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Titel0510

Bemerkungen

Frühjahrsgedanken
In den Tälern magert
der Schnee,
an den Bunkern
beginnt es zu knospen.
Mütter fahren
ihre Kinder spazieren,
Bauern düngen
ihre Felder,
die Haustüren
stehen offen,
und nur Maulwurfshügel
künden von
heimlichem Aufruhr.

Wolfgang Bittner


CDU-Nachwuchs
Die Kanzlerin hat ihren, wie sie es nennt, eigenen »Duktus«, mit dem sie Kritiker zu besänftigen versteht. Das gilt auch für ihre Äußerungen zur deutschen Mission in Afghanistan. Nicht ganz so prominente Repräsentanten ihrer Partei sprechen da zupackender.

Jürgen Hardt, ehemaliger Marineoffizier, Vorsitzender der CDU in Wuppertal und Neuling im Bundestag, sagte der Westdeutschen Zeitung, er befürworte ein zusätzliches vierstelliges Kontingent der Bundeswehr am Hindukusch. »Ausstieg« bedeute nicht automatisch Truppenabzug, und legitim sei es, »zentrale Figuren der Taliban oder von Al Kaida gezielt zu töten«.

Ein Hinterbänkler, nicht weiter ernst zu nehmen?

Hardt ist Mitglied im Verteidigungsausschuß des Bundestages und in der parlamentarischen Versammlung der NATO.
A. K.


Politiker im Angebot
Große Aufregung in den Medien: Der bisherige Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU Hendrik Wüst, hat Interessenten ein persönliches Gespräch mit seinem Chef, dem CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, zum Kauf angeboten, als »Partnerpaket«, zu einem durchaus reellen Preis, zugunsten der Parteikasse. Ähnlich einfallsreich handelte die sächsische CDU mit ihrem Ministerpräsidenten. Warum jetzt das Geschimpfe? Warum wird Wüst in die Wüste geschickt? Marktwirtschaftliches Denken wird doch allgemein verlangt, und weshalb soll ein Politiker seine Aufmerksamkeit verschenken?

Natürlich müßte beim Angebot von Politikern für Wettbewerb gesorgt werden. Der ließe sich herstellen, wenn auch die anderen Parteien in diesen Markt einsteigen. Die Stiftung Warentest könnte dann das Preis-Leistungsverhältnis vergleichend beobachten.

Hendrik Wüst verdient jedenfalls ein Lob. Die Marktwirtschaft lebt doch schließlich davon, daß neue Geschäftsfelder erschlossen werden.
Marja Winken


Mehrstimmig
Jungpolitiker der Grünen und der SPD in Nordrhein-Westfalen führen, so meldete die Presse, vertrauliche Gespräche über das, was sie möglicherweise verbindet. Damit werde ein »Kontrapunkt gesetzt zu der Debatte über schwarz-grüne Bündnisse«, sagte der grüne Landesvorsitzende Arndt Klocke.

Zu gleicher Zeit war zu hören, daß die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, eine schwarz-grüne Landesregierung in NRW für »eine ernstzunehmende Option« hält: »Es hätte Reiz, so etwas zu probieren«, sagte sie im Deutschlandfunk.

»Kontrapunkt«, das ist die selbständige Stimme in einem mehrstimmigen Musikstück, die den Cantus firmus erst richtig reizvoll macht. Die Grünen – eine Partei, die politischen Musikliebhabern etwas zu bieten hat.
A. K.


Ein Spitzenforscher
Guido Westerwelle schlägt derzeit aufmerksamkeitsökonomisch alle prominenten Konkurrenten im Politikmarkt, und so fragte denn die Neue Westfälische den zur Exzellenz der deutschen Meinungsforschung gehörenden Klaus-Peter Schöppner nach seiner fachmännischen Einschätzung des FDP-Vorsitzenden und Hartz-IV-Theoretikers. Kommunikationstaktisch mache Westerwelle noch Fehler, sagte der Chef des EMNID-Instituts, aber strategisch setze er »das richtige Thema« und wolle »eine gute Politik machen«, mit »klarer Kante«. Demoskopisch sei das nachweisbar, denn: »Bis zu 66 Prozent (der deutschen Bevölkerung) meinen auch, daß sich Arbeiten lohnen muß.« Wer hätte das gedacht! Ein tiefgründiges Ergebnis der Schöppner-Meinungsforschung!

Und die restlichen 34 Prozent? Sind sie schon so dekadent, daß sie gar nicht wissen, was Arbeit ist? Oder dem Irdischen so entrückt, daß sie meinen: Meine Arbeit ist eines Lohnes nicht bedürftig? Oder Verfechter der Arbeitsdienstpflicht: Wenn der Staat nur genügend Druck macht, wird auch gearbeitet, ohne daß es sich für die Arbeitenden lohnt?

Im letzteren Falle müßte demoskopisch weiter untersucht werden: Handelt es sich womöglich um eine Meinungsgruppe, die für eine Stimmabgabe zugunsten der FDP zu gewinnen wäre.
Peter Söhren


Postdemokratie
Die Bundeszentrale für Politische Bildung gibt als Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament eine Art Zeitschrift unter dem Titel Aus Politik und Zeitgeschichte heraus. Die Beiträge darin sind in gehobener Wissenschaftssprache gehalten, die Gefahr, daß sie beim Empfängerkreis Aufregung verursachen könnten, ist dementsprechend gering. Aber mitunter ist darin Brisantes zu lesen. So in Heft 2–3/10 in einem Text von Claudia Ritzi und Gary S. Schaal, beide politologisch an der Hamburger Universität der Bundeswehr tätig. Einem Untersuchungskonzept von Colin Crouch folgend beschreiben Ritzi und Schaal, wie sich »politische Führung« in den Staaten des Westens zur »Postdemokratie« hin entwickelt: »Auf der formal-institutionellen Ebene bleiben demokratische Prozeduren erhalten, so daß der Blick von außen, ohne Kenntnis des internen Prozesses, sie für normativ intakt halten würde, das entspricht jedoch nicht der Realität, da sie massiv an Bedeutung für die demokratische Entscheidung verloren haben.« Parteipolitik und Wahlkämpfe seien zunehmend von »Inhalten, die später Regierungspolitik programmieren sollen, befreit«. Politische Weichenstellungen würden immer mehr von der »Firma« vorgenommen, worunter die Autoren das feste Bündnis von »politischen und ökonomischen Eliten« verstehen. In marktwirtschaftlichen Begriffen gedeutet, handele es sich um einen Schwenk im Politiksystem von der Nachfrage- zur Angebotsorientierung. Die Folge sei, wie Crouch sie schildert, daß »die Bürgerinnnen und Bürger als Demos zwar nicht de jure, aber de facto entmachtet werden«. Mit »exit« oder mit »voice« könnten diese dann regieren – indem sie innerlich aus dem Politiksystem in die Politikverdrossenheit auswandern oder indem sie nicht mehr schweigen, sondern sich mit Protest zu Wort melden.

Eine lesenswerte Lagebeschreibung, die da im Fachjargon geliefert wird. »Postdemokratie« als gesellschaftliche Zukunft? Der Begriff verharmlost. »Post« bedeutet, wie der Lateiner weiß, einen Zustand nach dem Ende des vorhergehenden Zustandes. »Postdemokratie« wäre demnach ein politisches Entscheidungssystem, in dem die Demokratie abgeschafft ist, die Verpackung aber die alte bleibt, damit keine Aufregung entsteht.
Arno Klönne


Wie auf See so vor Gericht
Acht Jahre ist es her, daß bei einem NATO-Manöver auf der Ostsee zwei deutsche Marinesoldaten ums Leben kamen. Offiziell war es eine »Verkettung unglücklicher Umstände«. Doch Medien vom Spiegel bis zur Regionalpresse stellten diese Version in Frage. Nun hat der NDR-Journalist Michael Schmidt ein akribisch recherchiertes Buch vorgelegt, in dem er nicht nur den Vorfall selbst, sondern auch die Behinderungen bei dessen juristischer Aufarbeitung beleuchtet. Am Beispiel des sturen Kampfes des Vaters des ertrunkenen Samuel Scheffelmeier um Gerechtigkeit zeichnet Schmidt das wenig schmeichelhafte Bild einer deutschen Justiz im Fahrwasser verteidigungspolitischer Zwänge. Steht die Marine über dem Gesetz?

6. März 2002: Soldat Scheffelmeier treibt nach dem Kentern eines Speedbootes mehr als 30 Minuten im eiskalten Ostseewasser, bevor er tot geborgen wird – obwohl mehrere hochgerüstete Kriegsschiffe in unmittelbarer Nähe sind. Die hunderte Millionen Euro teure deutsche Fregatte, zu deren Besatzung er gehört, hat nur mangelhafte Rettungstechnik an Bord. Das Verteidigungsministerium ist darüber seit langem im Bilde.
In den folgenden vom Vater angestrengten Prozessen wird die Verantwortung der Marine für den Tod des 21jährigen negiert. Scheffelmeier sen. erfährt unmißverständlich, wo unabhängige Rechtsprechung in Deutschland enden kann.

Schmidt findet eine ebenso nüchterne wie lebensnahe Sprache für diese Erzählung eines bitteren Scheiterns. Eingeschoben zwischen den Kapiteln sind kurze Erinnerungen der Mutter an ihren Sohn, die das Buch auch menschlich authentischer machen.

Eine nachdenklich machende Lektüre, gerade in Zeiten immer waghalsigerer Bundeswehreinsätze.
Paul Schreyer

Michael Schmidt, »Wie auf See so vor Gericht«, Verlag am Park, 16.90 €


Ein Film aus Israel
30.000 israelische Jugendliche suchen jährlich in Gruppen die Vernichtungslager der Nazis in Polen auf. 500 waren es, als Filmemacher Yoav Shamir Ende der 1980er Jahre in ihrem Alter war.

Vorbereitet werden sie in Yad Vashem, Israels zentralem Ort des Gedenkens an die Shoah, und in ihren Schulen durch eigens dafür qualifiziertes Personal. Im Film vermittelt eine Dame dazu die Faustregel: »Vergeßt nie! Vergebt nie!« Der Geheimdienst werde sie begleiten, damit sie »nicht mit den Einheimischen in Kontakt kommen«, denn Antisemitismus herrsche überall, außer in Israel. Später, der Filmemacher begleitet die Jugendlichen nach Polen, erfüllt sich dann die Prophezeiung: Drei alte Herren, von Schülerinnen angesprochen, versuchen rauszukriegen, woher die Mädchen kommen, ein einfaches Sprachenproblem – doch interpretiert wird die Szene als antisemitischer Akt, der beinahe in Tätlichkeiten ausartet. Auch das Hotel wollen sie abends nicht verlassen – draußen warten ja doch die Antisemiten ...

Im Geiste eines quasi verordneten Philosemitismus aufgewachsen reagierten viele deutsche Zuschauer verstört auf den Film. Denn Shamir, renommierter Dokumentarfilmer, der bereits mit drei seiner Filme auf dem Münchner DOK.FEST war, portraitiert in einem zweiten, parallelen Erzählstrang die wichtigste Institution, von der die aktuellsten Meldungen über Antisemitismus stammen: die Antidiffamierungsliga (ADL).

In deren Hauptquartier in New York trifft er den freundlichen Chef Abraham Foxman, der ihn an die Dokumentaristen weiter vermittelt, die antisemitische Vorfälle festhalten. Es sollen pro Jahr etwa 500 sein, in den letzten zwei Wochen waren es fünf. Shamir möchte einigen nachgehen. Da war die während einer jüdischen Beerdigung ins Handy gesprochene Bemerkung eines diensttuenden Polizisten »I’m just finishing this Jewish shit«. Der Mann habe sich bereits entschuldigt – daher kein Interview. Einem zweiten Fall geht Shamir nach: Ein Bus der Lubawitscher Gemeinde mit hebräischer Aufschrift, der Kindergartenkinder nach Hause brachte, wurde von zwei Schwarzen, zehn und zwölf Jahre alt, mit Steinen beworfen. Der Busfahrer berichtet, daß glücklicherweise außer zerbrochenen Scheiben nichts passierte, die Kinder hätten geschlafen.

So kommt er zum dritten Erzählstrang: zu den interviewten Personen, die »anderer Meinung« sind, die dem Erziehungsschwerpunkt Antisemitismus und Holocaust kritisch gegenüberstehen, da sie kaum etwas von antisemitischen Ausschreitungen bemerken, weder in New York noch in der ehemaligen Sowjetunion, die zudem die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus ablehnen und Israels aktuelle Probleme in den Vordergrund stellen – vor allem die der besetzten Gebiete und des Umgangs mit den Palästinensern. Uri Avnery kommt zu Wort, Norman Finkelstein (»The Holocaust Industry«) und John Mearsheimer (»The Israel Lobby and Foreign Policy« mit Stephen Walt).

Dagegen erfährt Shamir eher beiläufig in einem Interview mit Führungskräften der ADL, welche Rolle Israel für sie spielt: Es sei eine Lebensversicherung für alle Juden und müsse es bleiben; der Holocaust sei das gemeinsame Erbe aller Juden und das wichtigste verbindende Element untereinander, ob religiös oder nicht.

In Auschwitz marschiert Abraham Foxman mit israelischen Miltärs durch die Gedenkstätte. Und hier weint die Schülergruppe – mit diesem Leid könne niemand konkurrieren, auch die Araber nicht. Sie stehen im Kreis, die Arme einander um die Schultern gelegt. Zeigen sie dem antisemitischen Rest der Welt den Rücken? Können sie überhaupt noch unbefangen auf andere zugehen? Wem sollen, wem werden sie »nie vergeben«?

Yoav Shamirs Film »Defamation« wurde produziert und wird verbreitet von Cinephil (Tel Aviv).
Christl Grunwald-Merz

Die Autorin, Soziologin und Medienpädagogin in München, schreibt für die
Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz.


Gratulation nach Almaty
Jüngst erfreute mich die Nachricht aus dem Auswärtigen Amt, »daß der Herr Bundespräsident Ihrer Anregung entsprochen und Herrn Belger auf Vorschlag des Bundesministers des Auswärtigen ... das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen hat«.

Herold Belger ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was die vieldiskutierte Integration sein kann. In einem 2009 erschienenen Buch mischt er sich sogar in deutsche Diskussionen ein, indem er für seine deutschen Landsleute in Kasachstan Integration gegen Assimilation abgrenzt: »…sich von dem lossagen, was einen über Jahrzehnte, Jahrhunderte in Rußland, Kasachstan, Kirgisistan und so weiter bereichert hat, heißt sich bewußt ärmer machen.«

Für einen »Immigranten«, der nach »Großdeutschlands« Überfall auf die UdSSR als Sechsjähriger aus der Wolgarepublik nach Kasachstan deportiert und als Rußlanddeutscher aller Rechte beraubt wurde (es gab weder deutschsprachige Zeitungen noch Bücher, keinen Zugang zu höherer Bildung, keine Bewegungsfreiheit), ist es bemerkenswert, daß er ein hochgeachteter Bürger Kasachstans geworden ist, als Schriftsteller, Übersetzer, Journalist kasachisch, deutsch und russisch schreibt, den kasachischen PEN mitbegründete, 1994 zum Abgeordneten im Parlament Kasachstans gewählt wurde und dabei Anwalt deutscher (auch rußlanddeutscher) Kultur blieb.

Mit dem Anspruch »Es darf nicht sein, daß das nationale Gedächtnis erlischt«, verfaßte Belger ein »Lexikon Rußlanddeutscher Schriftsteller« (1999 auch deutsch in Berlin erschienen). Während stürmischer Jahre, als die Deutschen in Kasachstan darüber stritten, ob sie lieber in die Bundesrepublik auswandern oder bleiben sollten, leitete er das Deutsche Kulturzentrum in Almaty.

Programmatisch für wechselseitigen Kulturaustausch war schon 1982 sein Büchlein »Gleichklang / Goethe – Lermontow – Abai«. Und Phoenix, der Almanach der Rußlanddeutschen, (ab 1992 war Belger Stellvertreter, dann Chefredakteur) ist nach allen drei Seiten offen: zur kasachischen, deutschen und russischen Literatur.

Belger war bereits Berater der von mir betreuten Edition kasachischer Literatur im Verlag Volk und Welt. Jüngst wurde er mein unentbehrlicher Partner bei Abai-Nachdichtungen für die erste deutsche Buch-Ausgabe von Gedichten des kasachischen Nationaldichters (Köln 2007 und Astana 2008). Und seine Übersetzungen bedeutender kasachischer Romane (Nurpeissow, Kekilbajew und andere) ins Russische dienten als Grundlage für die Übersetzung ins Deutsche, wodurch die deutsche Rezeption dieser Literatur möglich wurde.

Kaum hat Belger den deutschen Orden überreicht bekommen, da erscheint in Deutschland ein Roman von ihm, der deutschen Lesern – auch denen aus Kasachstan und in Kasachstan – sehr zu empfehlen ist: »Das Haus des Heimatlosen«.

Seinem Schicksal als Entrechteter, der sich einst Bildung und Anerkennung erstritt, aber auch kasachischer Mitmenschlichkeit verpflichtet, gestaltet Belger authentisch die Tragödie der Wolgadeutschen. Russisch 2003 erschienen (rezensiert in Ossietzky 25/03), liegt der Roman jetzt in der adäquaten deutschen Fassung von Kristiane Lichtenfeld im Verlag Hans Schiler in Berlin vor (420 Seiten, 29.90 Euro).

Glückwunsch dem Fünfundsiebzig-jährigen zu seinem Lebenswerk!
Leonhard Kossuth


Post aus Thüringen
Zum Beitrag von Lothar Kusche im Ossietzky 4/10:

Der Autor spricht von einem friedlichen Kochtopf, geschmiedet aus einem Stahlhelm!

Ich kann ein passendes Gegenstück vorweisen. Es ist ein Jaucheschöpfer. Ein alter, findiger thüringischer Kleingärtner hatte den Stahlhelm mit Tülle und Stiel versehen und so ein nützlich-würdiges Gerät aus ihm gemacht. Diese praktische Ergänzung zum Trocken-Klo im Kleingarten (!) hat der alte Gartenfreund mir geschenkt, als er seinen Garten aufgeben mußte. Auf mich kommt mit Kusches Information die drängend-duftende Frage zu: Soll ich das Gerät dem Militärhistorischen Museum in Dresden übergeben oder es lieber doch behalten? Bei mir leistet es doch noch nützliche Dienste!

Ich lese Ossietzky von der ersten Nummer an, die ich in Erfurt abonnierte, als wir der Kohlbirne mit einer »leichten Linksdrehung« das Licht ausdrehen sollten. Der Entschluß wäre schwerer gefallen, wenn wir damals gewußt hätten, was uns erwartet. Und nun bekommen junge Männer wieder künftige Jaucheschöpfer und Kochtöpfe auf den Kopf gesetzt!

Ich erwarte gespannt die kleinen roten Hefte.
Friedrich Schilder


Press-Kohl
Kohlweißlinge gehören anscheinend zu jenen Schmetterlingen, die sich gern auf weißem Papier niederlassen; eine Unterart dieser Spezies bevorzugt für gelegentliche Ruhepausen den Schreibtisch unseres Kollegen Joachim Bennewitz; dessen häufiger Gast ist der Press-Kohl-Weißling. Ein solcher bescherte uns dieser Tage Kernsätze aus einer Gastkolumne der Zeitung Neues Deutschland von Jan Hoffmann. Der 54-jährige Dresdner, sechsmaliger Olympia-Teilnehmer, gewann 1980 im Eiskunstlauf eine Silbermedaille. Hoffmann schrieb: »... diese Silbermedaille ist für mich Gold wert. (Nun) stand ich endlich auf dem Treppchen der Besten, nachdem ich zur Eröffnung der Spiele 1980 die DDR-Fahne getragen hatte. Eine Ehre, die gestern Bobpilot André Lange hatte.«

Anno 2010?

Wenn das die amtlichen »Aufarbeiter« wüßten, die sich an der DDR noch lange nicht abgearbeitet haben!
*
Einen Komiker »mit seinen Parallelexistenzen als Illusionist und Musiker, Poet und Schauspieler«, nämlich Carl Einar Häckner, nannte die Berliner Zeitung den »attraktiven Schweden mit dem berückenden deutschen Akzent«, während Uta Eisenhardt in der gleichen Ausgabe von Gayle Tufts, der aggressiven Neuberlinerin mit dem charmanten Rummelbuden-Appeal, behauptete, diese fülle »die Marktlücke für witzige Frauen auf der Bühne«.

»Tufts‘ Vorbilder sind die One-Woman-Shows der großen amerikanischen Entertainerinnen Bette Midler, Barbra Streisand und Liza Minelli ... ›I have nothing to jammer about‹, lautet ihre bisherige Lebensbilanz auf Denglisch, dem von ihr stilisierten Sprachmix.« Ich hätte gedacht, sie ließe sich von G. Westerwelle stilisieren. Nein, »sie ließ sich in London inspirieren, wo sie gemeinsam mit Quatsch-Comedy-Chef Thomas Herrmanns in einem Hotelzimmer den Text für ihre Show erarbeitete ... Sie lernte auch Klaus Wowereit in einem Kreuzberger Off-Theater kennen, einen frühen Fan und inzwischen langjährigen Freund. Im Musical wird er nicht erwähnt.«

Da kann er sich freuen.
Felix Mantel