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Titel1808

Sie starben nicht für Zweibrücken  (Otto Köhler)

Der absurde Dialog zum Hindukusch fand – wo sonst – im Sommertheater des Berichts aus Berlin statt. ARD-Mann Ulrich Deppendorf sagt: »In der letzten Woche gab es den deutschen Soldaten, der gestorben ist.« Die kongeniale Claudia Roth antwortet, es gebe immer mehr Afghanen, »die das Vertrauen zu den deutschen Soldaten verlieren«.

Die gute Nachricht kommt aus der Schweiz: »Die Bundeswehr hat Nachwuchsprobleme«, meldet die Neue Zürcher Zeitung, »Soldaten muß die deutsche Armee aus immer weniger Bewerbern rekrutieren.« Einer der Gründe scheine »der gefährliche Einsatz in Afghanistan« zu sein. Um mehr als 50 Prozent sei die Zahl der Anwärter im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

Warum? Das wußte sogar der Vize-Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch: die steigende Gefährlichkeit des deutschen Afghanistan-Einsatzes. »Es ist doch klar: Wenn sich heute eine junge Frau oder ein junger Mann bei der Bundeswehr bewerben will, werden Familie und Freunde ihm mit Verweis auf die Gefahren eher abraten.« Andere raten eher zu: Wenn »bei jedem tödlichen Vorfall« der Abzug der Truppen gefordert werde, dann schwäche das die NATO, erklärte kurz vor der Trauerfeier für jenen 29jährigen tödlichen Vorfall Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt, der sich lieber auf Kriegsverbrechertreffen in Mittenwald aufhält.

Zur Trauerfeier für den 29jährigen tödlichen Vorfall in Zweibrücken kam der Chef persönlich, um zu behaupten: »Unsere Soldaten haben in Afghanistan bei den Menschen ein hohes Ansehen.«

Bei den Menschen. Und zur Menschwerdung der Afghanen bedarf es geduldiger Spezialisten, die nicht vom Himmel fallen.

Erst vor vier Wochen, räumte Minister Jung ein, habe der erwähnte tödliche Vorfall seine Ernennung zum Berufssoldaten bekommen.

»Unsere Soldaten« hätten »für ihren risikoreichen Einsatz«, so unterstrich er, »unsere rückhaltlose Unterstützung verdient«.

Eine solche Meinung vertrat auch der Zweibrücker Oberbürgermeister Helmut Reichling vor dem Sarg des 29jährigen tödlichen Vorfalls, der umhüllt war von jener Fahne, die Bild gern »schwarzrotgeil« nennt. Reichling: »Er tat seinen Dienst für uns, für die Zweibrücker, für die Deutschen, für die Menschen dieser Welt, für die Menschlichkeit.«

Nicht für uns, nicht für die Zweibrücker, nicht für die Deutschen, nicht für die Menschen dieser Welt, nicht für die Menschlichkeit war da schon eine afghanische Mutter mit ihren zwei Kindern gestorben. Sie starben lediglich deshalb, weil sie wegen mutmaßlicher Geschwindigkeitsüberschreitung vor die Maschinenpistolen solcher deutscher Soldaten gerieten, die bisher noch leben. Und darum gehen uns die Frau und ihre zwei Kinder nichts an. Sie starben – so meldeten die Agenturen – als »Zwischenfall«.

Damit steht das Verhältnis von tödlichem Vorfall zu – möglicherweise sogar bedauerlichem – Zwischenfall 1 zu 3. Das Zahlenverhältnis ist nahezu humanitär, aber ausbaufähig. 1941 ordnete der kommandierende deutsche General für Serbien Franz Böhme an, daß für jeden gefallenen deutschen Soldaten hundert Zivilisten zu erschießen seien.