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Gaucks antikommunistischer Komplex  (Conrad Taler)

Er war in Oradour und in Lidice, und er hat auch Distomo besucht, das kleine griechische Dorf, das, wie die beiden anderen Orte, zum Inbegriff der deutschen Schreckensherrschaft während des Zweiten Weltkrieges geworden ist. Überall hat er sich entschuldigt und um Vergebung gebeten, nur das Land, das am meisten gelitten hat, hat Joachim Gauck als Bundespräsident nicht besucht – Russland. Sollte es wirklich daran liegen, dass er als Elfjähriger erleben musste, wie der Vater wegen seiner Nazivergangenheit von den Sowjets verhaftet und zu vier Jahren Haft verurteilt wurde? Vielen ist es so ergangen, ohne dass die Betroffenen deswegen für den Rest ihres Lebens einen nicht zu übersehenden Hass auf den Kommunismus als Menschheitsidee entwickelten, wie er bei Joachim Gauck zu beobachten ist, der doch als ehemaliger Pastor eher dem Gedanken der Versöhnung zuneigen sollte.

 

Als antikommunistische Dissidenten aus Osteuropa in Prag eine »Erklärung zum Gewissen Europas und zum Kommunismus« beschlossen, gehörte Joachim Gauck, da war er noch nicht Bundespräsident, zu den Erstunterzeichnern. Wie die Initiatoren verlangte er eine Änderung der Schulbücher und einen gemeinsamen europäischen Gedenktag für die Opfer Hitlers und Stalins. Als Datum wurde der 23. August vorgeschlagen, der Tag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Das Europäische Parlament entsprach der Forderung im Schnelldurchgang.

 

2006 verteidigte Gauck die ehemalige lettische Außenministerin und EU-Kommissarin Sandra Kalniete, die auf der Leipziger Buchmesse mit ihrer Aussage, Nationalsozialismus und Kommunismus seien gleichermaßen kriminell gewesen, einen Eklat verursacht hatte. Salomon Korn und andere Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland verließen die Veranstaltung unter Protest. Korn begründete seinen Weggang mit den Worten, man dürfe nicht den Nationalsozialismus, der 48 Millionen Menschen das Leben gekostet habe, mit dem Kommunismus gleichsetzen. In einer Rede zum Thema »Welche Erinnerungen braucht Europa?« stieß sich Gauck daran, dass man Sandra Kalniete »barsch« entgegengehalten habe, sie solle zuvörderst der Helfer der Nazis gedenken, die bei der Judenvernichtung mitgewirkt hätten. »Ich kann mich nicht daran erinnern«, sagte er, »dass man Frankreich vom Ausland aus seinerzeit so auf Vichy angesprochen hat.« Das Frankreich der Nachkriegszeit habe »sich selbst seine Resistance« geglaubt und danach mit der »Bearbeitung der lange verdrängten Kollaboration« begonnen.

 

Diese unverhüllte Brüskierung Frankreichs hätte Joachim Gauck eigentlich für ein hohes Staatsamt disqualifizieren müssen. Stattdessen wurde er von SPD und Grünen als Kandidat für das Präsidentenamt nominiert und bei der nächsten Wahl tatsächlich in das höchste Staatsamt gehievt. Kurz danach meinte Gauck, Thomas Manns »Diktum« vom Antikommunismus als Grundtorheit der Epoche entsorgen zu müssen. Das stamme aus der Zeit des Kalten Krieges. Es gebe auch einen anderen Antikommunismus, der aus Leid und Erfahrung entstanden sei. Für ihn und unzählige Menschen in Mittel- und Osteuropa, so Gauck am 17. Juni 2013, sei »dieser aufgeklärte Antikommunismus nicht nur ein Erfordernis zur Verteidigung unserer politischen Kultur, sondern auch – als Empathie mit den Opfern – ein Gebot des Humanismus.«

 

An die Adresse Israels gerichtet sagte Gauck 2015 zum 50jährigen Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen: »Wir werden nicht zulassen, dass das Wissen um die besondere historische Verantwortung Deutschlands verblasst.« Im selben Jahr war Gauck als Staatsgast in Israel. Wird er sich während seiner verbleibenden Amtszeit vielleicht doch noch zu einem Besuch Russlands aufraffen? Die Süddeutsche Zeitung sprach Gauck in der Ausgabe vom 2./3.5.2015 auf sein gespanntes Verhältnis zu Russland an: »Ihre Haltung gegenüber der russischen Regierung ist bekanntermaßen kritisch. Nach Moskau dürften Sie nicht mehr eingeladen werden. Bedauern Sie das?« Seine Antwort: »Anders als manche Beobachter mutmaßen, habe ich überhaupt kein Problem mit Russland und seinen Menschen.«