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Berlusconis Ende mit Schrecken  (Matthias Zucchi)

In Rom zeichnet sich ein Ende des von inneren Flügelkämpfen zerrütteten Berlusconi-Regimes ab. Um so härter wird die Gangart des milliardenschweren Ministerpräsidenten und seines letzten Aufgebots gegen Andersdenkende in Politik, Gesellschaft und Medien.

Den Auftakt zur römischen Götterdämmerung provozierte im Juni ausgerechnet der einstige Juniorpartner Gianfranco Fini; das seit langem schwelende Unbehagen des Ex-Faschisten und heutigen Parlamentspräsidenten gegen Berlusconis autoritären Führungsstil manifestierte sich in der offenen Forderung nach mehr innerparteilicher Demokratie. Auch gehe es nicht an, unter dem Deckmäntelchen der »Reformen« Regierungspolitik ausschließlich im Privatinteresse zu betreiben – ein unmißverständlicher Seitenhieb auf die unzähligen Gesetzesinitiativen, mit denen sich Berlusconi seit nunmehr 15 Jahren der Justiz zu entziehen sucht.

Der Autokrat beantwortete den Affront mit dem Ausschluß des Parteimitgründers Fini aus dem PDL (»Volk der Freiheiten«) und setzte sogleich seine gut geölte Diffamierungsmaschinerie aus Parlamentariern, hauseigenen Journalisten und Geheimdienstlern in Gang. Die eifrige Suche nach »schwarzen Flecken« im Privatleben Finis gipfelte in einem medienwirksam inszenierten Skandälchen um dessen vermeintlich eigennützigen Verkauf einer Immobilie aus Parteibesitz. Zum politischen Ende des neuen Rivalen hat das allerdings nicht gereicht. Fini hat inzwischen mit einigen Dutzend Parlamentariern und Senatoren aus den Reihen des PDL eine neue Partei gegründet, die dem Regierungslager nur noch bedingt Folge leistet und Berlusconis absolute Mehrheit in Frage stellt.

Trotz dieses Mißerfolgs bleibt die gemeinsame Treibjagd von Hausorganen des Medientycoons und Mitarbeitern der italienischen Sicherheitsorgane die beliebteste Waffe Berlusconis im Kampf gegen kritische Stimmen. So wurde Dino Boffo, Chefredakteur der konservativ-katholischen Tageszeitung Avvenire, mit gefälschten Dokumenten über seine angebliche Homosexualität zum Rücktritt gezwungen, nachdem er sich negativ zur Regierungsarbeit geäußert hatte. Ins Visier geriet neben Richtern und Staatsanwälten, die sich von Amts wegen mit den zwielichtigen Machenschaften Berlusconis befassen, nun auch die Präsidentin des italienischen Industriellenverbands, Emma Marcegaglia, seit sie wiederholt die konfuse Wirtschaftspolitik der Regierung angeprangert hat.

Daß sich die Wühlarbeit inzwischen auf Vertreter der konservativen Seite konzentriert, ist zweifellos der Agonie der linken Opposition zuzuschreiben, die kein klares Profil mehr besitzt und von den Schwierigkeiten der Regierung kaum profitiert. Ernstzunehmende Rivalen vermutet der 74jährige Berlusconi derzeit nur in den eigenen Reihen.

Gleichzeitig geht die schon vor Jahren begonnene systematische Säuberung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens weiter. Die Arbeit der letzten unliebsamen Journalisten bei der RAI wird mit allen zu Gebote stehenden Mitteln behindert – ihre Sendungen werden auf nachteilige Sendeplätze verschoben, Mitarbeiterverträge monatelang auf Eis gelegt.

Der jüngste Fall betrifft den weltweit durch seine mutigen Reportagen über das organisierte Verbrechen bekannten Schriftsteller Roberto Saviano: Seine für November geplante Talkshowreihe im dritten Programm steht vor dem Aus, da sich die – auf Berlusconis Betreiben eingesetzte – Programmdirektion weigert, längst ausgehandelte Verträge mit Talk-Gästen zu unterzeichnen. Daß ihre »Bedenken« nur vorgeblich finanzieller Natur sind, ist leicht durchschaubar; der italienische Oscar-Gewinner Roberto Benigni und Popstar Bono Vox hatten sich sogar bereit erklärt, bei ihrer Teilnahme auf ein Honorar zu verzichten. Kopfzerbrechen dürfte den Programmdirektoren vielmehr der Inhalt der Sendung bereitet haben. »In der ersten Folge«, so Saviano, »wollen ich und Benigni uns mit Berlusconis Besitz auseinandersetzen, außerdem möchte ich über Mafia und Camorra sprechen.« Geplant ist auch eine Folge über die »Schlammfabrik« Berlusconis und die Verleumdungskampagnen gegen politische Gegner. So starken Tobak kann der von Justizproblemen und aufmüpfigen Weggefährten geplagte Regierungschef seinem Volk momentan einfach nicht zumuten.