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Titel2511

Antworten

Christian Wulff, geschichtsbewußtes Staatsoberhaupt. – Als Festredner traten Sie bei den Feierlichkeiten zum zweihundertjährigen Bestehen der Firma Krupp auf. Laut F.A.Z. »würdigten« Sie »die soziale Verantwortung dieses Unternehmens selbst in ärgsten Krisenzeiten und die Vorreiterrolle für die Sozialpolitik«. Die Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft (SPD), pflichtete Ihnen bei und rühmte den Konzern als »innovationsfreudig und sozialverantwortlich«. Einige Glanzstücke aus der Krupp-Historie hätten Sie, auch zur Erbauung von Frau Kraft, noch vorstellen können: Die Verdienste der Firma als deutsche Waffenschmiede, ihre Energie bei dem Bestreben, die Arbeiter vor sozialdemokratischen Versuchungen oder gar kommunistischen Gesinnungskrankheiten zu bewahren, ferner die Neuerungen beim Arbeitseinsatz, nicht zuletzt dem von Fremdarbeitern. Erwähnenswert wäre auch gewesen, wie wohl sich Wilhelm II. und der Führer Adolf Hitler bei der Krupp-Familie gefühlt haben. Und dann das Unrecht, welches den Krupps bei den Nürnberger Prozessen widerfuhr. Glücklicherweise kam es damals bald zur Begnadigung.

Peer Steinbrück, sozialdemokratischer Kanzlerkandidat in spe. –
An der Universität Leipzig übernehmen Sie eine Honorarprofessur in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Die Studierenden dort sollen von Ihren Erfahrungen als politischer Ökonom profitieren, von Ihrer »Expertise für Fragen der öffentlichen Finanzwirtschaft und der internationalen Finanzpolitik«. Berichten werden Sie also, so nehmen wir an, von Ihrer tatkräftigen Mithilfe bei der Öffnung bundesrepublikanischer Wirtschaftsstrukturen für das megaspekulative Finanzgeschäft. Von Ihrer regierungsamtlichen Zusicherung, die deutschen Banken seien »gesund« – und wie diese dann Medizin aus der Steuerkasse bekommen mußten. Lehrreich sind sie ja in der Tat, diese Vorgänge. Auch im Hinblick auf das segensvolle Wirken von Finanzpolitikern, unentbehrlich für die Profitabilität des großen privaten Kapitals.

Winfried Kretschmann, Musterministerpräsident der Grünen. –
Es ist geschafft. Sie können nun unter Berufung auf den Volkswillen den unterirdischen Bahnhofsbau konstruktiv begleiten. Und Ihre sozialdemokratischen Koalitionsgenossen haben keinen Grund mehr, über einen Wechsel hin zu einem Regierungsbündnis mit der CDU nachzusinnen. Fürs erste stehen in ihrem Land keine Wahlen an, bei denen WutbürgerInnen Ihrer Partei die Stimme entziehen könnten. So hat das plebiszitäre Verfahren, richtig gehandhabt, seine Vorzüge. Dampf ist abgelassen.

Norbert Lammert, trauerumflort. – Zusammen mit der kompletten Regierung und knapp der Hälfte der Bundestagsabgeordneten haben Sie die Hinterbliebenen der zehn ausgesuchten Opfer ungezählter neonazistischer Morde um Verzeihung gebeten: eine ebenso nobel erscheinende wie penetrant unaufrichtige Geste. Hohl, wegen des fehlenden Willens, sämtliche Erscheinungsformen neonazistischer Gesinnung mit voller Kraft und allen geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Inkonsequent obendrein: Bei den Hinterbliebenen der 142 Bombenopfer, die der deutsche Oberst Georg Klein bei Kundus massakrieren ließ, haben Parlament und Regierung bis heute nicht um Verzeihung gebeten. Der Massenmord wurde als »verhältnismäßig« bewertet, der Oberst reingewaschen und in den Generalstab sowie in die Gehaltsgruppe B 3 befördert. 6635 Euro bekommt er jetzt monatlich. Und kein Ende solcher deutschen Karrieren ist in Sicht.

Hans-Peter Friedrich, Rechtsausleger. –
Daß das rechtsstaatlich Gebotene nicht zu verwechseln ist mit dem politisch Angeratenen, haben Sie als Innenminister in der aktuellen Stunde des Bundestages zur neonazistischen Mordserie offen dargelegt. Auf die vom Verfassungsschutz geschmierten V-Leute zu verzichten – Voraussetzung für ein halbwegs erfolgversprechendes Verbotsverfahren gegen die NPD – sei »problematisch«, weil der Staat damit auf eine wesentliche Überwachungsmethode verzichte. Ein Stuß. Weit problematischer wäre das »Abschalten« der V-Leute für die NPD, weil manche ihrer Ortsvereine dann mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder und fast sämtliche Einnahmen verlören. Die NPD gehört doch praktisch zum Öffentlichen Dienst.

Bernd Ulrich, Schreibstubenbellizist. – Unter dem Rubrum »Der Geist von gestern« trauern sie dem in Guido Westerwelles Partei der organisierten Niedertracht verlorengegangenen Liberallalalismus nach. Anstelle regredierter FDPler mußten »Liberalisierung und Globalisierung in Deutschland von den Grünen (beim Thema militärische Intervention) und von der SPD (bei der Reform von Rente und Sozialstaat) durchgefochten« werden. Dem amtierenden Außenminister, der sich im Hinblick auf den Libyen-Krieg der altbewährten Kultur der Zurückhaltung entsann, werfen Sie »unreflektierten Nationalpazifismus« vor, »ebenjenen Nationalpazifismus, den die Grünen unter dem Druck des Kosovo- und des Afghanistankrieges überwanden.« Nationalpazifismus – in diesem Duktus hatte während des Kalten Krieges schon Heiner Geißler als Generalsekretär der Christ(!)demokraten die Friedensbewegung diffamiert. Und damit den Boden dafür bereitet, daß die an die Schalthebel der Macht gelangte rot-grüne Koalition später ungestraft den Frieden verraten und das Grundgesetz brechen konnte. Unentbehrlich dabei waren und sind kriegspropagandistische Schreibtischtäter, die den Ungeist von vorgestern verströmen.

Ossietzky-Abonnenten. – Mit diesem Heft ist der 14. Jahrgang komplett. Das nächste Heft erscheint am 7. Januar 2012.