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Titel414

Öffentliche Hand und privater Arm  (Hermann Wollner)

In Berlin spricht man derzeit viel von der Voll-Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB), und die Aktivisten von attac jubeln: »Die Rückkehr der Berliner Wasserbetriebe in die öffentliche Hand ist ein großer Erfolg!« Ist das wirklich so?

Der Ausdruck »öffentliche Hand« bezeichnet Körperschaften des öffentlichen Rechts, so sagt es das »Gabler Wirtschaftslexikon«. Sieht man sich die vom Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum zur angeblichen Voll-Rekommunalisierung mit den ehemaligen Partnern Veolia und RWE geschlossenen Unternehmenskaufverträge an, so fällt auf, daß sie keineswegs den privatrechtlichen Konsortialvertrag von 1999 aufheben, sondern sich lediglich auf die Geschäftsanteile der privaten Unternehmen an deren privatrechtlicher RWE-Veolia Berlinwasser Beteiligungs GmbH, kurz RVB genannt, beziehen. Der Vertrag mit Veolia vom Dezember 2013 nimmt ausdrücklich Bezug auf den Konsortialvertrag (mit unveränderter »Ausgleichsverpflichtung«, sprich Gewinngarantie) und bestimmt, daß »der erworbene Geschäftsanteil mit allen Rechten und Pflichten einschließlich des Gewinnbezugsrechts« an die sogenannte Kaufgesellschaft BWB Rekom Berlin GmbH & Co. KG »abgetreten« wird. Nach dem Prinzip »Taler, Taler, du mußt wandern, …« wanderten 50 Prozent der Geschäftsanteile einer privaten Firma an eine andere private Firma, die überdies einen völlig anonymen »Komplementär« besitzt, der zum privatrechtlichen »Arm« der Investitionsbank Berlin (IBB) gehört.

Diese ganze rechtliche Aufklärung verschleiern unsere Qualitätsmedien, so daß den Bürgerinnen und Bürgern der Blick auf ihr Vermögen, nämlich das kommunale Eigentum, weitgehend vorenthalten beziehungsweise regelrecht abtrainiert wurde. Wie steht es also um das Vermögen?

Vor der »Rückkehr der Berliner Wasserbetriebe in die öffentliche Hand«, in der »Zeit der partnerschaftlichen Hände« – den Jahren 2000 bis 2012 –, lief es in Berlin so: Der während der Gesamtvertragslaufzeit zu realisierende Gewinn der BWB wurde gemäß Konsortialvertrag »partnerschaftlich« zwischen dem Land Berlin und den privaten Teilhabern Veolia und RWE (als RVB GmbH) geteilt. Das Land Berlin – zu 50 Prozent Eigentümerin an den BWB – bekam eine Milliarde Euro und die Privaten »erwirtschafteten« 1,5 Milliarden Euro. Wie man sieht, war der den Privaten zugestandene »Nachteilsausgleich« eindeutig zum Nachteil des Landes Berlin. Abgesehen davon hatten beide privaten Partner eine immense »Gewinnerwartung«, die durch Manipulation der Kostenschraube bedient wurde.

Nach »Rückkehr der Berliner Wasserbetriebe in die öffentliche Hand« in der »Zeit der komplementären Hände« als Konsortialpartner (2014–2043) wird es nun so sein (laut Dokumenten des Finanzsenators und des Abgeordnetenhauses): Die Berliner Wasserbetriebe müssen, nachdem ihnen das Bundeskartellamt die Preisflügel für Trinkwasser etwas gestutzt hat, anstelle Gewinne nach Paris und Essen zu überweisen, nunmehr Kredite der IBB mit Zins bedienen. Dafür gehen im Laufe der Kreditlaufzeit 1,8 Milliarden Euro drauf. Zum Vergleich: Die privaten Partner hatten 1999 eine Konzession bis 2028 erworben und hätten bis zu diesem Termin Gewinne in etwa gleicher Höhe eingestrichen. Da die zu erwirtschaftenden Zahlungen an die IBB, jährlich 61 Millionen Euro, rechnerisch durch die eine Hälfte des BWB-Vermögens zu erbringen sind, ist mindestens der gleiche Betrag aus der anderen BWB-Hälfte für den Berliner Haushalt zu »erwirtschaften«. Bei einem zu erwartenden jährlichen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro müssen davon weiterhin etwa zehn Prozent der »Finanzwirtschaft« zur Verfügung gestellt werden. Bis 2043 besteht demnach kein wirtschaftlicher Spielraum, um die Berliner Wasserpreise unter das vom Bundeskartellamt verlangte Niveau zu senken. Er muß allerdings auch nicht dieses Niveau »inflationsbedingt« übersteigen.

Der Erfolg der »Berliner Wasserbetriebe in öffentlicher Hand« für den Berliner Senat besteht darin, daß weiterhin »Wassergeld« in den allgemeinen Haushalt »hineintröpfelt«. Der »Erfolg« für die Bürgerinnen und Bürger besteht darin, daß sie nunmehr für den Gewinn eines verkappten »privaten Arms« der IBB Holding ihr Wasser trinken. In dessen Anlagegelüste haben weder Berliner Abgeordneten noch Berliner Bürgerinnen und Bürger hineinzureden. Die einnehmende »öffentliche Hand« langt nach dem, wonach sie der »private Arm« ausstreckt. Wie gehabt.

Hermann Wollner, Dr. agr. und Außenwirtschaftsökonom, unterstützt den »Berliner Wassertisch« in ökonomischen Recherchen.