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Titel0710

Alles ganz harmlos  (Hans Canjé)

»Reservistenverband auf Abwegen« wehklagte die neofaschistische NPD Anfang März auf ihrer Internetseite ob der Tatsache, daß der Verband der Bundeswehrreservisten dem stellvertretenden Parteivorsitzenden und Münchner Stadtrat Karl Richter einen Ausschlußbescheid ins Haus geschickt hat. Mit »sofortiger Wirkung«, so laute der Bescheid, sei Richter, Stabsunteroffizier der Bundeswehr, aus dem Verband ausgeschlossen. Der Verband begründe dies »mit Richters angeblichem Hitlergruß bei seiner Vereidigung als Stadtrat« am 2. Mai 2008. Damit bestehe nach Darstellung des Reservistenverbandes ein »unüberbrückbarer Programm- und Interessengegensatz zwischen den Zielen der NPD« und dem Verband, der NPD-Vize könne »die Ziele und Interessen des Verbandes massiv gefährden«.

Das sehen die NPD und Richter natürlich ganz anders. Bei besagter Vereidigung habe Stadtrat Richter keineswegs den »Hitlergruß« gezeigt, vielmehr sei ihm arglistig »die Schwurgeste als Hitlergruß ausgelegt worden«. Und überhaupt sei das Ganze nichts anderes als der Versuch, »nationale Bürger zu stigmatisieren«.

Richter ist ein »nationaler Bürger« rechtesten Fahrwassers, der von den braunen Republikanern über einige Zwischenstationen 2004 bei der NPD gelandet ist und als einer ihrer Chefideologen gilt. Der Vorkämpfer gegen die »Überfremdung« Deutschlands vertritt im Münchner Stadtrat die NPD-Tarnorganisation »Bürgerinitiative Ausländerstopp«. Er verdingte sich aber auch schon einmal als Filmschauspieler. Im Multispektakel »Der Untergang« war er in der Rolle des Adjutanten von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel ganz nahe beim »Führer« und traf dort nach eigenem Bekunden eine ganze Anzahl von Kameraden aus den »nationalen Spektrum« als Komparsen.

Doch zurück zum Thema Richter und Bundeswehr. In der vom NPD-Pressesprecher Klaus Beier gezeichneten Protesterklärung gegen den Ausschluß findet sich dieser Satz: »Richter hatte zuletzt Wehrübungen als Ausbilder beim Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald absolviert, das jüngst wegen harmloser Rekruten-Rituale in die Schlagzeilen geraten war.« Harmlose Rekruten-Rituale? Wir erinnern uns: Bei diesen Ritualen, die sich über Jahre hinweg wiederholten, mußten Wehrdienstleistende im Bataillon 233 rohe Schweineleber und Rollmöpse mit Frischhefe essen, Alkohol schlucken bis zum Umfallen. Weitere Bräuche kamen der sexuellen Nötigung nahe.

Verteidigungsminister zu Guttenberg, auch er hatte bei den 233ern gedient, forderte forsch: »Aufklären, abstellen, Konsequenzen ziehen«. Aber das kann sich hinziehen. Und ob damit auch die Rolle Richters beim »harmlosen Rekruten-Ritual« und das Verhältnis der Bundeswehr zum NPD-Vize aufgeklärt werden?

Da gibt es einige Widersprüche. Der bereits 1982 aus dem aktiven Dienst ausgeschiedene Soldat hielt im Verteidigungsbezirkskommando 65 (Oberbayern) politische Seminare zum Thema »Rechtsextremismus«(!) ab und nahm nach Bundeswehrauskunft regelmäßig an Wehrübungen seiner damaligen Einheit im Range eines Stabsunteroffiziers teil. Angeblich seien diese Aktivitäten 2003 unterbunden worden, seit Februar 2004 habe er auch nicht mehr an Wehrübungen teilnehmen dürfen. Dies alles erst nach entsprechenden Hinweisen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der wiederum erst zu dieser Zeit vom Verfassungsschutz Kenntnis über die Rolle Richters im braunen Sumpf erhalten haben will. Der Bundeswehrführung war in den vergangenen 20 Jahren Richters Rechtsdrall angeblich nicht aufgefallen.

Offensichtlich besteht Aufklärungsbedarf über die Wehrübungen, die Richter laut NPD-Erklärung als Ausbilder beim Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald absolviert hat, der Soldatenschmiede für »den Einsatz im erweiterten Aufgabenspektrum«. Richter ist seit 2008 auch Leitender Redakteur der Parteipostille Deutsche Stimme. Hier verkündete er im September 2004, aus der augenblicklichen Begeisterung über den Einzug in den sächsischen Landtag müßten nun »die Instrumente, Kader und Strukturen künftiger Siege geschmiedet« werden.

Ob zur Kaderbildung wohl auch der Verzehr roher Schweineleber gehört?