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Titel0311

Auf der »Gorch Fock«  (Wolf Gauer)

soll es zugegangen sein wie auf dem Nazischul ... pardon, wie auf dem Schulschiff der Deutschen Kriegsmarine »Gorch Fock«, das im Mai 1933 vom Stapel lief, 1945 sank, danach von den Russen gehoben und instandgesetzt wurde. Sollen wir uns darüber wundern?

1958, gerade 13 Jahre nach dem Abgurgeln des NS-Reiches, wurde in Hamburg ein Segler identischer Bauart und gleichen Namens vom Stapel gelassen. Die zweite »Gorch Fock« – mit allem Pomp der wieder aufrüstenden BRD. Als ob da nichts weiter gewesen wäre. Ein schönes Bekenntnis zu einer ungebrochenen, scheinbar makellosen Tradition, zum alten Wein in neuen Schläuchen. Da war es wieder, das reinweiße Schiff, die »weiße Botschafterin Deutschlands«, das »Aushängeschild der Deutschen Marine«, unsere »Gorch Fock«. Und auch das Auguren-Lächeln: Wartet nur, bis wir auf hoher See sind! Da wird man ihm schon die Hammelbeine lang ziehen, dem »Bürger in Uniform«, ganz wie damals unter Großadmiral Raeder.

Proteste gegen die Neuauflage der Nazibark sind nicht bekannt. Der Windjammer begeisterte die Nation, machte die Katastrophe der »Pamir« vergessen (1957: 80 tote Kadetten) und veranlaßte in diesen Tagen einen Herrn zu Guttenberg zu »hartem Durchgreifen«, weil da dummerweise etwas schiefgelaufen ist, so daß reinweiße Westen und Uniformen Flecken bekommen könnten.

»Boben dat Leben steit de Doot« (über dem Leben steht der Tod). So hatte 1958 die mit der Schiffstaufe betraute Nichte den geistesarmen Fischer und Helden-Reimer Johann Wilhelm Kinau ahnungsvoll zitiert. Diesem, bekannt als Gorch Fock, hatte die wilhelminische Flotten- und Kriegsbegeisterung sarrazinische Auflagenhöhen beschert (und den Heldentod in der Skagerrakschlacht).

Trotz des eher unappetitlichen Pseudonyms kam die lesende Jugend an Gorch Fock so wenig vorbei wie an Karl May. Sein völkischer Roman »Seefahrt ist not« (1913) und seine tumben Sinnsprüche arbeiteten dem Menschenbild der Nazis vor. »Das damals gefragte Pathos, das sich aus der Sehnsucht des Autors nach eigener Seefahrerschaft speiste, macht die sehr einfach strukturierten Abenteuergeschichten für heutige Leser oft beinah ungenießbar« (Wikipedia).

Von wegen. Pathos ist heute wieder gefragt. Dem Soldatentod werden neue Ehrenmäler gesetzt. Heldisches ist angesagt und wird mit Orden belohnt. Sei es in Afghanistan oder am Horn von Afrika. Das Buch »Seefahrt ist not« wird weiterhin verbreitet, auch gratis im Spiegel-Online-Projekt Gutenberg. Und somit mußten sie wieder »aufentern«, unsere Blauen Jungs und Mädels, ganz wie früher, 40 Meter hoch ohne Sicherung. Egal, ob sie als teuer ausgebildete High-Tech-Spezialisten für U-Boote oder für die Programmierung von Drohnen vorgesehen waren.

Auf sechs »Doote« hat es die »Gorch Fock« inzwischen gebracht, darunter zwei Frauen. Schließlich gilt auch im sinnlosen Tod: »Des Mannes bester Kamerad ist die Kameradin« (Gorch Fock). Und für die Kameradin, die – ohne Rettungsweste – ihr junges Leben in den Untiefen der See aushauchte, hält der Schiffspatron adäquaten Tiefsinn bereit: »Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen.«