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Titel1315

Worthülsen  (Christophe Zerpka)

Nicolas Sarkozy hatte eine geniale Idee: Warum nicht einfach in dem Land, welches die moderne Republik erfunden hat, seine zerrüttete Union pour un mouvement populaire (UMP) in »Les républicains« umbenennen? Die französischen Rechtskonservativen, die sich immer noch auf de Gaulle berufen, haben schon häufig ihren Namen geändert, vor allem nach Wahlniederlagen und dem dann fälligen Führungswechsel. Am 31. Mai hat sich die Union für eine Volksbewegung nun den Namen Die Republikaner gegeben. Einfach so. Zu noch mehr Verwirrung steuerte die Argumentation von Sarkozy bei, die regierende Parti socialiste (PS) von Präsident Hollande sei vor allem sozialistisch, während seine Partei das republikanische Frankreich verkörpere.


Nun ist die Republik in Frankreich im Gegensatz zu anderen Ländern immer noch ein halbwegs sakrosankter Begriff. »Republik« – das Wort hat in Frankreich eine ganz besondere Bedeutung, die sich aus der Geschichte erklärt. Immerhin lebt das Land schon in seiner fünften Republik, die Deutschen erst in der zweiten. Wer in Frankreich eine politische Rede hält, beendet diese stets mit einem feierlichen »Vive la république« und läßt erst danach Frankreich hochleben. Selbst der Front National hat sich – wenn auch spät – unter der neuen Vorsitzenden Marine Le Pen zur Republik bekannt. Wenn nun eine Partei es wagt, die Grundlage des Staates als »geschütztes Markenzeichen« eintragen zu lassen, bleibt die Empörung bei andern Parteien nicht aus. Der ehemalige Bildungsminister Luc Ferry brachte es auf den Punkt: »Die Republikaner, als ob die anderen keine seien! Der Gipfel an Lächerlichkeit, eine intellektuelle und historische Hochstapelei ...«


Am 26. Mai wies die französische Justiz jedoch einen Eilantrag ab, der es der Sarkozy-Partei untersagen sollte, den Namen zu führen. Die Kläger, Parteien, Vereinigungen sowie 143 Privatpersonen, wollen in Berufung gehen. Auch die Franzosen sind mehrheitlich der Meinung, daß eine Partei nicht das Recht haben sollte, sich den Begriff »Republikaner« einzuverleiben. In einer Umfrage sprachen sich 68 Prozent dagegen aus, selbst die Anhänger der neuen Partei lehnen zu 40 Prozent die Umbenennung ab.


In anderen Ländern werden Republikaner schon lange nicht mehr mit den Werten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gleichgesetzt. In den USA sind die Republikaner jene Seite der Wahlmedaille, auf der nicht »Demokraten« steht, Kopf oder Zahl. In Deutschland kann sich eine rechtsextreme Partei problemlos »Die Republikaner« nennen, ohne daß sich jemand darüber aufregt. Vielleicht hätte man Anstoß genommen, wenn es um »Die Demokraten« gegangen wäre. Aber auch die Demokratie ist längst zur Worthülse geworden, spätestens, nachdem die Kanzlerin das Adjektiv »marktkonform« hinzugefügt hat.


Reformen! Noch so ein Wort, welches seine Unschuld schon lange verloren hat. Was einst eine Verheißung war, klingt jetzt wie eine Drohung. Reform, das bedeutet heute im Zweifelsfall für den größten Teil der Bevölkerung höhere Ausgaben und schlechtere Lebensbedingungen. Mehr Eigenverantwortung. Ein Synonym für »Zahl‘s selbst!« Oder das hehre Ziel der Inklusion, wer sollte es wagen, dagegen zu sein. Aber es geht leider vor allem um die schwarze Null im Bildungsetat. Immer mehr Begriffe werden im Sinne des Orwellschen Neusprechs mit neuen oder nichtssagenden Inhalten gefüllt.


Parteinamen! Wie schön harmlos und banal klang doch Union für eine Volksbewegung, bevor daraus Die Republikaner wurden. Oder die Christdemokraten. Jeder gläubige Christ müßte diese Leerformel anprangern. Die Freien Demokraten. Warum nennen sie sich nicht einfach Freie Unternehmer? Die europäische Sozialdemokratie betreibt mit ihrer Marke schon lange einen fatalen Etikettenschwindel. Die österreichischen Kabarettisten »Gebrüder Moped« haben es jüngst mit einem »Produktrückruf« plakativ auf den Punkt gebracht: Bei dem im Zuge der letzten Nationalratswahl ausgehändigten Produkt SPÖ liege ein Produktionsfehler vor. Leider finde sich der im Beipacktext angeführte Inhaltsstoff »Sozialdemokratie« gar nicht oder nur in Spuren. Ein Umtausch wird empfohlen.