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Titel2014

Bemerkungen

Putins Fuß
Das Abkommen über die Assoziierung der Ukraine mit der EU, mit dem netten Begriff »Freihandel« ausgestattet, ist ratifiziert. Aber es bedarf noch einzelstaatlicher Zustimmungen, auch soll über Details der Auswirkungen mit Rußland gesprochen werden. In Kraft treten soll es dann Anfang 2016. Diese Terminplanung gefällt der grünen Europapolitikerin Rebecca Harms gar nicht, denn damit habe »Herr Putin seinen Fuß in die Tür gestellt«. In ihrer Partei ist es beliebt, die Regierungen in den EU-Staaten, speziell die deutsche, wegen »Zögerlichkeit« im »Kampf gegen den neuen Zaren« abzumahnen. Das propagandistische Bild von Putins Fuß in der Tür fand Beifall bei der F.A.Z.; so werde »der Konflikt mit Moskau nur hinausgezögert«, schreibt der dort zuständige Redakteur. Was ist zu tun, wenn man der Lageeinschätzung von Frau Harms folgt? Die Tür vor Putin zu verschließen ist ja nicht mehr möglich, so wie die Sache gelaufen ist. Er hat den Fuß schon drin – also hilft nur eines: Panzer aus der EU in die Ukraine! Damit der russische Staatspräsident fußverletzt sich in ein Lazarett zurückzieht.

M. W.


Treibjagd
In der F.A.Z. hat die langjährige Moskaukorrespondentin Kerstin Holm den Versuch gemacht, die gegenwärtige russische Politik zu erklären. Angesichts der geopolitischen Vorgänge fühle sich, so schrieb sie, der »russische Bär« in seiner Höhle bedroht. Soviel Putinversteherei war dem Publizisten Gerd Koenen zuviel, und er mahnte die Kollegin ab, ebenfalls in der F.A.Z., unter der Überschrift »Rußland ist kein Bär, sondern eine Sau, die ihre Jungen auffrißt«. Putin stelle aggressiv »Territorialansprüche, wie Europa und die Welt es seit den beiden Weltkriegen nicht mehr erlebt haben«. Koenen kennt sich aus in einer solchen Sprache, einst war er Chefredakteur der maoistischen KVZ. Nach Ausflügen in die Wissenschaft geht er nun wieder auf propagandistische Treibjagd.
P. S.


Ein Rätsel
»Rußland hatte die Krim im März annektiert« – schrieb die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erläuternd in ihren Bericht darüber, daß bei den Wahlen zum neuen Parlament der Halbinsel die Regierungspartei »Einiges Rußland« rund 70 Prozent der Stimmen bekommen hat. Tageszeitungen druckten das so nach. Der Zusammenhang ist etwas rätselhaft: Wie kommen die Ukrainer auf der Krim, die laut offizieller Darstellung in der Bundesrepublik von Putins Truppen mit Gewalt zu Russen gemacht wurden, nun dazu, mehrheitlich für die Partei der Besatzungsmacht zu stimmen? So als wäre die Annexion gar keine böse Tat gewesen? Die deutsche Bundesregierung, auch das stand in der dpa-Meldung, hat die Wahl auf der Krim für »unrechtmäßig« erklärt. Was heißt: Die Krimbewohner hätten von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen dürfen. Es kommt ja immer mal wieder vor, daß falsch gewählt wird.
P. S.

Abgespeist
Wenige Tage vor der kürzlich erfolgten Landtagswahl in Thüringen beschrieb die Gothaer Tagespost unter der Überschrift »Parteien fürchten politikmüde Thüringer – Endspurt mit Wahlwecker, Brötchen-Offensive … um die Wählergunst«, wie die Parteien Wahlkampf betrieben: die CDU unter anderem »mit … handlichen Flyern, Kaffee zum Mitnehmen und Croissants für vorbeieilende Passanten«, die SPD wiederum, indem deren Wahlkampfhelfer dem Wähler »Brötchenbeutel an die Tür hängen oder rote Marmeladengläschen in die Hand drücken«.

Da ist Furcht angebracht. Allerdings beim Wähler. Mehrere Jahre jeweils haben die Parteien Zeit und Gelegenheit, ihn durch ihre Arbeit zu beeindrucken. Und dann führen sie den Wahlkampf auf eine Art, in der Tierfreunde im Winter notleidende Vögel füttern.
Günter Krone


AfD als Versuchung
In Sachsen, Thüringen und Brandenburg hat jene Partei, die mit ihrem Namen behauptet, eine Alternative für Deutschland mit sich zu tragen, bemerkenswerte Erfolge erreicht. Das gilt auch dann, wenn mitbedacht wird: Prozentergebnisse bei Wahlen verdecken die tatsächlichen Zahlen der Wählerinnen und Wähler – und die Neigung, sich an der Stimmabgabe zu beteiligen, ließ auch jetzt nach. Daß die AfD sich weiter etablieren konnte, versetzt die sogenannten Altparteien in Beunruhigung, deren Reaktionen sind erst einmal verwirrt und verwirrend; vermutlich werden manche strategischen Kalküle der CDU/CSU und der SPD in dieser Sache nicht offen geäußert.

Die Bundeskanzlerin sagt, zur Aufregung bestehe kein Anlaß; die Große Koalition müsse einfach ihre Regierungsgeschäfte effektiv betreiben, dann werde die AfD wieder verschwinden.

Erstaunen löst aus, daß diese Partei nicht nur der CDU, der SPD und der FDP Stimmen abgezogen hat, sondern in beträchtlichem Umfang auch der Linkspartei. Der CDU-Politiker Peter Hintze hat eine griffige Deutung zur Hand: Die AfD-Wählerschaft habe »vor dem 21. Jahrhundert kapituliert«; die einen wollten »zurück zur D-Mark, die anderen zurück in die DDR«.

Das ist ablenkender Unsinn, denn gewählt wurde die AfD vorwiegend bei jenen Jahrgängen, die mit diesen Vergangenheiten emotional nicht mehr verbunden sind.

Große Hoffnungen in die AfD setzt jene Neue Rechte (präsentiert unter anderem durch die Wochenzeitung Junge Freiheit), die seit langem schon an einer »seriösen« parteipolitischen Ausformung interessiert ist. Erwartet wird hier eine bundesrepublikanische Parallele zur FPÖ. In den Auftritten der AfD sind denn auch allerlei übliche Bestandteile rechtspopulistischer Demagogie zu finden: Warnungen vor »Überflutung« durch Zuwandererzustrom, Schreckensbilder von einer nicht mehr gebändigten Kriminalität, Aufforderungen zur »nationalen Selbstbesinnung«, Mahnungen zur »Rettung der echten Familie« et cetera. Die AfD ist längst nicht mehr nur auf Kritik an dem Konstrukt »Europäische Union« fixiert. Wird aus ihr so etwas wie eine dauerhafte »nationale Opposition«?

Dem steht entgegen, daß die Profis in dieser Partei zur Beteiligung am Regieren drängen – ohne »Scheuklappen« gegenüber der Union wie auch gegenüber der SPD, sagen sie. Nicht anders als bei den »Altparteien« ist der Drang nach den Futternäpfen des politischen Establishments auch beim AfD-Personal heftig. Und keineswegs können wir sicher sein, daß christdemokratische oder sozialdemokratische Strategen ihre derzeitigen Beteuerungen, mit der AfD wolle man prinzipiell nicht partnern, ernst meinen.

Wahrscheinlich sind demnach zwei Möglichkeiten: Erstens die, daß CDU/CSU und SPD in ihrer eigenen Politik dem AfD-Profil näher rücken (ausgenommen die Polemik gegen die EU), um Wahlstimmen für sich einzusammeln. Zweitens eben doch, nach einer Schamfrist, die Einbindung der AfD in Regierungskoalitionen, was auch wiederum inhaltliche Zugeständnisse bedeuten würde. So oder so: ein Rechts-trend im Parteienspektrum.

Wie die Partei Die Linke mit der Erfahrung umzugehen gedenkt, daß viele ihrer WählerInnen zur AfD wechseln, wissen wir noch nicht. Beruhigende Sprüche bringen da nichts.
A. K.


Geschichten vom Herrn K., 9/2014
Als er hörte, wie MdB Niels Annen, ein Außenpolitiker der mitregierenden SPD, am Antikriegstag 2014 im Bundestag die militärische Hilfe für Kurden damit begründete, daß nur panzerbrechende Waffen aus Deutschland die der Kampforganisation IS in die Hände gefallenen amerikanischen Panzer zerstören könnten und dies aus humanitären Gründen unabdingbar sei, so schwer ihm und den meisten sozialdemokratischen Abgeordneten die Zustimmung zur Lieferung auch gefallen sei, erinnerte Herr K. sich an Zeilen aus der »Kriegsfibel« von B.B.: Arbeiter, die einen Eisenwagen bauten, wurden da gefragt, was sie aus den Platten dicht daneben machten. »Geschosse, die durch Eisenwände schlagen.« Und: »Warum das alles, Brüder?« – »Um zu leben.«
K. N.

Wahrheit postum
»Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst« –
der Spruch ist schlecht erdacht.
Sie stirbt nicht, sie wird umgebracht,
nicht erst im Krieg, im Frieden,
von hohen und perfiden
und aufgeblähten Amtsinhabern,
die von erhabenen Zielen labern
und die die Wahrheit nur verwenden,
indem sie deren Leichnam schänden.
Günter Krone


Die serbische Sicht
In Beiträgen über den Ersten Weltkrieg wird in Deutschland hauptsächlich des Infernos der Materialschlachten in Nordfrankreich und Belgien gedacht, andere Kriegsschauplätze werden meist nur nebenher erwähnt – obwohl doch der Krieg bekanntlich mit dem Angriff österreichisch-ungarischer Truppen auf das kleine serbische Königreich begann.

Gordana Ilić Marković, Sprachwissenschaftlerin am Institut für Slawistik der Universität Wien, hat sich als Herausgeberin einer Textsammlung die Aufgabe gestellt, deutsche Leser mit der serbischen Sicht auf die Kriegsgreuel der Jahre 1914 bis 1918 bekannt zu machen. Im Verlaufe des Krieges verschwand das Königreich Serbien (ebenso wie das verbündete Montenegro) faktisch von der politischen Landkarte und wurde erst 1918, nun aber als »Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen«, von seinen exilierten Streitkräften wieder freigekämpft. Während des Krieges verlor Serbien fast ein Drittel seiner Bevölkerung. Die Erinnerung an das »serbische Golgatha« wirkt als nationales Trauma bis heute nach.

Mehrere kulturhistorische Abhandlungen am Anfang des Buches beleuchten die Ausgangssituation am Vorabend des Krieges, dokumentieren die zahlreichen Kriegsverbrechen der österreichisch-ungarischen Truppen bei ihrer ersten Offensive auf serbischem Territorium im Jahre 1914 und schildern für das Jahr 1915 die Flucht der geschlagenen serbischen Armeen durch die albanische Bergwelt ins rettende Griechenland.

Der größte Teil des Bandes besteht aus (zum Teil nur auszugsweise abgedruckten) Übersetzungen der Primärquellen: Tagebuchaufzeichnungen, Erinnerungen, Briefe, Dokumente, Presseartikel, Gedichte und Prosatexte wechseln sich ab. Die sehr unterschiedlichen Darstellungen ergeben ein Mosaik des Schreckens: Wir erfahren vom Grauen der Schlachten, von Gefangenschaft, Hunger, Vertreibung, Vergewaltigung, Geiselnahme, Massenhinrichtungen, von einer Typhusepidemie. Fotos und Postkarten zeigen unter anderem zerstörte Kirchen, halbverhungerte Soldaten und von den Besatzern erhängte Bauern.

Die Herausgeberin erläutert in einem eigenen Beitrag den biographischen Hintergrund der Autoren, schildert außerdem die widersprüchliche Aufarbeitung des Krieges in der serbokroatischen Kunst und Literatur. Manche Werke konnten erst posthum erscheinen.

Der Band enthält nicht nur Zeugnisse serbischer Soldaten und Zivilisten – auch unbeteiligte Beobachter und Militärs der Gegenseite kommen zu Wort. Abgedruckt sind beispielsweise Tagebuchaufzeichnungen von Feldmarschall Mackensen, Befehlshaber der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen, die 1915 Serbien eroberten. Hinzu kommen Auszüge aus einer Reportage des jungen Egon Erwin Kisch, der als Unteroffizier der k. u. k. Armee am Feldzug gegen Serbien des Jahres 1914 teilnahm. Wenig bekannt ist die bisher nicht übersetzte und leider nur in einem kurzen Auszug abgedruckte Reportage »The War in East Europe« des US-amerikanischen Journalisten John Reed aus dem Jahr 1916, der mit seinem späteren Werk »Ten Days That Shook The World« (Zehn Tage, die die Welt erschütterten) weltweiten Ruhm erlangte.

Eingestreut sind mehrere kurze Szenen aus dem grandiosen, leider noch nie vollständig aufgeführten Anti-Kriegs-Drama »Die letzten Tage der Menschheit« von Karl Krauss. Der Text sollte zur Pflichtlektüre für Bellizisten aller Nationalitäten werden.
Gerd Bedszent

Gordana Ilić Marković (Hg.): »ВЕЛИКИ РАТ – Der Große Krieg. Der Erste Weltkrieg im Spiegel der serbischen Literatur und Presse«, übersetzt von Elena Messner, Goran Miletić und Richard Schubert, Promedia Verlag, 272 Seiten, 19,90 €



TTIP, SPD und DGB

Auch unter Sozialdemokraten und in den Gewerkschaften wuchs die Kritik am TTIP, an dem Plan eines sogenannten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU. Es kam die Forderung auf, die Verhandlungen darüber erst einmal auszusetzen, sich für eine öffentliche Auseinandersetzung über die Gefahren zu engagieren, die vom TTIP vor allem bei sozialen Standards und den Gestaltungsrechten der Kommunen drohen. Diese oppositionellen Neigungen haben SPD-Führung und DGB-Vorstand nun zu lähmen versucht. Das Ministerium Sigmar Gabriels und die DGB-Spitze formulierten gemeinsam ein »Ja-Aber« zum TTIP. Das Projekt wird nun als fortschrittsträchtig bezeichnet, es müßten jedoch »rote Linien« dabei beachtet werden. Dem schloß sich auch bei nur wenig Gegenstimmen der SPD-Konvent an. Die TTIP-Kritiker sollen ruhiggestellt werden – durch die Aussicht auf Verhandlungserfolge der Großen Koalition, im Sinne auch der Gewerkschaften. Als Empfehlung an die Basis gilt offenbar: Überlaßt alles uns – den mitregierenden Politikern und den Vorständen.

Diese Vorgehensweise hat eine lange Tradition; die Erfahrungen mit ihr zeigen: Solcherart »rote Linien«, abseits des offenen Konflikts in der Gesellschaft verhandelt, verblassen bis zur Unkenntlichkeit.
A. K.


SS-General als Bürgermeister
Der Jurist und NS-Protagonist Heinz Reinefarth – seit 1. August 1932 Mitglied der NSDAP und ab 1933 mit der Mitgliedsnummer 56.634 bei der SS – war als SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei maßgeblich an der blutigen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im August 1944 beteiligt. Nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« wurde der Mann vom US-Geheimdienst angeworben und konnte so seine zweite Karriere in Politik und Verwaltung starten. Als Mitglied des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), 1950 in Schleswig-Holstein gegründet, gehörte er ab 1951 dem Magistrat der Stadt Westerland an und wurde im gleichen Jahr mit den Stimmen des BHE, der CDU und SPD zum Bürgermeister gewählt. 1957 für weitere zwölf Jahre in dem Amt bestätigt, wird er 1963 aufgrund öffentlichen Drucks abgewählt. Von 1958 bis 1962 saß Heinz Reinefarth für den BHE im Kieler Landesparlament.

Der Mann, der im Auftrag von Adolf Hitler den Warschauer Aufstand blutig niederschlug, dem Tausende von Menschen zum Opfer fielen, die Stadt in eine Trümmerlandschaft verwandelte, wurde nie zur Rechenschaft gezogen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung verhinderte, daß dem Begehren der Volksrepublik Polen, Reinefarth auszuliefern, nachgekommen wurde. Am 16. Januar 1961 versicherte der Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel (CDU) vor dem Landtag: »Die Ermittlungen gegen Reinefarth haben keinen begründeten Verdacht dafür ergeben, daß der Beschuldigte an Kriegsverbrechen teilgenommen, solche befohlen oder gebilligt hat.« In Polen ist Reinefarth übrigens unter der Bezeichnung »Schlächter von Warschau«, bekannt.

In seinem Schreibtisch hatte Bürgermeister Reinefarth, der stets Angst vor Entführung hatte, eine Pistole griffbereit liegen. Im von Annelie und Andrew Thorndike gedrehten DEFA-Dokumentarfilm »Urlaub auf Sylt« wurden die Lebensgeschichte und die Greueltaten des SS-Generals Reinefarth einer breiten Öffentlichkeit, wenn auch nur in der DDR, nähergebracht.

1967 ging der Ex-SS-Mann, Ex-Bürgermeister von Westerland und Ex-Landtagsabgeordnete mit einer Generalsrente in Pension, starb am 7. Mai 1979 in Westerland/Sylt. In einem Nachruf der Stadt heißt es: »Sein erfolgreiches Wirken für die Stadt Westerland wird unvergessen bleiben.«

Verspätet wurde Anfang August 2014 am Rathaus von Westerland eine Texttafel angebracht, die mehr von Reinefarths Wirken preisgibt. Hier heißt es: »Warschau 1944. Polnische Widerstandskämpfer stehen auf gegen die deutschen Besatzer. Das nationalsozialistische Regime läßt den Aufstand niederschlagen. Mehr als 100.000 Menschen wurden verletzt, geschändet und ermordet, Männer, Frauen und Kinder. Heinz Reinefarth, von 1951 bis 1963 Bürgermeister von Westerland, war als Kommandeur einer Kampfgruppe maßgeblich mitverantwortlich für dieses Verbrechen. Beschämt verneigen wir uns vor den Opfern des Warschauer Aufstandes und hoffen auf Versöhnung. Aus Anlaß des 70. Jahrestages des Warschauer Aufstandes. Sylt/Westerland 2014.«

Der Hinweis, wer den Mann zum Bürgermeister von Westerland wählte, fehlt auch auf der Gedenktafel.
Karl-H. Walloch


40 Jahre Longo Maï
Anfang der 1970er Jahre bekam ich des öfteren Nachrichten von kritischen Studenten und aufsässigen Lehrlingen aus Basel und Wien. Ihre radikaldemokratischen Aktivitäten gefielen mir. Manchmal schien mir, sie neigten dazu, in der Polizei den Hauptgegner zu sehen, das fand ich unklug. Dann aber teilten sie überraschend mit, daß sie gemeinsam umziehen wollten, nach Südfrankreich, aufs Land, wo sie künftig als Kommune leben wollten. Da nahm ich an, daß ihnen bei Ackerbau und Viehzucht bald die politische Puste ausgehen werde. Irrtum. Mit ihrem Engagement für eine umweltschonende Landwirtschaft waren sie der Zeit voraus, und sie verloren nicht ihr Interesse an globalen Themen. Früher als andere erkannten sie zum Beispiel die Gefahr der »Festung Europa«, und sie leisteten Überlebenshilfe für politische Flüchtlinge. Jetzt besteht die Kommune »Longo Maï« 40 Jahre, ihre GründerInnen sind Großeltern geworden, und es gibt viel Nachwuchs an zehn Orten in mehreren Ländern – auch in Deutschland. Man kann sie im Hof Ulenkrug in Stubbendorf bei Dargun (Vorpommern) oder bis zum 15. November im Berliner »Freien Museum«, Bülowstraße 90 besuchen, wo sie sich in einer Ausstellung und in 17 Veranstaltungen in ihrer erstaunlichen Vielseitigkeit präsentieren. Zu den Mitwirkenden gehört auch ihre immer wieder begeisternde Musikgruppe »Comedia Mundi«.
E. S.