmann gehörte, einem Deutschen, der Rembrandt am 18. Juni 1634 besuchte. Da wohnte der noch bei Uylenburgh. Rembrandt zeichnete ins Buch einen alten bärtigen Mann und schrieb als Motto: Ein frommes Gemüt / achtet Ehre vor Besitz.« Uylenburghs Text: »Das mittlere Maß hat Bestand.«

 

Irgendwann änderte sich dann der Kunst-Geschmack, das Goldene Zeitalter ging zu Ende, und selbst Rembrandt war nun out.

 

 

Katalog: Hirmer Verlag, 200 Seiten, 29 € in der Ausstellung, 39,90 € im Buchhandel