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Titel072013

Vater Staat? Daß ich nicht lache!  (Wolfgang Bittner)

Der Taxifahrer, der mich neulich zum Bahnhof fuhr, war 71 Jahre alt. Warum er noch arbeite, fragte ich ihn; eigentlich nur, um ein lockeres Gespräch zu beginnen. »Nicht aus Spaß am Taxifahren«, erwiderte er. Seine Altersrente nach einem arbeitsreichen Leben betrage lediglich 750, die Miete allein schon 550 Euro.

Er hatte im Laufe der Jahrzehnte 100.000 Mark für sein Alter gespart, so erzählte der Mann weiter. Daraus seien nach der Währungsumstellung 50.000 Euro geworden. Und der Salatkopf im Supermarkt, der vor einigen Jahren noch 99 Pfennig gekostet habe, koste jetzt 99 Cent oder sogar 1,49 Euro, das Brötchen 32 Cent statt 20 Pfennig; ganz zu schweigen von den Benzin-, Heizöl-, Gas- oder Stromkosten. Hinzu komme, daß viele Leute, die früher mit dem Taxi fuhren, dafür heute kein Geld mehr haben.

Auf der anderen Seite gebe es manchmal Leute, die sich für ein paar hundert Euro mal eben wer weiß wohin fahren lassen. Wahrscheinlich seien das die Börsenzocker und die Manager mit ihren Wahnsinnsgehältern und Millionenboni, die sich ihres Luxuslebens auf Kosten der Bevölkerung erfreuten, zum Teil sogar mit Hilfe der staatlichen Rettungsschirme.

Keine Geldentwertung? Keine Inflation? Das sei doch lachhaft. Das erkläre uns die Regierung, aber die Realität sehe ganz anders aus und lasse Böses ahnen. Als ob die Rettungsschirme für Banken und andere Staaten und für die Kriege, die man seit einigen Jahren in unserem Namen führt und meint führen zu müssen, aus der Portokasse finanziert werden könnten.

Ein analytischer Kopf, dieser Taxifahrer. »Was kostet es, wenn unsere Kriegsschiffe im Indischen Ozean oder im Mittelmeer vor der libanesischen Küste kreuzen?«, fragte er. »Was kosten die exklusiven Soldatencamps mit Casino, Waschsalon, Kino, Kegelbahn und sonstigen Freizeiteinrichtungen in Afghanistan, im Kosovo oder in afrikanischen Ländern?« Das alles diene – so meinte der Mann – letztlich wohl der Sicherung von Einflußgebieten und Rohstoffquellen, wie es hinter vorgehaltener Hand heiße, und das rechtfertige nach Ansicht der dafür zuständigen Politiker diese Einsätze in aller Welt. Zweifel seien unanständig, über die wahren Kosten erfahre man nichts.

Mein Taxifahrer war wütend auf die Regierung. »Hier ein paar Euro, dort ein paar Euro«, sagte er. Die hohe Miete, Steuern selbst auf die Rente, immer noch Solidaritätszuschlag, Krankenkasse, Verwaltungs- und Bankgebühren und so weiter. Überall werde man abgezockt, sagte er. Alles werde immer teurer und das fürs Alter Ersparte immer weniger. »Wenn der neunzigjährige Vater meiner Frau jetzt ins Pflegeheim kommt«, fügte er hinzu, »nehmen sie uns auch noch den Rest weg. Aber wir sind ja Exportweltmeister! Und für die Banken, die vor der Insolvenz standen, waren plötzlich Hunderte Milliarden da.«

Der Mann regte sich auf, bekam einen ganz roten Kopf. »Die da oben haben völlig den Kontakt zur großen Mehrheit der Bevölkerung verloren«, schimpfte er und fragte: »Finanziert der Staat so die Spekulanten, seine Kriege und seinen orientalischen Aufwand? Schauen Sie sich doch mal an, wie die leben. Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse ist von denen niemand versichert.«

Er hat eine Theorie, die recht plausibel erscheint. »Wenn die Inflationsrate steigt«, meinte er, »steigen die Löhne und die Steuerabgaben. Aber parallel dazu werden die Schulden, und damit auch die Staatsschulden und Zinsabtragungen geringer. Wir bezahlen doppelt und dreifach.« Er schüttelte den Kopf. »Vater Staat? Daß ich nicht lache! Diese Leute, die an den Futtertrögen sitzen, vertreten uns schon lange nicht mehr.«