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Titel1508

Kampagnen gegen Moscheen  (Ulla Jelpke)

Vom 19. bis 21. September 2008 soll in Köln ein »Antiislamisierungskongreß« stattfinden. Veranstalter ist die rechtsextreme Bürgerbewegung Pro Köln, die auch im Stadtrat vertreten ist. Es wird mit 1000 Kongreßteilnehmern aus ganz Europa gerechnet. Angekündigt sind der Vorsitzende der französischen Faschistenpartei Front National, Jean-Marie Le Pen, und aus Belgien der Vorsitzende des rechtsextremen Vlaams Belang, Filip Dewinter, sowie Vertreter der FPÖ aus Österreich und der Lega Nord aus Italien. Aus Deutschland werden nach Veranstalterberichten unter anderen der Herausgeber der rechtsextremen Theoriezeitschrift Nation&Europa, Harald Neubauer, und der nach Rechtspopulismus-Vorwürfen aus der CDU ausgetretene sächsische Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche sowie Vertreter von Pro Köln als Redner aufteten. Der Kongreß mit dem Untertitel »Nein zu Moscheebau, Nein zu Minaretten, Nein zu Muezzinruf« ist ein neuer Höhepunkt einer spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 losgebrochenen Hetze gegen Menschen muslimischen Glaubens und gegen Zuwanderer besonders aus der Türkei und dem Nahen Osten.

Die immer rabiatere Islamhetze gehört zur psychologischen Aufrüstung des Westens für seine imperialen Kreuzzüge gegen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens – von Afghanistan über Palästina und den Irak bis womöglich bald zum Iran. Sie dient zugleich auch zur Begründung immer neuer »Sicherheitsgesetze«, mit denen in Deutschland und anderen westlichen Staaten demokratische Grundrechte abgebaut werden. Flüchtlinge und Migranten insbesondere aus islamischen Ländern sind generell verdächtig, terroristische Absichten mit sich zu führen, und je angepaßter und integrierter einer ist, desto gefährlicher erscheint er. Es könnte sich ja um »Schläfer« handeln. »Der Antiislamismus ist auf dem besten Wege – um ein geflügeltes Wort Thomas Manns über den Antikommunismus im 20. Jahrhundert zu benutzen –, zur Grundtorheit unseres Jahrhunderts zu werden«, so der Berliner Rechtsanwalt Eberhard Schulz (womit allerdings nicht gesagt ist, daß der Antikommunismus schon überwunden wäre).

Islamophobie aus der Mitte der Gesellschaft
Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer konstatiert in seiner jährlichen Studie »Deutsche Zustände« eine »steigende Islamophobie« in Deutschland, die sich durch alle Schichten zieht und auch die Gebildeten erfaßt hat. Gut ein Viertel aller befragten Deutschen sind demnach der Meinung, es sollten keine Muslime mehr nach Deutschland zuwandern. Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie vom Mai 2006 sprachen sich 56 Prozent der Befragten für ein Verbot von Moschee-Neubauten aus, weil in »manchen islamischen Ländern keine Kirchen gebaut werden dürfen«. Ebenfalls 56 Prozent sehen einen »Kampf der Kulturen« zwischen Islam und Christentum im Gange. Zwei Jahre zuvor vertraten erst 46 Prozent der Befragten diese These. Ein großer Teil der Bevölkerung befürwortet erhebliche Eingriffe in das Grundrecht der Religionsfreiheit. 40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: »Um zu verhindern, daß es zu viele radikale, gewaltbereite Moslems in Deutschland gibt, sollte man die Ausübung des islamischen Glaubens in Deutschland stark einschränken.«

In den Medien findet man den Islam häufig als eine gewalttätige und archaische »Ausländerreligion« dargestellt. Barbarische Verhaltensweisen wie Ehrenmorde, die ihre Ursachen in überlebten Feudalstrukturen haben, werden dem Islam oder »den Türken« insgesamt zugeschrieben. Jugendgewalt ist angeblich aus kulturell-religiösen Hintergründen zu erklären; damit erspart man es sich, die soziale Situation der Täter zu analysieren. Die Gleichung Migranten = Moslems = Extremisten durchzieht die gesamte Zuwanderungsdiskussion.

Konservative Politiker scheinen sich plötzlich um unterdrückte muslimische Frauen zu sorgen – und zögern dennoch nicht, diese zusammen mit ihren Männern aus Deutschland abzuschieben. Zeitungen wie Die Welt und die Frankfurter Allgemeine geben ausgewiesenen Feministinnen Platz für Kommentare – solange diese nur prügelnde türkische oder arabische Ehemänner attackieren. Doch auch einstmals fortschrittliche Bewegungen sind vor dem Gift des Islam-Hasses nicht gefeit. Vielmehr ist Islam-Bashing heute zum politisch korrekten Rassismus selbst in Teilen der antifaschistischen, der Frauen- und Schwulenbewegung geworden. Ein Berliner Schwulenmagazin titelte provokant: »Türken raus!« Eine notwendige ernsthafte Behandlung der Thematik homophober Gewalt durch Jugendliche mit Migrationshintergrund wurde so bereitwillig Stammtischparolen geopfert.

Ein weiteres Beispiel ist ein angeblich satirischer Artikel »11 Söhne« aus der sich selbst als antifaschistisch und links gebenden antideutschen Wochenzeitung Jungle World, der schlimmste sexistische und rassistische Vorurteile über Türken bedient. Da heißt es: »Zweite Sohn Orhan. Wenn er 17, ich sage: Oglum, milli olmanýn zamaný geldi; Meine Sohn, mussu nasyonal werde. Wir gehe Puff. Dort Schwuchtel in Angebot! Ich sage: Schwuchtel ficke nix schwul, aber wenn Schwuchtel dich ficke, ich deine Mutter ficke. Danach ich stolz. Gehe mit Orhan in Teehaus, rufe: Meine Sohn jetz nasyonal! Ich zahle und wir singe und tanse die ganse Nacht mit alle Mann.« Ein Ausrutscher ist das nicht. Vorausgegangen war eine ähnliche »Satire« in dem Blatt, die ebenfalls alle deutschen Stammtischklischees gegen Türken fütterte: »Alle sagen: ›Kreuzberg sehr türkisch‹, ›Kreuzberg nix Deutsch‹, ›Klein-Istanbul‹. Auch ich geglaubt das. Kollege in Türkiye, Kollege von Import-Export-Firma, hat er zu mir gesagt: ›Kreuzberg ist wie anatolisch Dorf, nur deutsche Staat zahle Kindergeld. Ich mach dich Kreuzberg!‹ Ich sofort zu Ayse und Zeynep und Safiye und Hafize gerufe: ›Alle Kinder einpacke, nix vergesse, in Kreuzberg wir braucht alle! Nur Fatma sofort verkaufe, brauche Geld für Otobüs!‹« Da werden Türken pauschal als arbeitsscheue Sozialschmarotzer diffamiert, wie wir es sonst nur aus der Presse der neofaschistischen Deutschen Volks-Union (DVU) gewohnt sind.

Ihre Steigerung findet solche Hetze von ehemals linker Seite in unzähligen Anti-Islam-Portalen im Internet, wo häufig in rassistischer, haßerfüllter Weise gegen Muslime und den Islam sowie allgemein gegen Migranten gehetzt wird. Auch unverhohlene Gewaltphantasien gegen Muslime teilen sich in den Gästebüchern dieser Websites mit. Zum zentralen Online-Forum der Islamhasser ist das Webportal politically incorrect mit nach eigenen Angaben 10.000 bis 20.000 täglichen Besuchern geworden.

Nur unwesentlich zivilisierter gibt sich der Spiegel-Journalist Henryk M. Broder als einer der führenden moslemfeindlichen Polemiker im Land. In seinem auch von der Bundeszentrale für politische Bildung vertriebenen Buch »Hurra, wir kapitulieren!« läßt Broder kaum ein antimuslimisches Klischee aus. Broder warnt vor der »Islamisierung« Europas und vor den »1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen«. Diese pauschale Verunglimpfung einer ganzen Religionsgruppe hinderte den Innenausschuß des Bundestages nicht daran, Broder auf Initiative der »Extremismus-Expertin« der CDU/CSU-Fraktion, Kristina Köhler, als Sachverständigen zur Anhörung über das Thema »Antisemitismus in Deutschland« einzuladen. Die Abgeordnete Köhler hatte zuvor bereits den CDU-Arbeitskreis »Extremismus und Islamismus« konstituiert. Zu Recht schreibt der Journalist Knut Mellenthin: Broders »Teilnahme an dieser Anhörung setzt, vielleicht unbeabsichtigt, ein fatales Signal: daß der deutsche Bundestag die Verunglimpfung von Menschen, Gruppen, Staaten und Religionsgemeinschaften nicht grundsätzlich und gleichermaßen ablehnt, sondern sie sehr unterschiedlich beurteilt – je nachdem, gegen wen sie sich richtet. Das ist geeignet, insbesondere bei jungen Moslems das Mißverständnis zu fördern, die Bekämpfung des Antisemitismus gehe auf ihre Kosten, und Widerwillen dagegen zu produzieren.«

Anti-Islam-Parteien
In Kampagnen gegen »den Islam« sieht die extreme Rechte in Europa ein Erfolgsrezept für ihre Propaganda. Statt hinter platten Parolen wie »Ausländer raus« verbirgt sich der Rassismus heute hinter populistischeren Parolen wie der Verteidigung der »deutschen Leitkultur« oder des »christlichen Abendlandes« gegen eine angeblich drohende Islamisierung. Solche Kampagnen sollen als Eintrittsticket für Rechtsextreme zur vielbeschworenen Mitte der Gesellschaft dienen. In Bürgerinitiativen gegen Moscheebau agieren häufig verhetzte Bürger, konservative Lokalpolitiker und Neofaschisten nebeneinander oder sogar Hand in Hand und negieren das Recht auf freie Religionsausübung für Menschen muslimischen Glaubens.

Vorreiter der Anti-Islam-Parteien ist die 1996 von ehemaligen Mitgliedern der rechtsextremen Liga für Volk und Heimat, der NPD und der Republikaner gegründete Bürgerbewegung Pro Köln mit ihrer Kampagne gegen einen Moscheebau in Köln-Ehrenfeld. Ausgehend vom Kölner Vorbild gründete sich die Partei Pro NRW mit Ablegern in rund einem Dutzend nordrhein-westfälischen Kommunen. Als Anti-Islam-Partei hofft Pro NRW bei der Kommunalwahl 2009 die Rathäuser zu erobern. Ebenfalls ausgehend von Pro Köln besteht seit 2005 eine Bürgerbewegung Pro Deutschland als bundesweiter Dachverband der Pro-Gruppierungen unter dem Vorsitz des Kölner Ratsherren Manfred Rouhs. Pro München zum Beispiel machte im bayerischen Kommunalwahlkampf im Winter 2008 Stimmung gegen den Neubau einer Moschee im Stadtteil Sendling, und in Berlin verteilten Pro-Deutschland-Anhänger Flugblätter gegen den Bau einer Moschee in Charlottenburg. Wo keine neuen Moscheen geplant seien, werde gegen die bestehenden gekämpft, erklärte Pro-NRW-Funktionär Markus Beisicht.

Der im März 2008 zu Pro Köln übergelaufene langjährige CDU-Ortsvorsitzende und frühere Vize-Bezirksbürgermeister in Köln-Ehrenfeld, Jörg Uckermann, sieht ein »sofort abrufbares Potential von bis zu 25 Prozent der Wähler für einen rechtspopulistischen Politikansatz«. Wichtig sei es, dafür mit den Medien zu spielen, man müsse »Stimmungen aufgreifen und kanalisieren«, schreibt er im rechten Strategieorgan Nation&Europa. Durch die Anti-Islam-Kampagne »greifen wir Sorgen und politische Forderungen auf, die in der einheimischen Bevölkerung absolut mehrheitsfähig sind, wie auch alle Meinungsumfragen bestätigen«. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hält einen Erfolg der antiislamischen Kampagne von Pro NRW und ähnlichen Gruppierungen für durchaus möglich; diese könnten im Westen der Bundesrepublik die NPD bei Wahlen überflügeln.

Auch die rechtsextremen Republikaner, die nach dem Aufstieg der NPD im rechtsextremen Lager bereits in der Bedeutungslosigkeit verschwunden zu sein schienen, sind auf den anti-islamischen Zug aufgesprungen. Ebenso wie ProKöln beteiligen sie sich an einem im Januar 2008 in Antwerpen zusammen mit Vertretern des Vlaams Belang, der FPÖ, des Front National und Alsace d`abord gegründeten »Städte-Bündnis gegen Islamisierung«, dem laut Vlaams Belang-Chef Dewinter rechte Kommunalpolitiker aus Antwerpen, Berlin, Bologna, Brüssel, Gent, Graz, Köln, Mechelen, München, Rotterdam, Utrecht, Rom, Venedig, Lille, Straßburg, Paris, Marseille und Wien angehören.

Anti-Islam-Hetze und Antisemitismus
Weil er die Türken als »neue Juden Europas« bezeichnet hatte, mußte Faruk Sen von seinem Posten als Direktor des Zentrums für Türkeistudien, einer Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen, zurücktreten. Ihm wurde vorgeworfen, den Holocaust relativiert und den Antisemitismus bestärkt zu haben. Unterstützung bekam Sen vom Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Tatsache sei es, daß »türkischstämmige Muslime in Deutschland, ja in Europa, trotz aller freundschaftlichen Beteuerungen sehr wohl alltäglichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt sind, die teilweise in ihrer Erscheinungsform der Diskriminierung von Juden im letzten Jahrhundert ähnlich sind«, erklärte Kramer. Dabei handle es sich hauptsächlich um die einschlägige Fremdenfeindlichkeit, die bis heute Juden und Muslime, aber auch Ausländer und Menschen dunkler Hautfarbe in Deutschland vereine. Während sich einzelne Moslemhasser wie das Internetportal politically incorrect explizit als pro-israelisch bezeichnen, dabei aber traditionell antisemitische Stereotype wie das Bild des raffgierigen Parasiten kurzerhand vom Juden auf den Moslem übertragen, richtet sich die Feindschaft zahlreicher anderer gegen Juden und Moslems beziehungsweise gegen Migranten aus dem islamischen Kulturkreis gleichermaßen. Für Jean-Marie Le Pen, Stargast auf dem Kölner Rassistenkongreß, sind die Gaskammern von Auschwitz bekanntlich nur ein »Detail der Geschichte«.

Der Hetze gegen Türken, Araber, Muslime gilt es ebenso entschieden entgegenzutreten wie dem Antisemitismus und jedem anderen Rassismus.