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Eine Oberheilige wird gemacht  (Hartwig Hohnsbein)

Sie galt schon zu ihren Lebzeiten in der westlichen Welt als Heilige. Eine »Ausnahmegestalt« nannte sie der evangelische Bischof Wolfgang Huber, der sie mit Dietrich Bonhoeffer verglich. Papst Johannes Paul II. pries sie als »Ikone des barmherzigen Samariters« und vergötterte sie gar als Verkörperung des helfenden und leidenden Christus. Sie wurde mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft und ließ auf Politiker, die ihre Nähe suchten, einen Abglanz ihrer vermeintlichen Barmherzigkeit fallen – die albanische Nonne Agnes Gonxha Bojaxhiu, besser bekannt als »Mutter Teresa«.

Schon bald nach ihrem Tode im September 1997 leitete Johannes Paul II. entgegen den Statuten des Vatikans, die eigentlich fünf Jahre Wartezeit vorsehen, das Verfahren zu ihrer Seligsprechung ein, die er dann im Oktober 2003 selbst noch vornehmen konnte. Inzwischen läuft das Verfahren zur Heiligsprechung der Verehrten, das nur dadurch ein wenig ins Stocken geraten ist, daß erst noch ein »posthumes Wunder« der Seligen geschehen muß. Das wird sich gewiß bald einstellen.

Inzwischen ist aber auch bekannt geworden, was bis kurz vor ihrem Tode kaum jemand auszusprechen wagte: Es gibt im Leben der Verehrten viele zweifelhafte Vorgänge, die ein ganz anderes Bild von ihr entstehen lassen.
Um das zu erkennen, muß man ins Jahr 1968 zurückgehen. Bis dahin missionierte die albanische Nonne in den Slums von Kalkutta. Dafür hatte sie zum Beispiel ein Sterbehaus und eine Armenküche eingerichtet. Dann schilderte sie ihre Missionsarbeit dem britischen Journalisten Malcolm Muggeridge, der damals gerade auf der Suche nach einer Person war, die in der westlichen »Gegenkultur zum Kommunismus« als Vorbild dienen sollte. Ihre Eigenschaften sollten sein: christlich-rechtgläubig, kompromißlos gegen Verhütungsmittel und Abtreibung und dabei schlicht und einfach, um den »kleinen Mann und die kleine Frau« anzusprechen. Das alles fand er bei der Nonne Bojaxhiu. Daß sie aus Osteuropa stammte, erfreute ihn besonders, hatte er doch Kontakte zu den dortigen katholischen Unterkirchen, die »mit großen Geldzuwendungen finanziert wurden, die vom CIA und dem Vatikan ›gewaschen‹ worden waren« (so Aroup Chatterjee: »Mother Teresa – The Final Verdict«, www.meteorbooks.com).

So begann er mit dem »Teresa-Projekt«, der weltweiten medialen Vermarktung der »Mutter Teresa«, die zu einer »lebenden Heiligen« gemacht wurde und als Krönung 1979 den Friedensnobelpreis erhielt. »Ohne Malcolm Muggeridge hätte die Welt vielleicht nie von Mutter Teresa erfahren«, bestätigt das »Heiligenlexikon«, in das sie vorauseilend aufgenommen worden ist.

Erst kurz vor ihrem Tode wurden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der »Heiligen« laut. 1995 erschien das Buch des Engländers Christopher Hitchens, »The Missionary Position«, in dem der Verfasser den gut begründeten Vorwurf erhebt, Mutter Teresa setze »die Maske einer Heiligen auf, um Geld zu sammeln, um damit die extreme und aggressive Form des Katholizismus ausbreiten zu helfen«. Es war nämlich aufgefallen, daß sie sich mit ihrem immensen Spendenaufkommen kaum um soziale Einrichtungen kümmerte, wohl aber oft monatelang weltweit unterwegs war mit ihrer zentralen Botschaft gegen Abtreibung und Verhütungsmittel. So trug sie als treue Stimme ihres päpstlichen Herrn dazu bei, dass sich Aids ausbreiten konnte und Millionen von Menschen starben.

Nach dem Verbleib des Spendenaufkommens fragte 1998 auch ein stern-Artikel unter der Überschrift »Mutter Teresa: Wo sind ihre Millionen?«. Der Autor hatte ermittelt, daß die »Heilige« mindestens 100 Millionen Dollar pro Jahr sammelte, deren Verbleib bis heute unbekannt ist; er mutmaßte, daß alles Geld auf ein Konto der Vatikan-Bank fließt. »Und was mit den Geldern bei der Vatikan-Bank geschieht, das ist so geheim, daß es nicht einmal der liebe Gott wissen darf.« Er erfuhr aber auch Konkretes. So schilderte ihm eine ehemalige Ordensschwester, wie auf Weisung der »Mutter« zweckbestimmte Geldspenden veruntreut wurden: Nachdem Spenden für Äthiopien gesammelt worden waren, entschied die »Mutter«: »Wir schicken kein Geld nach Afrika«; zugleich befahl sie den Schwestern, alle Bescheinigungen an die Spender mit dem Spendenzweck »Für Äthiopien« zu versehen.

Besonders aufschlußreich ist das schon erwähnte Buch des indischen Arztes Aroup Chatterjee. Der Verfasser ist in Kalkutta aufgewachsen und mit der sozialen Situation dort, auch in den Armenvierteln, bestens vertraut. In den 1980er Jahren erfuhr er in London, wie viel Segen »Mutter Teresa« als »Engel der Armen« im »schlimmsten Höllenloch der Welt« angeblich entfaltete, wie viele Kranke und Sterbende sie von der Straße aufsammelte und in Krankenwagen abtransportierte, um sie in ihren Einrichtungen zu versorgen. Das verblüffte ihn: »In meinen 27 Jahren in Kalkutta habe ich niemals eine solche Szene gesehen, und ich habe auch niemanden getroffen, der so etwas gesehen hatte.« Seitdem beschäftigt sich der indische Arzt mit Leben und Werk der »Mutter«. Er stellte, entgegen der »internationalen Mythologie«, ihr geringes soziales Engagement in Indien fest. Er besuchte ihre Einrichtungen und fand dort katastrophale medizinische Verhältnisse vor, weit unter dem Standard der anderen Krankenhäuser Kalkuttas. Am schlimmsten war, daß die »Schwestern«, die keine medizinische Ausbildung hatten, dieselbe Injektionsnadel für alle Patienten benutzten. Sein Fazit: »Es war ein erstaunlicher Unterschied zwischen ihren Worten und ihren Taten.« Selbst in ihrer Dankesrede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 1979 konnte sie es nicht lassen, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Zwar war die Abtreibung Hauptthema ihrer Rede (»Der größte Zerstörer des Friedens ist die Abtreibung«), doch dann kam sie auch auf die »30.000 Kranken« zu sprechen, die sie »von der Straße aufgesammelt« habe. Das war, wie wir heute wissen, gelogen.

Chatterjee hat im Verfahren zur Seligsprechung Teresas seine Erkenntnisse zu Protokoll gegeben. Sie werden die bevorstehende Heiligsprechung nicht verhindern. Dann hat die Welt der Christen eine Oberheilige auch aus unserer Zeit, die würdig eintritt in den Kreis der Oberheiligen früherer Zeiten: Da trifft sie den Kirchenvater Cyrill von Alexandria, der durch seine Mordbrennereien gegen alles heidnische Wesen und durch den Mord an der Philosophin Hypatia ein Vorbild für Rechtgläubigkeit wurde. Und den Kirchenlehrer Bellarmini, der der Kirche die Begründungen für die Verbrennung Andersdenkender schenkte, zum Beispiel des Philosophen Giordano Bruno. Und schließlich ist da auch der Gründer des »Opus Dei«, Escrivá, der als Freund des spanischen Militärdiktators Franco mithalf, die spanische Republik zu beseitigen. Sie alle sollen, geht es nach der alleinseligmachenden Kirche, unsere Wegweiser im 21. Jahrhundert sein.