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Titel1815

Entdeckung eines Meisters  (Maria Michel)

Zum 500. Geburtstag widmet Sachsen-Anhalt Lucas Cranach dem Jüngeren Landesausstellungen in der Lutherstadt Wittenberg, in Dessau-Roßlau, Oranienbaum-Wörlitz und in den Cranach-Kirchen der Region. In Wittenberg erwarten die Besucher Ausstellungen im Augusteum, in der Stadtkirche St. Marien und im Cranach-Haus. In letzterem gibt es auch eine gute museumspädagogische Einrichtung, nicht nur für Kinder. Die Cranach-Höfe (Markt 4 und Schlossstraße 1) laden zum Besuch ein, denn die Cranachs besaßen dort einige Häuser.


Lucas Cranach der Ältere, der aus dem fränkischen Kronach gekommen war, hatte vorgesehen, dass sein ältester Sohn, Hans, die Maler-Werkstatt übernehmen sollte. Dieser starb jedoch unerwartet jung während einer Italienreise in Bologna. Deshalb übertrug der alternde Vater die Leitung der Werkstatt seinem zweiten Sohn, Lucas d. J. Es ging um Macht, Geld und Einfluss. Die Wittenberger Exposition im Augusteum stellt diesen Cranach-Sohn als »facettenreiche Persönlichkeit, als Familienoberhaupt, als Ratsherrn und Unternehmer« vor. »Vor allem aber lenkt die Ausstellung den Blick auf den Künstler Lucas Cranach d. J. als fürstlichen Auftragnehmer, als Maler reformatorischer Altäre und Epitaphien, ausgezeichneten Porträtisten und hochbegabten Zeichner.« Er war ein geschäftstüchtiger Künstler, der sein Handwerk verstand und die Werkstatt zur angesehenen Manufaktur entwickelte. Porträts konnten in Serie gefertigt werden. Die Cranachs wurden auch als »Schnellmaler« bezeichnet. Ihr Zeichen war die geflügelte Schlange mit dem Rubinring im Maul. Die Maler-Dynastie war in Wittenberg angesehen; ihre Repräsentanten bekleideten kommunalpolitische Positionen – bis hin zum Amt des Bürgermeisters.


Stand Lucas Cranach d. J. im Schatten seines Vaters? Dank neuester Forschung konnten etwa 70 Werke eindeutig dem Jüngeren zugeordnet werden. Zu den Zeitgenossen des Malers der Reformation gehörten unter anderem Martin Luther, Erasmus von Rotterdam, Johannes Reuchlin, Philipp Melanchthon, Thomas Müntzer und Albrecht Dürer. Von Dürer stammt ein ausdrucksvolles Porträt des Lucas Cranach d. J. Mythologische Motive, Akte, Porträts und eine umfangreiche Kollektion von Holzschnitten entstanden in der Manufaktur. In der Malerei ging Cranach d. J. neue Wege und verwendete beispielsweise als Bildgrund Leinwand statt Holz.


Im Augusteum gehören 13 Zeichnungen aus dem Musée des Beaux-Arts de Reims zu den größten Schätzen; sie waren in Europa noch niemals gemeinsam zu sehen und dienten als Vorlagen für Porträts. Cranach d. J. schuf zahlreiche Altäre, zum Beispiel in Dessau, Weimar, Wittenberg, Halle, Annaberg-Buchholz und Meißen. Zu bewundern sind auch Epitaphien, die christliche Szenen darstellen, in die die Stifter einbezogen sind. Der größte Auftrag kam vom Kurfürsten August von Sachsen. Die Werke sind in Augustusburg zu sehen: die Kanzel und das Altarretabel in der Kapelle des Jagdschlosses.


Imponierend ist auch das Porträt des selbstbewussten Hans von Lindau. Dieser Adlige trägt einen prächtigen, mit Pelz gefütterten Mantel und eine auffallend große Goldkette. Seine feingliedrige Hand stützt sich in die Hüfte; der spanische Kragen umrahmt sein Gesicht. Im rechten oberen Bildteil ist das Familienwappen zu sehen. Ein weiteres Porträt stellt Agnes von Hayn dar. Sie trägt detailverliebt gemalte modische Kleidung in verschiedenen Rottönen; aufwändig geschlitzte Ärmel sind weiß unterfüttert. Sie ähnelt dem Bildnis der Sybille von Cleve als Braut, das Lucas Cranach d. Ä. schuf. In der St. Johanneskirche in Dessau stellte Cranach d. J. in einem Epitaph für Joachim von Anhalt ein Abendmahl mit Persönlichkeiten der Reformation dar. In diesem Bild hat er sich selbst als Mundschenk verewigt.


Es gibt unendlich viel zu sehen und zu erforschen. Und es ist gut zu erleben, wie diese jahrhundertelang unterschätzte Künstlerpersönlichkeit geehrt wird. Zur Ausstellung erschien ein gut gemachter Katalog. Ein Besuch ist ein Gewinn, nicht nur für Kunstliebhaber.

Augusteum, Lutherstadt Wittenberg, täglich 9 bis 18 Uhr; Stadtkirche St. Marien, Wittenberg, Mo bis Sa 10 bis 18 Uhr, So 12 bis 18 Uhr; Cranach-Haus, Wittenberg, täglich von 10 bis 18 Uhr; Johannbau und Marienkirche, Dessau-Roßlau, Di bis So 10 bis 17 Uhr; Gotisches Haus, Oranienbaum-Wörlitz, Do bis So 11 bis 17 Uhr; Cranach-Kirchen unter www.cranach2015.de