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Titel1412

Finanzeuropa will ermächtigt werden  (Arno Klönne)

Bundestag und Bundesrat haben den Fiskalpakt und den »Rettungsfonds« ESM abgesegnet, die SPD und die Grünen trotz einigem Theaterdonner mehrheitsbeschaffend mitgetan. Opponenten, die Abgeordneten der Linken und der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler, suchen Hilfe beim Bundesverfassungsgericht; daß dieses die Gesetzeswerke zu Fall bringt, ist aber nicht zu erwarten – oder unterschätzen wir es?

Wie das künftige europäische Finanzregime funktionieren soll, wissen die VolksvertreterInnen nicht, sie gaben insofern den »Machern« eine Blankovollmacht; wer nun diese entscheidenden Akteure sind, weiß das schlichte Parlamentsmitglied allerdings auch nicht. Eindeutig ist nur das handlungsleitende Prinzip: Auf keinen Fall darf die Politik Mißtrauen beim Finanz-»Markt« erregen. Vertrauensbildend beim Publikum sind die parlamentarischen Prozeduren nicht, also macht sich die politische Klasse Gedanken, wie sie ihrem Tun mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern beschaffen kann. Besorgt betrachtet besonders der gemeine Steuerzahler in der Bundesrepublik das Schauspiel der verwirrenden Aktion »Wir retten den Euro« in der Bundesrepublik; die Kanzlerin selbst hat ihn in dem Glauben bestärkt, die Südeuropäer wollten sich ein gutes Leben auf Kosten der deutschen Staatskasse machen. Und haben sie nicht jetzt die Bundesrepublik regelrecht erpreßt, Spanien durch den »Rettungsfonds« mit Kapital auszustatten? Kaum bemerkt wurde dabei, daß keineswegs der spanischen Bevölkerung, sondern den dortigen Banken unter die Arme gegriffen werden soll, zugunsten auch deutscher Finanzinvestoren.

Tiefe Verunsicherung herrscht in der Bevölkerung über den Lauf der Dinge in der Euro-Zone, über die eigene wirtschaftliche Zukunft. Da richten sich Erwartungen aufs »Durchgreifen« der Politik im europäischen Terrain, auf eine neue »Autorität«. Wie kann sie zustande kommen? Prominente deutsche Politiker, die bisher treue Verfechter des repräsentativen Prinzips in der Demokratie waren, haben sich bekehrt – sie bekennen sich nun zum Glauben an das Plebiszit: Direkte politische Entscheidungen des Volkes seien an der Zeit, demnächst über die Abgabe nationalstaatlicher Souveränität an »europäische Institutionen«, später als unmittelbare Wahl eines Europapräsidenten. Eine dementsprechende Ergänzung des Grundgesetzes könne zu Wege gebracht werden. Dabei geht es zunächst einmal um eine förmliche Verabschiedung vom Budgetrecht des Bundestages, der davon allerdings ohnehin keinen Gebrauch mehr macht, wenn die großen Rettungsschirme für das internationale Bankenwesen aufzuspannen sind; gelegentliche Einreden des Bundesverfassungsgerichts sind da nur lästig. Der Finanz-»Markt« will keinen parlamentarischen Sand im Getriebe, und seine Interessen nimmt dann demnächst eine politische Exekutive wahr, in der sich einige Regierungschefs, die Brüsseler Kommission und die Europäische Zentralbank die Arbeit teilen. Ein direkt gewählter Europapräsident hätte seine repräsentative Bedeutung. Selbstverständlich würden in diesem etwas unübersichtlichen Regierungssystem die wirtschaftlich Starken den Ton angeben, vor allem die Bundesrepublik nach dem Motto: Wer zahlt, bestellt die Musik. Und der europäische Fiskalpakt ließe sich so in eine deutsch dominierte Hoheitsverwaltung der Staatsleistungen und der sozialen Verhältnisse in den einzelnen Ländern umsetzen, damit dort das wertvolle Kapital nicht durch politische »Wohltäter« an die Unterschichten verschleudert wird. Soll ein solches Modell von europäischer Regulierung einigermaßen reibungslos eingeführt werden, braucht es so etwas wie Legitimation bei denen, die ihm unterworfen sein werden. Das mindert Reibungen. Diese Bestätigung läßt sich am besten plebiszitär beschaffen, vorausgesetzt, die Betreiber der »Reform« haben die Herrschaft über das Verfahren in der Hand, setzen für eine Volksabstimmung oder Volkswahl selbst die Themen, formulieren die zu entscheidenden Fragen, machen das personelle Angebot für die europäische Spitzenperson. Die Leitmedien werden ihnen dabei gern behilflich sein. Und in der Bundesrepublik auch das Kartell der regierenden oder »regierungsfähigen« Parteien. Eine ideale Lösung: »Direkte Demokratie«, von oben dirigiert. Kommt später unten Murren wegen der Folgewirkungen auf, läßt sich sagen: Ihr habt es mehrheitlich selbst so gewollt.