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Die Zukunft schon vergangen  (Monika Köhler)

Das Bucerius Kunst Forum liegt nur einen Steinwurf weit vom Hamburger Rathaus. Dort, im Senat, regiert Wirtschaftssenator Frank Horch, der in Tatgemeinschaft mit Exxon-Mobil das Trinkwasser der Hamburger Bürger durch Fracking zu vergiften droht. Hier im Kunstforum präsentiert sich bis 20. September die Schau: »Über Wasser. Malerei und Photographie von William Turner bis Olafur Eliasson«.


In einer Kunstausstellung ist die Verschmutzung des Trinkwassers schwer darzustellen. Vielleicht in einem Gespräch, das am 1. Juli dort geplant ist mit Christa Goetsch, der ehemaligen Zweiten Bürgermeisterin Hamburgs, mit Ortrud Westheider, der Direktorin des Bucerius Kunst Forums. Titel: »Wir drehen den Hahn auf.« Das Programmheft glaubt: »Während in vielen Teilen der Welt Wasser Mangelware ist, braucht sich Hamburg noch keine Sorgen um sein Trinkwasser zu machen.« In der Pressekonferenz warnte der Mitkurator der Ausstellung, Ulrich Pohlmann, davor, daß Kriege der Zukunft um Wasser geführt werden. Im Katalog (240 Seiten, 29 Euro, Hirmer Verlag) schrieb Pohlmann das Kapitel »Mare Nostrum. Mare Mortuum? Das Meer als Fluchtweg und Symbol der Migration«. Dazu ein Exponat der deutschen Photographin Eva Leitolf, ein Teil ihres Langzeitprojekts »Postcards from Europe. Work from the ongoing archive« ist die Photographie »Guitgia, Lampedusa, Italien« von 2012. Was sehen wir? Ein leicht bewegtes Meer, darüber ein Himmel mit Wolken. Nur das Wissen erschließt das Bild. Daneben ein Stapel Postkarten, die der Besucher lesen muß, will er verstehen. Ein Vorfall vom Mai 2009. Da wurden 200 Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia nach Libyen zurückgebracht – ohne einen Asylantrag stellen zu können. Am 23. Februar 2012 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den italienischen Staat zu Entschädigungszahlungen an die noch lebenden Abgeschobenen. Amnesty sah darin einen »Wendepunkt« für den Schutz von Emigranten auf hoher See – damals. Was heute dort geschieht, ist längst gewohnte Tagesschau. Der Photograph Thomas Höpker zeigt in seinem Bild den Grenzzaun der USA am Pazifik bei Tijuana, Mexiko, 1995. Ein Mensch steht winzig vor dem meterhohen Metallzaun.


Die Ausstellung ist unter dem Titel »The day will come when water matters« auch Teil der Triennale der Photographie in Hamburg 2015. Gegliedert in sieben Kapitel – Tropfen, Wasser im Fall, Reflexionen, Welle, Eis und Schnee, Menschen im Wasser und unbezähmbares Element – ermöglicht sie den Vergleich der Medien. Bei den Bildern von Wassertropfen dominiert die Photographie. Zur Welle: Hokusais berühmter Farbholzschnitt neben Victor Hugos Gouache »Mein Schicksal« (1867), oder Gustave Courbets »Brandungswogen mit drei Segelschiffen« (um 1870), ein Ölbild. Claude Monet schuf 1888 das Gemälde »Das Meer bei Antibes« in glühenden Farben des Sonnenuntergangs. Ein kleines Ölbild von Max Beckmann »Blick aus der Schiffsluke«, das er bezeichnenderweise 1934 malte: Alles steht schief. Die Welt ist aus den Fugen. Als Kontrast daneben hängt das Gemälde von Gerhard Richter »Seestück (bewölkt)«, zwei mal zwei Meter groß von 1969 – keine aufgewühlte See. Das Bild von Li Trieb »Regen IV« wirkt wie ein Photo, aber es ist eine Zeichnung, minutiös mit Bleistift und Pigment gefertigt in 14.620 Minuten. Von der Künstlerin notiert: gezeichnete Zeit.


Komisch: »Klub der dicken Frauen, Paris«, genüßlich das Türkische Bad auskostend. Ein Photo von William Klein, 1990–1992 entstanden. Eher traurig: der »Ocean Dome, Miyazaki, Japan«, 1996, ein C-Print von Martin Parr. Alles künstlich, das Meer, der Himmel, die Palmen, der Strand. Nur die vielen Menschen leben – wirklich? Die Reflexionen sind meistens photographiert, wunderschöne graphische Effekte. Auch der große Inkjet Print »Bangkok II« (2011) von Andreas Gursky: auf schwarzem Wasser Spiegelungen, spielzeugbunt. Daß es Abfall ist – man sieht es nicht.


Die Aufnahmen von Inge Rambow »Wüstungen« dokumentieren Landschaften im Osten Deutschlands – als Bild schön, aber zerstört, wie ausgeweidet. Schreckensvisionen der Zukunft im Schlußkapitel. Manchmal auch schon Gegenwart, wie der Pigmentdruck von Robert Longo »Drachenkopf« (2005) aus der Serie Monster: eine riesige Tsunami-Welle. In Andreas Müller-Pohles »Hong Kong Waters« scheint die Stadt im Wasser zu versinken, nur die Hochhäuser sind noch zu sehen. Des Isländers Olafur Eliasson »Ice Melting Series«, Hoffnung und Schrecken zugleich: ein wie ein Kampfflugzeug geformter Eisblock schmilzt auf 12 C-Prints restlos dahin. Aber auch die Gletscher schmelzen. Das letzte Bild der Ausstellung, die Collage von Pablo Genovés »Mar Tendida« (2011). Da wird eine barocke Bibliothek mit Deckengemälden von anbrausenden Wellen verschlungen. Raffiniert gemacht, wie ein altes vergilbtes Photo – als sei die Zukunft schon vergangen.