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Kommerzielle Einfalt  (Rainer Butenschön)

Die mediale Einfalt wird in Niedersachsen einmal mehr vervielfältigt: Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) öffnet die letzten bislang verschonten Nischen im Rundfunk dem Kommerz. Auch auf lokaler und regionaler Ebene – wo bislang nur einige wenige unterfinanzierte Bürgerradios und Offene Fernseh-Kanäle funken – sollen ab 2011 auch privatwirtschaftliche werbefinanzierte Hörfunk- und Fernsehprogramme betrieben werden dürfen.

In den Startlöchern stehen längst die Zeitungsverlage. Sie haben sich schon vor Jahren einprägsame Sender-Namen wie etwa Radio Hannover gesichert. Nun freuen sie sich darauf, den von ihren Zeitungsredaktionen erarbeiteten »Content« häppchenweise einer kostengünstigen Zweit- und Drittverwertung im neuen lokalen Dudelfunk zuführen und den lokalen Werbemarkt noch intensiver abschöpfen zu können.

Die schwarz-gelbe Landesregierung will den Verlegern unter bestimmten (bislang unbekannten) Vorgaben erlauben, sich mit 49,9 Prozent an den neuen Privatsendern zu beteiligen – auch dann, wenn sie lokale oder regionale Zeitungsmonopolisten sind. Das ist in mehr als drei Vierteln des Landes der Fall: Eine Handvoll Medienkonzerne hat Niedersachsen weitgehend unter sich aufgeteilt: »Nach der Pressestatistik 2008 hatten die Einwohner in 35 von 46 Kreisen keine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen für sie lokal berichtenden Zeitungen«, heißt es in der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Landtagsfraktion der Linken zur Medienvielfalt zwischen Ems und Elbe. Nur in neun Kreisen können die Bürger zwischen zwei Zeitungen und in zwei Kreisen zwischen drei Zeitungen mit lokaler Berichterstattung wählen – und für diese partielle Pluralität sorgt ausgerechnet der Springer-Konzern, indem er im Raum Hannover eine Regionalausgabe der Bild-Zeitung erscheinen läßt.

Tapfer übertüncht die Wulff-Regierung diese Einöde mit Realsatire: Im Bereich der Presse habe »sich seit jeher die Sicherung von Meinungsvielfalt durch Außenpluralismus bewährt«, behauptet sie in ihrer Antwort auf die Anfrage und lehnt eine Demokratisierung der Zeitungen durch »vielfaltsichernde binnenplurale Modelle« ab: Vielfalt werde »durch die Konkurrenz einer großen Anzahl unterschiedlich ausgerichteter Presseprodukte hergestellt«; die Regierung vertraue »auf die Selbstregulierungskraft des Marktes«. Lacher sind im Landtagsprotokoll nicht verzeichnet. Vielleicht verstehen die Abgeordneten keinen Spaß.