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Titel614

Ukrainische Realitäten  (Arno Klönne)

Es ist nicht so, daß sich in Deutschland früher nie jemand für die Ukraine interessiert hätte. Schon während des Ersten Weltkrieges gab es hierzulande starke Gefühle, dieses Terrain betreffend; eine riesige Kornkammer wurde dort gesichtet, mit einer Bevölkerung, die nur auf deutsche Aufseher warte, die erst einmal den Zaren in seine Schranken weisen müßten. Deutsches Militär hatte diese Aufgabe zu übernehmen, was aber am Ende nicht gelang. Im Jahre 1941 wurde dieser Versuch wiederholt, diesmal weiter schauend: Nicht nur Getreide auf ukrainischem Boden war im Blick, das Terrain sollte zudem einen Durchgang bieten zu den Schätzen hinter dem Kaukasus. Und auf der Krim war eine germanische Bastion geplant, das Schwarze Meer beherrschend. Wiederum scheiterte das Vorhaben, trotz aller militärischen Anstrengungen. Nach der Kapitulation mußten die ukrainischen Helfer hitlerdeutscher Strategen der Obhut US-amerikanischer Geheimdienste anvertraut werden, die hatten für eine Weile noch Verwendung für antisowjetische Kämpfer. Jahrelang war dann erst einmal von der Ukraine nicht mehr die Rede.

Seit dem Zerfall der UdSSR ist das anders. Der nun selbständige Staat Ukraine soll dem europäischen Großwirtschaftsraum angegliedert werden, also ist vor allem die Bundesrepublik Deutschland am Zuge, sie ist die stärkste Kraft in der EU. Allerdings haben auch die Vereinigten Staaten von Amerika ihre spezifischen Interessen im ukrainischen Gelände, geopolitische vor allem; und infolgedessen gibt es Reibereien zwischen NATO-Partnern, »Fuck the EU« empfiehlt die US-Diplomatin Victoria Nuland.

Panzerarmeen sind es diesmal nicht, die der Ukraine »Befreiung« bringen könnten, die Methoden zur Veränderung der politischen Landkarte haben sich für dieses Terrain modernisiert. Der mitunter in der Antifa-Szene zu hörende zynisch-kritische Spruch »Wir schaffen es, ohne Waffen SS« (Kabarettist Wolfgang Neuss) hat etwas Realistisches.

Die Konsumenten politisch konformer deutscher Medien erhalten ein Bild von den Konflikten in der Ukraine, das eigenes Nachdenken gar nicht erst aufkommen läßt: »Das Volk« oder »die Zivilgesellschaft« stürzte dort einen gewalttätigen Diktator von seinem Thron. Und die Abgesandten der EU, in erster Reihe deutsche, kümmern sich nun aufs angestrengteste darum, daß Demokratie gelinge ...

Ein totalitäres System unter Viktor Janukowitsch? Merkwürdigerweise ließ es ständig vor Ort Auftritte von westlichen Politikern zu, die zum Umsturz aufforderten, duldete üppige Zuflüsse ausländischen Geldes für die Umstürzler, auch regierungskritische Propaganda.

Und jetzt sind in der Ukraine die Demokraten dran? Eine seltsame Art von Demokratie, wenn sie ausgeübt werden soll von polit-finanziellen Magnatinnen oder Magnaten, die mit dem gestürzten »Diktator« konkurrierten und nun untereinander die Konkurrenz austragen. Oder sollen ukrainisch-faschistische Aktivisten, durchaus Gewaltfans, nun für demokratische Ordnung sorgen?

Die west- und mitteleuropäischen Interessenten des Umsturzes in der Ukraine haben es nicht leicht. Ihrer ukrainischen Helfer können sie nicht sicher sein, und möglicherweise entsteht zunächst massiver Bedarf an finanzieller Alimentierung. Geopolitischer Gewinn ist angezielt, der russische Staat soll seinen Einfluß auf die Ukraine einbüßen, aber völlig verärgern will man ihn derzeit auch nicht; dem stehen wirtschaftliche Verflechtungen im Wege. Und eine Aufspaltung der Ukraine würde westlichen unternehmerischen Interessen auch nichts bringen. Außerdem können aufrührerische Verhaltensweisen bei manchen Ukrainern zur Gewohnheit werden, das stört den Gang der Geschäfte. Und Gewalttätigkeit erzeugt meist weiteres Gewaltverhalten.

Die Zukunft der Ukraine: Alles ist ungewiß. Gewiß ist nur: Der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung wird übel mitgespielt. Das war so und das geht so weiter, nun unter veränderter Firmenstruktur in der Politbranche.