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Titel1317

Umschreiben kommt nicht infrage  (Otto Köhler)

Ob etwa seine Fakten nicht stimmen, will Conrad Taler vom Lektor des hochangesehenen Verlags C.H.Beck wissen. Nein, nein, das sei es nicht, windet sich der: Die Fakten stimmen. Aber er, Conrad Taler, würde sie falsch deuten. Er müsse sein Buchmanuskript umschreiben.

 

Das tat er nicht. Die deutsche Geschichte so korrekt zu deuten, wie es dieser Riesenfachverlag für die Elite der westdeutschen Zeithistoriker fordert, das brachte Conrad Taler nicht fertig. Sein Buch über den bundesdeutschen Umgang mit dem Rechtsradikalismus erschien dann 1997 im kleinen, aber weltoffenen Bremer Donat Verlag.

 

Der Verlag C.H.Beck aber will sich auch von der Welt da draußen nichts vorschreiben lassen, was sich seiner korrekten deutschen Geschichtsauffassung widersetzt. Entsetzt weigerte der sich 2005, in der mit fünf anderen europäischen Verlagen betriebenen Reihe »Europa bauen« die in den anderen Ländern schon verlegte »Geschichte der Demokratie« des italienischen Altphilologen Luciano Canfora herauszubringen. Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach da von einem »Skandal im europäischen Buchwesen«. Fassungslos verschickte Beck-Cheflektor Detlef Felken an anfragende Kritiker ein Sendschreiben, in dem er mit einem »Gutachten« seines Verlagsautors Hans-Ulrich Wehler begründete, warum der Beck-Verlag nie und nimmer Canforas Demokratiegeschichte drucken kann. Es sei, schüttelte sich Felken, »das älteste Klischee«, dass Hitler mit Hilfe der deutschen Großindustrie an die Macht gekommen sei, und Wehler empörte sich, »mit der Unterstützung durch die deutsche Großwirtschaft« habe »Hitlers Einrücken in das Reichskanzleramt« nichts zu tun. Dieser »Mythos« sei »endgültig zerstört«.

 

Auch Conrad Taler hat längst erkannt, dass er mit seinem Buchmanuskript die C.H.Becksche Verlagsanstalt bis ins Mark getroffen hat. In seinem Manuskript gab es ein Kapitel über die heimliche Kumpanei zwischen dem Verfassungsrechtler Theodor Maunz und dem Verleger der Münchner Nationalzeitung, Gerhard Frey, der Chef der Neonazipartei DVU war. Und Maunz war – und ist wohl noch immer – der wichtigste und einträglichste Verlagsautor der juristischen Abteilung von C.H.Beck.

 

Ende 1957 war Maunz für die CSU in Bayern Kultusminister geworden, obwohl er 1933 sofort in die SA und in die NSDAP gelaufen war und sich bald an die »Überwindung des bürgerlich-rechtsstaatlichen Denkens« machte. Er wollte aus den »Wirklichkeiten des völkischen Lebens: Rasse, Boden, Führer, Gefolgschaft, Treue, Ehre« den »Neubau« der Rechtswissenschaft vollziehen. So schrieb er es 1936 in der Zeitschrift Deutsches Recht. Und in dem Sammelband »Deutsches Verwaltungsrecht« erfreute ihn ein Urteil von 1934 über den »inhaltlichen Wandel des Begriffes eines ›unbescholtenen Lebenswandels‹ einer deutschen Frau, die einen Juden geheiratet hat«. Das sei ein »begrüßenswertes Ergebnis«, jubelte er.

 

An diesem Maunz gerührt zu haben, das hatte Conrad Taler beim Verlag C.H.Beck unmöglich gemacht. Er war und ist mit dem Grundgesetzkommentar, dem noch immer »herrschenden«, er hat ihn zusammen mit Roman Herzog verfasst, das Brotgeschäft des Verlags. Es ist der Kommentar, der mit seiner Auslegung des Artikels 139, die Bundesrepublik, so wie sie heute ist, im Innersten zusammenhält. Der Artikel 139 sah die Weitergeltung der »zur ›Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften« vor. Für Maunz verstieß das – in seiner Grundgesetzauslegung – gegen die Menschenwürde. Und Herzog – in einer späteren Auflage – eskamotierte ganz einfach diesen Artikel aus unserer Verfassung: Er sei »obsolet«. Veraltet, nicht in unsere Zeit passend (siehe auch Ossietzky 2/2017).

 

Wie hätte da der Verlag C.H.Beck Conrad Talers Manuskript drucken können. Da stand doch, dass der Neonazi-Führer Gerhard Frey sich nach dem Tod von Maunz rühmte, er sei sein »wundervoller Wegbegleiter« gewesen. Maunz habe in seinen letzten fünfzehn Jahren regelmäßig, wenn auch anonym, für die National-Zeitung geschrieben, er habe Freys DVU beraten, wenn sie mal wieder juristische Probleme hatte. Und er konnte das alles beweisen.

 

Talers Manuskript traf C.H.Beck in seinem Kerngeschäft. Und deshalb gab es nur eins: Umschreiben, umschreiben, umschreiben.

 

Aber das ist etwas, was Conrad Taler nicht kann. In seiner ganzen Auseinandersetzung mit allem was die Bundesrepublik, auch und gerade in ihrer erweiterten Neuauflage von 1990, zusammenhält.

Glückwunsch Conrad Taler.