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Titel414

Come home! – Jamal Ibn Mumia kämpft  (Sabine Kebir)

Obwohl selbst das Oberste Gericht der USA anerkannt hat, daß der Prozeß, in dem Mumia Abu-Jamal 1982 zum Tode verurteilt wurde, keineswegs dem geltenden Recht entsprach und politische Manipulationen daher nicht auszuschließen sind, wurde das Verfahren aus formalen Gründen nie wieder neu aufgerollt. Es waren also nicht die Selbstzweifel der Justiz, weshalb der fast drei Jahrzehnte in der Todeszelle verwahrte Mumia Abu-Jamal nicht hingerichtet wurde, sondern die erhebliche internationale Solidarität, mit der ihn verschiedenste gesellschaftliche Organisationen unterstützten – darunter Amnesty International, der deutsche und der französische PEN, sogar das Europäische Parlament und viele politische Gruppen. Wohl um dieser Unterstützung entgegenzutreten, verkündete die Distrikts-Staatsanwaltschaft von Philadelphia am 7. Dezember 2011, ihre Forderung nach der Todesstrafe für Abu-Jamal fallenzulassen, die stattdessen in lebenslangen Freiheitsentzug ohne Bewährung umgewandelt wurde. Ein fairer Prozeß, bei dem endlich die Wahrheit über Abu-Jamals Rolle beim Tod des Polizisten Faulkner ans Licht kommen könnte, ist nicht mehr vorgesehen.

Tatsächlich waren viele Initiativen, deren Ziel es war, die Todesstrafe von Abu-Jamal abzuwenden, seitdem weniger aktiv. Aber kommt lebenslange Haft nicht einer Hinrichtung auf Raten gleich? Zu fordern ist Mumia Abu-Jamals Freilassung. Einen solchen Gnadenakt kann Präsident Obama nicht verfügen. Aber der Gouverneur von Pennsylvania könnte sich dazu durchringen. Der steht freilich unter unermeßlichem Druck der Polizeigewerkschaft, die sich seit drei Jahrzehnten weigert, die von der Justiz bestätigten Zweifel an Abu-Jamals Schuld anzuerkennen.

»Come home, Mumia« – das sagt jetzt sein Sohn, Jamal Ibn Mumia Hart im Namen der ganzen Familie von Abu-Jamal. Auf der neunzehnten Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt, die am 11. Januar in der Berliner Urania stattfand und einen Besucherrekord verzeichnete, war er es, der die alljährliche Grußbotschaft seines Vaters verlas und rhetorisch bewegend für die Wiederbelebung der Solidaritätsbewegung warb. Er gab bekannt, daß Abu-Jamals Familie jetzt eine Website (www.freedom4Mumia.org) betreibt, auf der sich die Unterstützer manifestieren, informieren und in direkten Kontakt treten können.

Jamal Ibn Mumia Hart präsentierte auch den neuesten Film über seinen Vater, der Ende 2013 schon in deutschen Kinos lief: »Mumia – Long Distance Revolutionary«. Regisseur Stephen Vittoria brachte eine stattliche Reihe von amerikanischen Intellektuellen vor die Kamera, die Mumia Abu-Jamal als außerordentliches Talent und als mutigen Kritiker des noch immer virulenten Rassismus in den USA schildern – darunter Angela Davis, Alice Walker und Terry Bisson. Am beeindruckendsten ist, daß sich auch viele Universitätsprofessoren für ihn engagieren. Es gibt sogar eine Vereinigung von Hochschullehrern, die sich speziell mit ihm beschäftigt und dafür wirbt, Mumia Abu-Jamals Werke auf den Lehrplan zu setzen. Gefilmt wurde eine Professorin, die während des Unterrichts ihre Studenten telephonisch mit Abu Jamal in der Zelle verbindet – die können ihm dann direkt Fragen stellen.

Im Unterschied zu älteren Filmen bringt der neue Streifen eine Fülle von Dokumentarmaterial über Abu-Jamals journalistisches Wirken, unter anderem Original-Tonaufnahmen aus seinen Radiosendungen vor und in der Haft. Sie machen deutlich, welche große Ausstrahlungskraft allein seine Stimme hatte. Aber das Heranwachsen einer ähnlich charismatischen Persönlichkeit der antirassistischen Bürgerbewegung wie Martin Luther King sollte unbedingt verhindert werden, weshalb Abu-Jamal trotz erheblicher beruflicher Erfolge zu wenig bezahlte Arbeit hatte und auch noch Taxi fuhr.

Der Film zeigt auch Aufnahmen aus den ersten Haftjahren, aufgenommen in Abu-Jamals Zelle. Darin gab er über seine politischen Positionen Auskunft. Später wurden solche Aufnahmen verboten. Mit vielen Filmdokumenten wird auch belegt, daß Philadelphia in den siebziger und beginnenden achtziger Jahren eine äußerst rassistische Stadt war, in der sich vor allem Schwarze von permanenter Polizeigewalt bedrängt sahen und Weiße als »weiße Nigger« drangsaliert wurden, wenn sie sich lange Haare oder gar Rasta-Locken erlaubten. Schließlich gibt es auch erschütternde Aufnahmen der mehrtägigen Polizeiaktion und des abschließenden Bombardements der Wohnblocks, in denen sich die alternative Move-Bewegung entwickelt hatte – erschreckende Bilder, die ein Land im Kriegszustand zeigen. Es gab viele Tote, darunter auch Kinder. Abu-Jamal hatte diese Ereignisse journalistisch begleitet, ohne selbst zu Move zu gehören. Wie andere Unterstützer sah er es als Menschenrecht an, daß von der Gesellschaft marginalisierte Menschen sich ihre eigene Lebensform schufen, und nahm entschieden gegen die Gewalt Stellung, mit der dagegen vorgegangen wurde. Noch heute solidarisiert er sich mit Move – ohne ihrer Weltanschauung anzuhängen, was ihm indes oft unterstellt wird. Wer seine Bücher und Kolumnen liest, weiß es besser.

Der Film zeigt auch Dokumente, die belegen, daß Abu-Jamal schon lange vor dem »Ereignis« vom FBI kontinuierlich beobachtet und als politisch außerordentlich gefährlich eingeschätzt wurde. Über den Tathergang wird nicht wie in früheren Filmen spekuliert, aber nachdrücklich darauf verwiesen, daß Abu-Jamal durch mehrere Schüsse des Polizisten Faulkner schwer verletzt wurde.

Jamal Ibn Mumia Hart kündigte eine Überraschung für die Berlinale 2014 an. Noch ein Film über seinen Vater?

Bestehen bleibt derweil die Forderung: Freiheit für Mumia Abu-Jamal! Er muß zu seiner Familie zurückkehren dürfen.