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Titel318

Hoffnung für Mumia Abu-Jamal  (Sabine Kebir)

Auch in diesem Jahr hat Mumia Abu-Jamal eine Audio-Grußbotschaft an die Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt gesandt, die am 13. Januar in Berlin stattfand. Er berichtete von zwei erstarkten sozialen Bewegungen in den USA: Black Lives Matter (BLM), vor allem im Norden aktiv, und Moral Mondays Movement (MMM) mit vielen Anhängern im Süden, die sich um Pastor William Barber scharen. Das waren ursprünglich Bürgerbewegungen der Afroamerikaner, die gegen anhaltende Diskriminierungen sowie polizeiliche und juristische Drangsalierungen protestierten und sie öffentlich machten. Im Unterschied zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King stießen aber bald auch Menschen aus anderen Gruppen dazu: Latinos, Asiaten, Muslime, Juden und Homosexuelle sowie Menschen aus den besitzlosen Klassen der Weißen. Hier realisiere sich, das hob Abu-Jamal hervor, in der Realität der Begriff der Intersektionalität, den die Sozialwissenschaften gegenwärtig stark ins Blickfeld rücken. Er zielt auf gemeinsame Schnittmengen der Interessen von Gruppen, die – nicht zuletzt durch reaktionäre »Identitätspolitik« – bislang politisch voneinander isoliert worden sind.

 

Sowohl BLM als auch MMM existieren schon seit längerem, sind erstarkt – so Abu-Jamal – »im kalten Nachglanz des Zeitalters von Obama«, der sich geweigert hatte, »sich ihrer wichtigsten Anliegen wirklich anzunehmen«. Das erwarteten diese Aktivisten auch nicht von der angeblich gegen Diskriminierungen opponierenden Hillary Clinton, nachdem Videos von ihr bekanntgemacht worden waren, in denen sie schwarze und Latino-Jugendliche als »Super-Raubtiere« bezeichnet hatte.

 

Seit der Wahl Donald Trumps wurden diese neuartigen Bündnisse stärker. Sie haben – so Abu-Jamal – in mindestens drei Städten: Sanford/Florida, Chicago/Illinois und in Philadelphia/Pennsylvania »eine entscheidende Rolle bei der Entlassung oder Auswahl örtlicher Staatsanwälte gespielt«. Mit Sitzstreiks übten sie Druck auf Politiker und Polizeigewerkschaften aus, wodurch es ihnen gelang, »die Namen und die Fälle von Leuten öffentlich zu machen, die von Polizisten getötet« worden waren.

 

Wie immer ging Abu-Jamal mit keinem Wort auf die eigene Situation ein. Seine Stimme klingt ruhig, kraftvoll und verbreitet noch immer die charismatische Aura, die der Grund war, weshalb das FBI schon lange vor seiner Verhaftung nach einem Vorwand suchte, den ehemaligen Black Panther, erfolgreichen Radiojournalisten und Bürgerrechtler aus dem Verkehr ziehen zu können. Ein solcher bot sich an, als Abu-Jamal 1981 wegen angeblichen Polizistenmords angeklagt und später zum Tode verurteilt wurde. Mittlerweile hat die Justiz zugegeben, dass der Prozess und auch die nachfolgenden Berufungsverfahren manipuliert worden waren. Dass Abu-Jamal nicht hingerichtet wurde, ist nur der weltweit anhaltend agierenden Solidaritätsbewegung zu verdanken, der es allerdings bisher nicht gelang, seine Freilassung zu erreichen. Auch seinen 64. Geburtstag am 24. April wird Mumia Abu-Jamal im 38. Jahr seiner Haft im Mahanoy-Knast von Frackville/Pennsylvania verbringen. Durch die verspätete und nur mit Hilfe eines Gerichtsverfahrens durchgesetzte Behandlung seiner Hepatitis-C, die die Gesundheitsverwaltung des Gefängnisses jahrelang verweigerte, leidet Abu-Jamal an Leberzirrhose und einer schweren Hauterkrankung, die ihm mittlerweile sogar den Schlaf raubt. Und wieder wird ihm verweigert, Ärzte seines Vertrauens zu konsultieren.

 

Mittelfristig erscheint eine Befreiung Abu-Jamals jedoch denkbarer denn je. Ein lange als juristisch für blockiert erklärtes Berufungsverfahren ist jetzt ins Bereich des Möglichen gerückt, seit das Oberste Bundesgericht 2016 ein Urteil fällte, wonach die Beteiligung von Anklagevertretern an mehreren Berufungsverfahren eines Angeklagten als unzulässig gilt, weil sie nicht mehr als unbefangen angesehen werden können. Dies trifft auf den Richter und ehemaligen Bezirksstaatsanwalt Ron Castillo zu, der sowohl in den achtziger als auch den neunziger Jahren an Verfahren gegen Abu-Jamal teilgenommen hat. Am 17. Januar fand am Stadtgericht von Philadelphia eine erste Anhörung zu dessen im August 2016 gestellten erneuten Berufungsantrag statt. Hier ging es um die – laut Erklärung der Staatsanwaltschaft von Philadelphia – rätselhafte Unauffindbarkeit eines Dokuments, das die mehrfachen Plädoyers Castillos für die Todesstrafe im Falle Abu-Jamals eindeutig belegt. Das Ergebnis dieser ersten Anhörung war, dass Richter Leon Tucker die Behörden anwies, energisch nach dem Dokument zu suchen, da er bei der nächsten, für den 28. Februar anberaumten Anhörung auf jeden Fall Entscheidungen treffen werde, die das Verfahren weiterbringen. Er erwäge auch, den stellvertretenden Leiter der Staatsanwaltschaft vorzuladen, damit er zum Verschwinden des Dokuments Stellung nehme.

 

Das Bundesgesetz, das vorgibt, mögliche Befangenheit von Juristen zu untersuchen und künftig zu verhindern, hat schon mehrfach positive Wirkung gezeigt – darunter die Aufhebung eines Todesurteils. Dass auch in den Fall Abu-Jamals Bewegung gekommen ist, hängt unter anderem mit der Berufung eines neuen Bezirksstaatsanwalts zusammen, dem Bürgerrechtsanwalt Leo Krasner.

 

Die amerikanischen und die deutschen Solidaritätsbewegungen für Mumia Abu-Jamal rufen dazu auf, sich dringend dafür einzusetzen, dass er sich von unabhängigen Ärzten untersuchen lassen kann, und schlagen dafür massenhafte Telefonanrufe an folgende Institutionen vor: SCI Mahanoy Superintendent Theresa DelBalso: 001 -570-773-2158; PA Secretary of Corrections John E. Wetzel: 001 - 717-728-4109; PA Department of Health Acting Secretary Rachel Levine: 001 - 717-787-9857.

 

Die oben teilweise zitierte deutsche Übersetzung der Rede Abu-Jamals stammt vom bundesweiten FREE MUMIA Netzwerk: www.freiheit-fuer-mumia.de.