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Titel2208

Der Medienkrieg des Pentagon  (Joachim Guilliard)

Anfang Oktober brachten alle großen US-Medien stimmungsvolle Berichte über die Feierlichkeiten zum Fest des Fastenbrechens in Bagdad. Die New York Times zeigte plakativ auf der Titelseite Bilder hübscher junger Frauen, die in ihren besten Kleidern in die Bagdader Parks an den Ufern des Tigris ausschwärmten. Offenbar sollte der US-Bevölkerung demonstriert werden, welche Ruhe und Normalität in der irakischen Hauptstadt eingekehrt sind.

In den Wochen vor der Präsidentenwahl ist der Irak-Krieg aus den Nachrichten verschwunden. Während die Absicht der US-Regierung, den Finanzjongleuren der Wall Street mit 700 Milliarden Dollar aus der Patsche zu helfen, zu lebhaften Debatten führte, ging die Verabschiedung eines neuen Rekord-Etats des Pentagon in fast derselben Höhe fast unbemerkt über die parlamentarische Bühne. Obwohl die extreme Steigerung der Militärausgaben, nicht zuletzt durch die immensen Summen für den Krieg im Irak, eine der Hauptursachen der US-amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkrise ist, regte sich kaum Widerstand.

Mit überwältigenden Mehrheiten billigten Senat und Repräsentantenhaus für das kommende Jahr Militärausgaben in Höhe von 612,5 Milliarden Dollar, inklusive einer ersten Rate von 70 Milliarden für die direkten Kosten der Besatzung im Irak und Afghanistan. Die direkten Kosten dieser beiden Kriege werden damit bald 850 Milliarden Dollar übersteigen und mit den 2009 noch zu erwartenden Nachschlägen in Höhe von 100 Milliarden sich rasant einer Billion nähern. Vier Fünftel dieser Summen verschlingt der Irakkrieg, dessen Kosten 2009 die des Vietnamkriegs (1965-1975) in Höhe von 686 Milliarden Dollar (in heutigen Preisen) übersteigen werden. Die indirekten Kosten sind nach Schätzungen unabhängiger Experten wesentlich höher.

300 Millionen Dollar aus dem neuen Etat gehen an vier PR-Firmen, die beauftragt sind, die irakischen Medien zu beeinflussen. Sie sollen geeignete Nachrichten, Kommentare und andere scheinbar journalistische Arbeiten produzieren und über Mittelsmänner in irakische Medien einspeisen, um ein günstiges Bild der US-amerikanischen Aktivitäten im Land zu verbreiten. Damit war gleich 2003, im ersten Kriegsjahr, begonnen worden. 2007 erlangte diese Form der psychologischen Kriegsführung durch neue Einsatzrichtlinien eine Schlüsselrolle. Konfrontiert mit einer gegenüber den Zielen der USA feindlich eingestellten Bevölkerung sei die Kontrolle der veröffentlichten Informationen und der öffentlichen Wahrnehmung der Ereignisse vor Ort eine für den Erfolg entscheidende Maßnahme, so das neue Feldhandbuch der US-Armee für die »Aufstandsbekämpfung«. Ko-Autor des Handbuchs war General Petraeus, der als Oberkommandierender im Irak im Frühjahr 2007 nicht nur die Kampftruppen, sondern auch den Informations- und Kommunikationskrieg (information warfare) drastisch verstärkte.

Im eigenen Land ist es der US-Regierung gesetzlich verboten, solche selbstfabrizierte, journalistisch getarnte Lügenpropaganda zu verbreiten. Es ist jedoch, selbst wenn es ernsthaft gewollt wäre, nicht zu verhindern, daß vieles vom Inhalt der allmonatlich etwa 300 im Irak und im arabischen Raum verbreiteten Nachrichtenartikel in die US-Medien zurückfließt. Das Wesentliche an den Medienmanipulationen ist schließlich die Verschleierung ihrer Herkunft, sonst wären die Beiträge sofort wertlos.

In den Aufträgen an die PR-Firmen werden jedoch als »strategische Zielgruppen« auch die US-amerikanische und die internationale Öffentlichkeit genannt. Offensichtlich ist die Propaganda doch auch auf sie gerichtet. Ihre Wirkung verstärkt sich noch dadurch, daß die Zahl ausländischer Journalisten im Irak zurückgeht. Die meisten verließen bereits 2004 das Land, weil der Aufenthalt dort immer riskanter wurde. Andere wurden abgezogen, weil die spektakulären Anschläge und Kämpfe in Bagdad nachließen und mit ihnen auch das Medien-Interesse. Zwölf US-Zeitungen unterhielten in den ersten Jahren ein durchgängig besetztes Büro in Bagdad, jetzt sind es noch vier. Im September 2007 waren 219 Journalisten in Einheiten der US-Armee »eingebettet«, ein Jahr später 39. Doch auch diese bekommen von den Kämpfen außerhalb Bagdads kaum etwas mit. Die US-Armee zeigt kein Interesse mehr, Journalisten zu Kampfeinsätzen mitzunehmen, weil das Bild eines weitgehend beruhigten Landes dann gleich wieder Kratzer bekäme.

»Es ist offensichtlich, daß sie versuchen, uns aus den aktiven Kampfzonen rauszuhalten und uns in Gebiete zu drängen, wo Wiederaufbau und Ausbildung laufen«, so Robert H. Reid, Bürochef von Associated Press in Bagdad. Auch wenn der ganz unter Kontrolle der Besatzungstruppen stehende »eingebettete Journalismus« den Krieg überwiegend parteiisch aus der Sicht der Besatzer zeigte, so gelangten doch mitunter unabhängige Beobachter an einzelne Brennpunkte. Die Offensiven dieses Jahres (in Basra, Sadr City, Mosul und der Diyala-Provinz) liefen dagegen unter Ausschluß der internationalen Öffentlichkeit.