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Titel417

St. Martin und St. Michel  (Volker Bräutigam)

Die SPD – Sie wissen schon, Tucholsky: die »Hier können Familien Kaffee kochen«-Partei – hat mit Martin Schulz endlich wieder einen »Hoffnungsträger«. Das verkünden ihre Offiziellen, ohne rot zu werden, mit dieser Farbe haben es die Sozialdemokraten ohnehin nicht mehr so. SPD-»Hoffnungsträger« sagen uns auch die Demoskopen plus eine verdächtig große Zahl von Journalisten. Eine neue Insa-Meinungsumfrage im Auftrag der Bild-Zeitung behauptet gar, die SPD liege erstmals vor den Unionsparteien. Der hochgejubelte St. Martin hatte ja schon bei seiner Krönung zum Gabriel-Nachfolger getönt, er wolle die SPD wieder zur stärksten Partei machen.

 

Bläst Schulz, die mobile Großwindanlage, Frischluft in die SPD?

 

Er wolle, sagt er, »die arbeitenden Menschen wieder in den Mittelpunkt« stellen. Einen Sozialdemokraten von dieser Sorte hatten wir allerdings schon mal. Der machte aus dem Versprechen die Agenda 2010. Doch ob ARD-Anne Will (»Können Sie Kanzler?«) oder ZDF-Bettina Schausten (»Was nun, Martin Schulz?«): Keiner der etablierten Medienvertreter kratzt an der dünnen Vergoldung des neuen SPD-Sterns und fragt nach konkreten Inhalten. Da kommt jemand aus der Brüsseler Kungelfabrik und kann schlagartig Kanzlerkandidat und kommissarischer SPD-Vorsitzender werden. Die Sozialdemokraten etikettieren einfach um: von St. Gabriel zu St. Martin. Der Inhalt unterm Aufkleber bleibt gleich.

 

Schulz, der mit großen Sprüchen »Deutschlands Mister Europa« (= EU-Kommissionspräsident) werden wollte und es dann doch nur zum Halbzeit-Präsidenten eines Parlaments brachte, das zwar viel zu reden, aber wenig zu sagen hat. Einer, mit dessen Namen sich kein einziges erinnernswertes europäisches Projekt verbindet. Einer, der die feindselige EU-Sanktionspolitik gegen Russland mindestens ebenso intensiv unterstützte, wie Kanzlerin Merkel sie vorantrieb. Der das Elend der Griechen mittels massiver Unterstützung von Schäubles »Troika« herbeiführen half. Der will jetzt das Elend der deutschen Aufstocker und Niedriglöhner mindern? Schauen wir lieber weiter.

 

Kann Gabriel Außenminister? Wer fragt sowas heute eigentlich noch? Frank-Walter Steinmeier hat halt Platz gemacht, weil er scharf auf das Etikett Bundespräsident war. Salbungsvoll säuseln kann er ja. Selbst Anne Will bringt da kein Fragezeichen. Er ist doch so beliebt, der gute Frank, wird uns rundum versichert.

 

Will keiner gemahnen, dass er die Matrix für Schröders asoziale Agenda-Politik bastelte? Dass er als Kanzleramtsminister und Koordinator der deutschen Geheimdienste alles über die Schnüffelei der NSA sowie über die finstere Komplizen-Rolle des Bundesnachrichtendienstes BND wusste? Dass er den im US-Folterlager Guantanamo gequälten Kurnaz in Kenntnis von dessen Unschuld weiter dort eingesperrt bleiben ließ? Dass er sich der Umsturzpolitik der USA in der Ukraine als Handlanger andiente und in Kiew mit Faschisten faule Eier bebrütete? Und, am Schlimmsten: Dass er als Consigliere des »Paten« Schröder half, den verbrecherischen Jugoslawien-Krieg zu inszenieren?

 

Lohnt sich der Blick auf weitere sozialdemokratische Arbeitsergebnisse und deren Urheber? Auf Heiko Maas, willens, eine Art Wahrheitsministerium zu installieren? Auf Sangeskünstlerin und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die per Tarifeinheitsgesetz den kleineren, noch kämpferischen Gewerkschaften außerhalb des DGB das Rückgrat brechen will? Meine Leidensfähigkeit ist begrenzt.

 

Schauen wir in die Provinz, auf die sozialdemokratischen Landesfürsten. In meinem Nahbereich, in Kiel, gibt es Torsten Albig und in Hamburg Olaf Scholz. Es ist ja noch nicht lange her, da wurden diese beiden ebenfalls mit dem Etikett »Hoffnungsträger der SPD« beklebt. Und, klebt es noch?

 

Zumindest kleben die beiden noch an der Hoffnung, ihre marode HSH Nordbank verkaufen zu können. Obwohl die erst kürzlich bekanntgab, dass sie auf zehn Milliarden (!) Euro Landesbürgschaften zurückgreifen müsse. Im HSH-Keller liegen faule Kredite, die einen Schaden von mindestens 16 Milliarden Euro einfahren werden. Der Steuerzahler wird letztlich für die Misswirtschaft der HSH bluten müssen. Ministerpräsident Albig und der Erste Bürgermeister Scholz waren übrigens informiert, dass die HSH noch kürzlich einem Reeder 547 Millionen Euro Schulden erließ. Der kaufte sich, so heißt es, dann erst mal eine Yacht.

 

Von St. Michel, dem deutschen Volkssouverän, war hier bisher nicht die Rede. Er ist verschlafen. Ab Herbst 2017 regiert somit in Berlin weiter Schwarz. Mit roten, grün-gelben oder sonstigen Beilagen. St. Angela ist halt alternativlos. St. Martin und seine »Hier können Familien Kaffee kochen«-Partei sind ja tatsächlich keine Alternative, sondern nur die Fortsetzung des Elends mit anderem Etikett.