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Titel1414

Meine BpB lob ich mir  (Ralph Hartmann)

Kurze Fragen sind häufig aussagekräftiger als lange Antworten. Von dieser Erkenntnis ließ sich offenkundig eine linksautonome Vereinigung leiten, als sie ein »BRD-Quiz« ins Netz stellte. Die zehn Fragen lauten:
Frage 1: Wann wurde in den westdeutschen Besatzungszonen und in Westberlin eine separate Währung eingeführt? Frage 2: Wann wurde die Bundesrepublik Deutschland (BRD) gegründet? Frage 3: Wie viele ehemalige Mitglieder der NSDAP gehörten der ersten Adenauer-Regierung an? Frage 4: Wann trat die BRD dem NATO-Pakt bei? Frage 5: Beteiligte sich die BRD an dem ohne UN-Mandat geführten Aggressionskrieg gegen das ehemalige Mitgliedsland der Anti-Hitler-Koalition Jugoslawien? Frage 6: Wer sprach die berühmten Sätze: »Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb« und »Wir sollten jetzt mit der Naziriecherei Schluß machen«? Frage 7: Wie groß ist die Zahl der Armen in der BRD? Frage 8: Wie viele Milliardäre und Millionäre gibt es in der BRD? Frage 9: Wann wurde die in der DDR gegründete Treuhandanstalt zum Schutz des Volkseigentums in eine Einrichtung zur Privatisierung dieses Eigentums verwandelt? Frage 10: Wie viele ost- und westdeutsche Bürger haben nach dem Anschluß der DDR ihre Verfassungsschutzakten eingesehen?

Im Internet kann unter dem Stichwort »DDR-Quiz« auch ein Ratespiel zum untergegangenen ostdeutschen Staat aufgerufen werden, mit dem ebenfalls zehn Fragen zu beantworten sind. Diese lauten: Frage 1: Wann wurde die DDR gegründet? Frage 2: Wann begann der Bau der Berliner Mauer? Frage 3: Wie viele Menschen starben bei dem Versuch, aus der DDR zu fliehen? Frage 4: In welcher Stadt fanden die ersten sogenannten Montagsdemonstrationen statt? Frage 5: Wer sprach den wohl berühmtesten unvollendeten Satz der Wendezeit »Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise ...«? Frage 6: Wann wurden am 9. November 1989 die ersten Grenzübergänge geöffnet? Frage 7: Wer war der letzte Ministerpräsident der DDR? Frage 8: Nach welchem Artikel des Grundgesetzes erfolgte der Beitritt der DDR zur BRD? Frage 9: Wie viele Ostunternehmen wurden nach der Wende an private Investoren verkauft? Frage 10: Wie viele Menschen haben seit der Wiedervereinigung ihre Stasi-Akte eingesehen?

Und zu den vielen Fragen gleich noch eine: Worin besteht der Unterschied zwischen den beiden »Quiz-Veranstaltungen«? Die Antwort ist nicht überraschend. Die erste ist fiktiv, erfunden. Im Netz ist sie in dieser Form nicht zu finden. Wie denn auch anders? Schließlich ist die Bundesrepublik ein lupenreiner Rechtsstaat, in dem die Menschenrechte geachtet werden, soziale Gleichheit ein ehernes Gesetz ist und vom ersten Tag ihres Bestehens an eine beispielhafte Friedenspolitik betrieben wird. Die zweite ist real, es genügt, im Internet die BpB, die Bundeszentrale für politische Bildung, unter www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit/77354 aufzurufen und schon kann der interessierte Netzbesucher das »DDR-Quiz«, die Fragen und die gewünschten Antworten nebst fachspezifischen Erläuterungen finden. Aber allein schon die Fragen suggerieren: Die 1949 gegründete DDR baute mir nichts, dir nichts die Berliner Mauer, an der viele Menschen, die aus dem Land fliehen wollten, starben, solange bis die DDR-Bürger auf sogenannten Montagsdemonstrationen protestierten bis schließlich am 9. November 1989 die Grenzübergänge geöffnet werden mußten, die SED gestürzt wurde, die CDU die Macht übernahm, Ostdeutschland der BRD beitrat und seine volkseigenen Betriebe mit Hilfe der Treuhandanstalt an private Investoren verkaufte und die Menschen endlich ihre Stasi-Akten einsehen konnten.

So plastisch, so schnell und so überzeugend kann Geschichte vermittelt werden. Zehn kurze Fragen genügen, um das Wesentliche eines langen historischen Prozesses zu vermitteln. Das ist selten erfolgreich, aber einer, dem Bundesminister des Inneren unterstellten und mit vielen Millionen DM und Euro gefütterten Einrichtung gelingt das: der in der Weimarer Republik gegründeten »Reichszentrale für Heimatdienst«, die sich seit 1963 ausgerechnet »Bundeszentrale für politische Bildung« (BpB) nennt. Zweifellos trägt sie den Namen zu Recht, denn in einem vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily unterzeichneten »Erlaß« vom 24. Januar 2001 heißt es im § 2 eindeutig: »Die Bundeszentrale hat die Aufgabe, durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewußtsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken.« Dieser hehren Aufgabe wird sie im vollen Umfang gerecht. Keinesfalls zufällig wird sie deshalb im »Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur« von 2013 unmittelbar nach der Eppelmann-SED-Diktatur-Aufarbeitungsstiftung ausführlich gewürdigt und hervorgehoben:
»Die Auseinandersetzung mit der deutschen Zeitgeschichte gehört seit jeher zu den Kernaufgaben der Bundeszentrale für politische Bildung, einer Behörde im Geschäftsbereich des BMI. Insofern nimmt auch die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur sowie der deutschen Teilung und Vereinigung und damit auch deren Aufarbeitung eine zentrale Stellung in der Arbeit der BpB ein. Seit dem Mauerfall am 9. November 1989 hat sich die Bundeszentrale für politische Bildung zunächst noch in der DDR, dann in den neuen Ländern engagiert … In den vergangenen Jahren hat die BpB in nahezu allen Produktsparten und Formaten – von Print über Online bis hin zu Veranstaltungen – ein umfassendes Standardangebot zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR entwickelt, das kontinuierlich ausgebaut und aktuellen Anlässen entsprechend angepaßt wird. Wichtiges Anliegen ist es, insbesondere auch junge Menschen, die die Zeit der deutschen Teilung selbst nicht erlebt haben, für das Thema zu interessieren, um durch die Herstellung historischer Bezüge das Bewußtsein für Freiheit, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte zu stärken.«

In der »Produktionssparte Online« setzt der »DDR-Quiz« ganz gewiß einen Glanzpunkt. Hier wird die Geschichte auf den Punkt gebracht.

Mit dieser anspruchsvollen Zielsetzung ist die Bundeszentrale regelmäßig auch mit einem eigenen Stand auf der Leipziger Buchmesse vertreten und heimst dafür so manche Lorbeeren ein. Ob solchen Lobes kann einem unwillkürlich das Zechgelage in Auerbachs Keller in den Sinn kommen, in den Mephistopheles den Faust führt, Trunkenbold Brander seinen Saufkumpan Frosch auf deren wunderliches Aussehen und anscheinende Ankunft von einer Reise aufmerksam macht, worauf dieser – offen gestanden stark abgewandelt – ausruft: »Wahrhaftig, du hast recht. Meine BpB lob ich mir! Es ist eine wahre Akademie und bildet ihre Leute.« Eigentlich müßte man nicht einmal den Weimarer Dichterfürsten bemühen und ihn zudem verballhornen, es genügte schon in die »Flegeljahre« von Jean Paul zu schauen, um festzustellen: »Lob ist Luft, die das einzige ist, was der Mensch unaufhörlich verschlucken kann und muß«, Lobhudelei gibt es gar viel. Ein Beispiel soll genügen. Als die Bundesrepublik den Zerfall der jugoslawischen Föderation vorantrieb, den blutigen Bürgerkrieg befeuerte und den kroatischen Separatstaat trotz aller Warnungen übereilig anerkannte, da sangen die vom serbisch-kommunistischen Joch Befreiten: »Danke, Deutschland, mein Herz steht in Flammen. Danke, Deutschland, für das hehre Geschenk.« Ich, ein von der SED-Diktatur Erlöster, bin bescheidener: »BpB – ich danke Dir.«