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Titel1219

Links unten gegen rechts oben  (Matthias Biskupek)

Weil die AfD sich immer mehr als »normale« Partei etablieren möchte, obwohl sie doch keine »Altpartei« sein will, strebt sie nach Geld für politische Stiftungen. Sie möchte auch Theaterspielpläne nur noch nach »deutscher Kunst« ausrichten. In den Medien ist die AfD überproportional vertreten, wird im Augenblick aber noch relativ oft kritisch gesehen. Die sparsam verteilten Satire-Sendungen – nein, nicht die üblichen Nuhr-Comedy-Weichspülungen – nehmen AfD-Köpfe gern auf den Schirm. Gibt es Lustigeres & Entlarvenderes, als eine Frau von Storch? Sind Gauland, Weidel, Meuthen und Höcke nicht satirische Figuren, die im Wortsinn für sich sprechen?

 

Doch da mögen »heute-show«, »extra 3« und »Die Anstalt« sich an der AfD reiben, wie sie wollen: Bis zu einem Drittel des ostdeutschen Wahlvolks hält der Rechtsaußenpartei die Nibelungentreue. Da dürfen »linksgrün versiffte Medien« diese Partei lächerlich machen, wie sie wollen; der harte Kern aus der sächsischen Kleinstadt findet sie nicht zum Lachen, sondern will mit ihnen das Land verändern. Dass sich diese linken Witzbolde werden fürchten müssen! Selbst in frisch gewählten Lokalparlamenten drohen die bislang nie bei den Mühen der Regionalebenen in Erscheinung getretenen nagelneuen AfD-Repräsentanten: Multikulti hat in unserem Ort nichts zu suchen! Wir werden die Etablierten jagen, bis ihnen das Lachen vergeht!

 

Wenn wir nun schon zum wiederholten Mal das Lachen zitieren, dürfen wir uns fragen: Gibt es vielleicht auch ein AfD-Kabarett? Das die politischen Inhalte der Fremdenhasserpartei in einem lustigen, einem satirischen Gewand daherkommen lässt?

 

Klar war früher immer: Satirisches Kabarett zielt von links unten nach rechts oben. Rechts oben sitzen die Besitzenden, das eine Prozent, das 90 Prozent des Reichtums verwaltet, während links unten jener große Teil der Menschheit haust, der maximal ein Prozent an Reichtum nutzen darf. Oder, um ein neues Medium zu zitieren, wie der Blogger mcmac meint: »Wenn für Kabarett als grundlegendes Kriterium gilt, dass es die mit satirischen Mitteln vorgetragene und dargestellte Gesellschaftskritik (die der Beherrschten) ist, dann ist rechtes Kabarett eine contradictio in eo ipso, ein Widerspruch in sich.«

 

Als das Kabarett wegen zu starker linker Ausrichtung bereits einmal als staatsfeindlich gebrandmarkt wurde, erfand man den Rundfunk zum Missionar der Massen: »In dieser Stunde wird der Rundfunk berufen, die größte und heiligste Mission zu erfüllen: nun das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutschen Herzen zu pflanzen.« Das war 1935. Als das Fernsehen etabliert werden sollte, das dann zunächst der Kriegswirtschaft unterlag.

 

Bleiben wir bei der contradictio in eo ipso, dem Widerspruch in sich. Dem Kabarett von rechts gegen links.

Diesen Widerspruch meint die AfD auflösen zu können. Denn sie kämpfe gegen die linksgrün versiffte Mehr(!)heit in den Kommandostellen der Medien im Namen einer schweigenden Mehrheit der Bürger, kämpfe also von rechts unten nach links oben.

 

Sind AfDies und deren Wähler wirklich rechts unten? Rechts ja – aber unten? Diese gescheitelten Biederbürger, die gern hinter der Gardine vorgucken? Diese blankköpfigen Gartenbodenbürger? Diese verquälten Kleinmännlein, die Trump lieben, aber nicht selbstbewusste Frauen? Denen Ausländisches ein Gräuel ist und die deutsche Sprache angeblich Heimat – obwohl die linksgrün Versifften schon immer besser Deutsch konnten. Man muss nicht bis zu Heinrich Heine und Kurt Tucholsky zurückgehen, um Beweise zu finden.

Kritik an einer wirklich versifften, einer pharisäerhaften Lebensweise üben Linke selber, wie Hans-Eckardt Wenzel, der vor Jahrzehnten schon über seine vegane, alternativ speisende und verreisende Freundin reimte: »Ein Bettler lümmelte sich vis-à-vis / Mit Büchsenbier auf seiner Decke,/ Da hob sie den Mittelfinger und schrie: / Du Umweltsau verrecke! / Ihr Fahrrad war teurer als all mein Gut. / Sie radelte, ohne zu fragen, / Mit mir im Schlepptau zur Mittagsglut / In ihren Bio-Laden.«

 

Was es schon immer gab, nicht erst, seit 1935 das Bild des Führers unauslöschlich den Massen nahegebracht werden sollte: nazinahe Schriftsteller, teutsche Musiker und völkische bildende Künstler. Im »Tausendjährigen Reich« kamen sie auf eine »Gottbegnadeten-Liste«.

Den Trubel um die Leipziger Jahresausstellung wegen des Bildermalers Axel Krause haben wir derzeit hautnah. Der hoch gelobte Schriftsteller Uwe Tellkamp sieht einen »Gesinnungskorridor«, wenn man seine Meinung, dass 95 Prozent der Flüchtlinge nur in unsere Sozialsysteme einwandern wollen, als Blödsinn abtut. Auch einen Liedermacher, natürlich völkisch, gibt es: Frank Rennicke. Den seine nazionaldemokratischen Freunde schon mal als Bundespräsidentenkandidaten aufstellten. Doch eigentlich haben sich AfD-freundliche Haltungen bislang nur im Konzert-Musikbetrieb durchgesetzt: »Rechtsrock« ist eine Marke, die man nicht ignorieren kann. AfD- und NPD-Wahlergebnisse in und um Hildburghausen, allwo Rechtsrock ständig im Wehrmachtsrhythmus dröhnt, korrespondieren mit dem dortigen Nazi-Konzert-Veranstalter Tommy Frenck.

Aber Kabarett? Jene Kunstform, die ohne jüdische Deutsche, also Zuwanderer, hierzulande nie zu wirklicher Blüte gelangt wäre? Die nicht bumm-bumm sondern bim-bim macht? Ein Genre, zu dem Ironie gehört. Die die Ur-Nazis nie ohne »zersetzend« benannten?

 

Lassen wir also die Frage für heute unbeantwortet stehen: Gibt es AfD-Kabarett?