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Titel1012

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Philipp Rösler, FDP-Vorsitzender. – Sie behaupten, daß der Zeitgeist nach Links rücke (schön wäre es ja) und die Liberalen wie immer der einzige Garant der Freiheit seien. Diese Bemerkung ist falsch und auch nicht sonderlich gescheit. Wir empfehlen Ihnen deshalb, Nachhilfeunterricht in Geschichte zu nehmen, etwa durch den Besuch einer Volkshochschule. Dort werden Sie erfahren, welche Rolle die Liberalen tatsächlich gespielt haben. Zum Beispiel haben sie die Revolution von 1848 verraten, als die Arbeiter und andere wahre Demokraten zu gewinnen schienen und die Besitzbürger ihre Geldbeutel bedroht sahen. Sie haben im Kaiserreich die Herrschenden bei deren Unterdrückung der Arbeiterklasse unterstützt, in der sogenannten Weimarer Republik mit den Nazis gekungelt und sich später mit ihnen verbündet, weil deren Kampf gegen die organisierte Arbeiterklasse und die Vernichtung der jüdischen Konkurrenz ihren Interessen entsprach In der Bundesrepublik verhalfen sie zusammen mit der Union den ehemaligen Feinden der Demokratie zu hohen Posten, während sie die Berufsverbote gegen Andersdenkende bejahten. Immerhin treten Sie in einem speziellen Fall für die Freiheit einer Minderheit ein: die Freiheit der Unternehmer zur Ausbeutung. Sollte das auch nicht mehr Stimmen bringen, so garantiert es doch den Spendenzufluß. Immerhin.

Christian Wulff, Altbundespräsident. – Wir hören wenig von Ihnen, gelegentlich bringen die Zeitungen eine Nachricht, daß Staatsanwälte immer noch nachforschen, ob die Wahrheit darüber ausgesagt wurde, wer Ihre Hotelrechnungen bezahlt hat. Weltbewegend ist das nicht. Jetzt hat aber die Zeitschrift RotFuchs, die vermutlich nicht zu Ihrer Lektüre gehört, eine – wie sie schreibt – »bemerkenswerte« Rede von Ihnen aus dem August 2011 nachgedruckt. Mit dem für die Steuerbürger kostspieligen Treiben in der Finanzwelt haben Sie sich darin kritisch auseinandergesetzt und gesagt: »Die Politik darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien.« Das Thema hat nichts an Aktualität eingebüßt, die Rettungsschirme für das große Kapital werden immer umfangreicher. Sie sollten Ihre damalige Rede in Erinnerung bringen, per Dokumentation in der Autobiographie, an der Sie arbeiten und die zur Veröffentlichung noch in diesem Jahr vorgesehen ist. Mit den Nasenringträgern haben Sie sich’s eh verdorben. Ihr Ruhegehalt ist dadurch nicht gefährdet.

Sigmar Gabriel, Systemanalytiker. –
Bemerkenswertes auch von Ihnen: In einem Interview mit der Neuen Westfälischen findet sich der tiefsinnige Satz: »Der Staat kann bei weitem nicht jeden Wunsch erfüllen und muß das auch gar nicht.« Man mag Ihre These gedanklich hin- und herwenden, sie leuchtet ein. Allerdings bleibt offen, wem der Staat Wünsche erfüllen soll und welche. Zudem ist zu klären, auf welche Weise der Staat zu seinen Entscheidungen über zu erfüllende und nicht zu erfüllende Wünsche kommt. Um Ihren Vaterpflichten zu genügen, wollen Sie sich demnächst eine kleine Auszeit von der Politik nehmen – da bleibt doch nebenher etwas Muße für weiteres systemanalytisches Nachdenken.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin. –
Sie haben ebenso wie Bundespräsident Gauck Strafmaßnahmen gegen die Ukraine gefordert, sofern die inhaftierte ehemalige prowestliche Regierungschefin Julia Timoschenko nicht umgehend aus der Haft entlassen werde. Sie war zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie ohne Parlamentszustimmung mit Rußland umstrittene Gasgeschäfte getätigt hatte, und soll ernstlich erkrankt sein. Während ihrer Regierungszeit hatte es auch politische Häftlinge gegeben. Wenn Sie, Frau Merkel konsequent sind, werden Sie und unser Bundespräsident eine große Anzahl von Staaten zur Bestrafung anprangern müssen, in deren Gefängnissen Häftlinge aus politischen Gründen eingesperrt sind, darunter auch solche Länder, die der Westen meist unter Beteiligung deutscher Soldaten, »befreit und der Demokratie zugeführt hat«. Wir nennen nur Albanien, den Kosovo, Libyen, den Irak und Kroatien. Oder sind die Menschenrechte nur für jene gültig, die sich den USA und der EU verbunden fühlen? Haben Sie sich auch schon für die »Cuban Five« eingesetzt, über die Norman Paech in diesem Heft berichtet?