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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der Bernstein Fritz Weigle

Kost­bar wirkt der matt schil­lern­de Bern­stein. Wel­cher Fritz sich so nennt, hat einen Grund.

Fritz Weigles/​F. W. Bern­steins so zart locker beweg­li­che Zeich­ner­hand ruht. Für mich war er der Letz­te, der ande­re befä­hi­gen konn­te, Welt­ge­tö­se und Men­schen­trei­ben zeich­ne­risch treff­si­cher zu erfas­sen. Zeit­le­bens blieb er ein ler­nend Leh­ren­der. Die Güte sei­ner Zei­chen­kunst hielt sich immer die Waa­ge mit einer sel­ten gewor­de­nen mensch­li­chen Güte.

Gera­de des­halb war er beson­ders dafür geeig­net, erst in Strich­la­gen und dann zuneh­mend in Reim­spie­len (wer kennt nicht: »Die größ­ten Kri­ti­ker der Elche waren frü­her sel­ber wel­che.«) die Marot­ten der Mit­men­schen aufs Korn zu neh­men. Das ging früh schon los, dass der bra­ve Fritz Weig­le als ange­stell­ter Leh­rer ganz eige­ne Sei­ten­we­ge ein­schlug. Der 1938 im tief­sten Schwa­ben Gebo­re­ne star­te­te 1964 als rotz­fre­cher Sati­ri­ker bei der Zeit­schrift Par­don in Frank­furt am Main voll durch. Und befand sich mit Robert Gern­hardt und F. K. Waech­ter in bester aka­de­misch gebil­de­ter Gesell­schaft. Mit Hans Trax­ler und Chlod­wig Poth wur­de aus der Drei­er­ban­de eine Fün­fer­ko­ro­na abso­lu­ter Son­der­klas­se – »Neue Frank­fur­ter Schu­le« genannt. Sie stand für poli­tisch lin­ke Posi­tio­nen und künst­le­ri­sche Inten­tio­nen in der alter­na­ti­ven Publizistik.

Nach Über­gang von Par­don zu Tita­nic wur­de die redak­tio­nel­le Bin­dung locke­rer. Schon allein die Ver­pflich­tung als Hoch­schul­leh­rer für »Komi­sche Zei­chen­kunst« (ja, so etwas gab es mal!) ergab das. Sie führ­te ihn über Göt­tin­gen nach West­ber­lin. Das begün­stig­te 1990 den denk­bar engen Kon­takt zur Kol­le­gen­schaft der Ost­sei­te der fal­len­den Mau­er. Wir ver­stan­den uns auf Anhieb so pracht­voll, dass mit Man­fred Bofin­ger sogar ein län­ge­rer zeich­ne­ri­scher komi­scher Brief­wech­sel zu Buche schlug.

Seit am 20. Dezem­ber die böse Advents­über­ra­schung der Todes­nach­richt kam, wis­sen wir, dass die komi­sche Zeich­ner­sze­ne nun wie­der um einen Kopf und eine Hand von Bedeu­tung ärmer ist. Dazu aus­ge­rech­net des­je­ni­gen, der jah­re­lang noch Talen­te gegen die zuneh­men­de zeich­ne­ri­sche Ver­ödung der Medi­en­land­schaft auf den Weg brach­te. Schon allein durch das Bei­spiel der hand­schrift­lich und hand­zeich­ne­risch inspi­rier­ten Vari­an­te. Denn die bürgt für die Leben­dig­keit der Aus­sa­ge, die Men­schen erreicht. Die Unmit­tel­bar­keit der salop­pen Rede und Zei­chen­spra­che – wo fin­den wir sie heu­te so sym­pa­thisch? Seit die einst flot­te Schrei­be von Axel Hacke und Harald Mar­ten­stein zuneh­mend vom Ernst des Lebens ein- und über­holt wird, gibt es das kaum noch. Wobei Bern­steins Nei­gung, Poli­ti­sches zu kom­men­tie­ren, am Ende gegen Null ging. Der Abge­sang aller »Neu-Frank­fur­ter Schul­gän­ger« war halt von ver­hal­te­ner Komik gesät­tig­te Zurückhaltung.

Inzwi­schen wett­ei­fer­ten die Nach­ru­fer wich­ti­ger Gazet­ten im Nach­ho­len einer Hoch­ach­tung eines stets beschei­den Hin­ter­grün­di­gen. Bern­stein war uns chro­nisch unbe­ach­te­ten Sati­ri­kern des Ostens nahe. Sein Ver­ständ­nis von Men­schen­be­ob­ach­tung und lite­ra­ri­schem Fein­sinn war uns ver­traut. Freund­lich­keit muss nicht immer gleich zu Freund­schaft wer­den. Bei ihm gab es da kei­ne Gren­ze. Berühm­te Namen von Goe­the ab- und auf­wärts ver­al­ber­te er wie­der­um äußerst respekt­los. Da kam sei­ne inti­me Nähe zu ihnen zum Vor­schein. Unter Kum­peln hat man da kei­ne Hem­mun­gen. Das und man­ches ande­re an und von Bern­stein wird uns fehlen.