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Titel2408

Kollwitz heilt, Ettl saniert  (Lothar Kusche)

Der römische Dichter Iunius Iuvenalis, der von etwa 60 unserer Zeitrechnung bis 127 lebte und hierzulande Juvenal genannt wird, schlug in seiner zehnten Satire vor, die Menschen sollten von den Göttern einen gesunden Geist in einem gesunden Körper erflehen: mens sana in corpore sano. In Berlin haben wir es mit dem einflußreichen Krankenhaus-Konzern »Sana« zu tun.

Der Berliner Zeitung vom 24. November verdankt man folgende Information: »Der Krankenhauskonzern Sana will die frühere Poliklinik Dr. Karl Kollwitz in der Prenzlauer Allee/Ecke Grellstraße künftig nur noch Sana Gesundheitszentrum Prenzlauer Berg nennen, bestätigt Wilfried Ettl, Geschäftsführer der Sana Gesundheitszentrum Berlin Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bis zum Jahr 2011 wird das Haus saniert (sic!) und dabei auch der Schriftzug Karl Kollwitz von der Fassade entfernt. Das Haus wurde 1983 als Poliklinik nach dem Arzt und Ehemann der international bekannten Künstlerin und Friedenskämpferin Käthe Kollwitz benannt. Das Paar wohnte und arbeitete von 1891 bis 1943 in der Weißenburger Straße 25, der heutigen Kollwitzstraße 56 A. Karl Kollwitz führte dort im zweiten Stock eine Arztpraxis. ›Er hat sich aufopferungsvoll für die Ärmsten der Armen eingesetzt und viele Patienten kostenlos behandelt‹, sagt Martin Fritsch, Leiter des Käthe-Kollwitz-Museums in der Fasanenstraße. ›Er war eine Persönlichkeit, die man ehren sollte.‹ Bernt Roder, Leiter des Pankower Museumsverbandes, sagt: ›Eine Erinnerung an diesen Menschen ist wichtig für die Geschichte.‹ Geschäftsführer Ettl versichert, Sana werde sich auch nach der Sanierung des Hauses zum Namen Karl Kollwitz bekennen.« Der Geschäftsführer mit beschränkter Haftung weiß nur noch nicht: wie!

Also erst einmal wird der ominöse Name Karl Kollwitz von der Fassade entfernt und durch den Schriftzug »Sana« ersetzt. Dieses Wort erinnert nicht nur am Prenzlauer Berg kranke und gesunde Leute an den Namen einer billigen Margarine von zweifelhafter Güte. »Eine konkrete Idee« für das Bekenntnis hat Ettl noch nicht. »Möglich sei eine Gedenktafel an der Fassade oder im Haus.«

Oder in dessen Keller.

Eine Gedenktafel aus Pappe. Von der Größe einer Margarine-Schachtel.

Zweckmäßigerweise wird der Name Karl Kollwitz nur unleserlich auf Ettls Gedenk-Schnipsel stehen.

Denn was hätte der Name eines nicht nur historisch höchst ehrbaren Armenarztes mit einem Krankenhauskonzern gemein, welcher die Zwei-Klassen-Medizin repräsentiert?
In meiner Kindheit gab es in den Personenzügen der Dampf-Eisenbahn noch vier Klassen. Ich erwähne dies als Vorschlag für Herrn Winfried Ettl und andere Erneuerer des modernen Gesundheits- respektive Sanierungswesens. Wenigstens dem Geschäftsführer Ettl, das dürfen wir getrost annehmen, wird es gelingen, sich zu sanieren.