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Titel0412

Mordsgeschrei und Mordsgeschäft  (Arno Klönne)

In Syrien breitet sich brutale Gewalt aus. Und wieder einmal haben Politik und Publizistik in der »westlichen Wertegemeinschaft« den Alleinschuldigen bequem zur Verfügung: Assad ist es, ein »neuer Hitler«, wie schon Saddam Hussein und Gaddafi. Ein propagandistisches Trommelfeuer findet statt und zeigt Wirkung; wer möchte angesichts des »syrischen Schlächters« noch darüber nachsinnen, ob andere Akteure an dem blutigen Drama beteiligt sind. Die mit allen massenmedialen Techniken durchgesetzte Deutung der Vorgänge in Syrien ist bestimmt durch ein altbewährtes Muster: »Haltet den Mörder.« Das Geschrei lenkt ab von den eigenen Mordtaten sowie der eigenen Beihilfe zu einer mörderischen Politik. Wer fragt noch nach den massenhaften Opfern und den zerstörerischen Folgen der NATO-Feldzüge in Afghanistan und im Irak oder nach den »Bombenerfolgen« in Libyen? Ein aktuelles Scheusal ist gefunden, die Schreckensnachrichten dazu beherrschen die öffentliche Wahrnehmung, selektiv und ohne jeden Blick zurück. Daß jetzige Partner des »Westens« bei der verdeckten Operation in Syrien selbst staatliche Gewalttäter sind, scheint vergessen; daß die Partnerschaft mit Assad zeitweise von »westlicher« Seite goutiert wurde, wird verschwiegen. Zur NATO-Gewohnheitslüge ist es geworden, kriegerische Intervention zum Zwecke geopolitischer und ökonomischer Interessenpolitik jeweils so darzustellen, als sei sie humanitär motiviert. Und nicht nur in der Bundesrepublik sind ehemals revoluzzernde Intellektuelle dabei gern behilflich. Sie stimmen ein in das Mordsgeschrei, in dessen einseitige Schuldzuweisung. Das ist auch ein Grund für die gegenwärtige Schwäche der Friedensbewegung – frühere Wegbegleiter haben die Richtung gewechselt. Das verunsichert viele. Der Protest gegen die internationale Gewaltpolitik leidet zudem unter Kurzsichtigkeit. Er regt sich, wenn kriegerisches Zuschlagen unmittelbar droht, fordert dann eine friedliche Lösung des Konfliktes ein. Daß die Regierenden dem nicht zu folgen pflegen, kann Resignation auslösen. Demgegenüber wäre es notwendig, die Perspektive zu erweitern, die fortwährenden Antriebe militärischer Politikorientierung offenzulegen und öffentlich klarzustellen, daß diese exakt jene explosiven Strukturen erzeugt, die dann angeblich eine bewaffnete Intervention unvermeidlich machen. Der Nahe Osten als Beispiel: Diese Region ist seit langem aufs eifrigste mit Rüstungs-»Gütern« bedient worden. Sie wird auch jetzt durch externe Lieferanten weiter hochgerüstet – wer kann denn glauben, daß ein solches Pulverfaß friedlichen Verwendungszwecken dienen könnte? »Westliche« Empörung über »orientalischen Hang zur Gewalt« ist heuchlerisch. Rüstungswirtschaft ist hochprofitabel, Konflikte sind für diese Unternehmen willkommene, auch zu arrangierende Konjunkturspritzen; dem Morden geht ein Mordsgeschäft voraus. Jeder Krieg hat einen sicheren Gewinner: die Waffenbranche. Sie ist vom Gegenstand der Produktion her skrupellos.