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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Corona, Homeoffice und das Arbeitsrecht (II)

Die Hoff­nung, das Arbei­ten zuhau­se erleich­te­re die Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie, wird in der Pra­xis ent­täuscht. Home­of­fice beinhal­tet »das Risi­ko, tra­di­tio­nel­le Geschlech­ter­ar­ran­ge­ments zu ver­fe­sti­gen«, sagt Yvonne Lott, Lei­te­rin des Refe­rats Geschlech­ter­for­schung am Wirt­schafts- und Sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Insti­tut der Hans-Böckler-Stiftung.

»Män­ner machen zu Hau­se oft mehr Über­stun­den. Im Durch­schnitt arbei­ten Väter mit Home­of­fice zwei Stun­den in der Woche län­ger als Väter, die aus­schließ­lich im Büro arbei­ten.« Ein Poten­ti­al, »im Home­of­fice mehr Zeit mit den Kin­dern zu ver­brin­gen«, sei so nicht erkenn­bar – obwohl das Argu­ment häu­fig genannt wer­de. Anders sehe es bei Müt­tern aus, so Lott. Müt­ter arbei­ten zu Hau­se »bis zu einer Stun­de län­ger als Müt­ter ohne Home­of­fice. Sie inve­stie­ren aber im Ver­gleich zu Müt­tern, die nie im Home­of­fice arbei­ten, durch­schnitt­lich drei Stun­den mehr in die Kin­der­be­treu­ung. Müt­ter haben mit Heim­ar­beit also oft eine höhe­re Mehr­fach­be­la­stung.« Home­of­fice ist kei­ne Rück­kehr an den Herd, wie die AfD es for­dert, son­dern »Herd und Lap­top« ist hier anschei­nend die Logik.

Pro­ble­me berei­tet auch die Ver­ein­ze­lung der Beschäf­tig­ten. »Axel macht neu­er­dings zwei Tage Home Office und einen über­aus ange­streng­ten Ein­druck«, schreibt Ursu­la Kals für die FAZ: »In punc­to Recht­fer­ti­gungs­rhe­to­rik ist Axel inzwi­schen rou­ti­niert. Denn die lie­ben Kol­le­gen hat­ten aben­teu­er­li­che Vor­stel­lun­gen, was Axel an die­sen Arbeits­ta­gen so treibt.«

Nicht jeder Befrag­te ist begei­stert von der Zunah­me der Arbeit im Home­of­fice, mel­det das For­schungs­pro­jekt Digi­train 4.0: Fast 16 Pro­zent füh­len sich durch den »ver­rin­ger­ten per­sön­li­chen Kon­takt zu Arbeits­kol­le­gen weni­ger in das Unter­neh­men und ihr Team inte­griert«. Ein Vier­tel der Befrag­ten beklagt, dass »fach­li­che Pro­ble­me mit mobil arbei­ten­den Kol­le­gen schwe­rer zu lösen« sei­en, ergab eine Online­be­fra­gung von über 200 Beschäf­tig­ten für das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und Forschung.

Den feh­len­den Kon­takt zu Kol­le­gen sieht der Per­so­nal­dienst­lei­ster Avant­gar­de-Experts als pro­ble­ma­tisch an: »Wer täg­lich oder mehr­mals die Woche sein Büro in die eige­nen vier Wän­de ver­la­gert, der läuft Gefahr, sozi­al zu ver­ein­sa­men. Der zwi­schen­mensch­li­che Aus­tausch mit Kol­le­gen beim gemein­sa­men Mit­tag­essen trägt erheb­lich zur Arbeits­zu­frie­den­heit bei.« Die Aus­wir­kun­gen sind aber noch gra­vie­ren­der: Wer schon ein­mal ver­sucht hat, Beschäf­tig­te von der Bedeu­tung gewerk­schaft­li­cher Aktio­nen wie »kämp­fe­ri­sche Mit­tags­pau­se« oder Warn­streiks zu über­zeu­gen, weiß, wie wich­tig das per­sön­li­che Gespräch ist. Das kön­nen Sky­pe oder E-Mail nicht erset­zen. Somit kann Home­of­fice zu einer wei­te­ren Schwä­chung der Gewerk­schaf­ten führen.

Die Zeit­schrift Capi­tal berich­tet von einer Stan­ford-Stu­die, der zufol­ge die Pro­duk­ti­vi­tät im Home­of­fice um rund 13 Pro­zent steigt. Die Ursa­chen: »Der Mit­ar­bei­ter mel­det sich sel­te­ner krank, arbei­tet kon­zen­trier­ter, lan­ge Mit­tags­pau­sen mit Kol­le­gen ent­fal­len. Man­che Heim­ar­bei­ter set­zen sich aller­dings unter einen stär­ke­ren Lei­stungs­druck«, kri­ti­siert die Jour­na­li­stin Nina Jer­zy. Vie­le Tele­ar­bei­ter sehen sich »unter beson­de­rer Beob­ach­tung«. Sie schei­nen dem Unter­neh­men ihren Arbeits­ei­fer bewei­sen zu wol­len, wenn sie schon zuhau­se arbei­ten »dür­fen«, ist häu­fig zu hören.

Man­cher wird schnell ent­täuscht, wie ein Bei­spiel zeigt: Ein Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter äußer­te den Wunsch nach Home­of­fice, da es im Betrieb mas­si­ve Pro­ble­me mit dem Vor­ge­setz­ten gebe. Dass sein Chef per Mail und Video­kon­fe­renz eben­so gut schi­ka­nie­ren konn­te und so das Pro­blem nicht gelöst wur­de, nahm er erst zuhau­se wahr.

Immer mehr Beschäf­tig­ten wird beim The­ma »Home­of­fice« klar: Die Suche nach ein­fa­chen Lösun­gen zur Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie wird oft ent­täuscht. Auch besteht für Beschäf­tig­te das Risi­ko der Ver­ein­ze­lung und Abkop­pe­lung von der Ent­wick­lung im Betrieb, etwa im Bereich der Qua­li­fi­zie­rung. Der neue Ver.di-Vorsitzende Frank Wer­ne­ke äußert sich kri­tisch: Arbeit im Home­of­fice sei nicht »immer so idyl­lisch …, wie es manch­mal skiz­ziert wird«. Das macht Hoff­nung, dass die Gewerk­schaf­ten eine eige­ne Stra­te­gie zum The­ma ent­wickeln. Arbeits­zeit­ver­kür­zung wäre die bes­se­re Opti­on bei der Suche nach Mög­lich­kei­ten zur Ver­ein­bar­keit von Beruf und Familie.