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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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DGB-Mitgliederverlust mit Ansage

»DGB ver­liert rund 130.000 Mit­glie­der«, mel­det das Han­dels­blatt. Ende 2021 gehör­ten nur noch gut 5,7 Mil­lio­nen Men­schen einer DGB-Gewerk­schaft an. Zur Jahr­tau­send­wen­de zähl­te der Deut­sche Gewerk­schafts­bund (DGB) noch 7,7 Mil­lio­nen Mit­glie­der. »Coro­na ist der Feind der Mit­glie­der­wer­bung«, meint der Ver­di-Vor­sit­zen­de Frank Wer­ne­ke. Zwei­fel­los steht die Mit­glie­der­schrumpf­kur im Zusam­men­hang mit der Pan­de­mie – aber vor allem mit der gewerk­schaft­li­chen Posi­tio­nie­rung in Coro­na-Zei­ten, die bis heu­te von DGB-Ver­tre­tern nicht infra­ge gestellt wird. Um »die ohne­hin ange­spann­te Wirt­schaft« nicht zu schwä­chen, »soll­ten Betrie­be unter Wah­rung des Arbeits- und Gesund­heits­schut­zes geöff­net blei­ben«, gab der DGB-Vor­sit­zen­de Rei­ner Hoff­mann zu Beginn der Pan­de­mie die Maxi­me vor. Und beschrieb damit die poli­ti­sche Ziel­set­zung von Bun­des­re­gie­rung und Kapi­tal­eig­nern: Die Maschi­nen müs­sen lau­fen. Streiks wie in Ita­li­en für Gesund­heits­schutz der Arbei­ter in Pan­de­mie-Zei­ten sind für deut­sche Gewerk­schaf­ter unvorstellbar.

Die eh schon sel­te­nen Kon­trol­len zum Arbeits­schutz wur­den in Pan­de­mie-Zei­ten noch wei­ter ein­ge­schränkt. Regio­na­le Gewer­be­auf­sich­ten und Berufs­ge­nos­sen­schaf­ten schick­ten ihre Prü­fer ins Homeoffice.

Die Rege­lung, Mund-Nase-Mas­ken am Arbeits­platz zu tra­gen, wenn Schutz­ab­stän­de nicht ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen, hat auch Fol­gen für die Gesund­heit. Vor Aus­bruch der Pan­de­mie gab es eine kla­re Posi­tio­nie­rung: KOBAS, der Koor­di­nie­rungs­kreis für Bio­lo­gi­sche Arbeits­stof­fe der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung, emp­fiehlt eine maxi­ma­le Tra­ge­dau­er von zwei Stun­den mit anschlie­ßen­der 30-minü­ti­ger Erho­lungs­un­ter­bre­chung. Mit Ein­füh­rung der Tra­ge­pflicht wur­de die­se Vor­ga­be wich­ti­ger denn je – in der Pra­xis wur­de sie jedoch tot­ge­schwie­gen. Auf öffent­li­che Kam­pa­gnen, die­se bezahl­ten Arbeits­un­ter­bre­chun­gen zum Schutz der Beschäf­tig­ten durch­zu­set­zen, ver­zich­te­ten die Gewerkschaften.

Statt­des­sen folg­te ein gemein­sa­mer Appell des DGB mit dem Bun­des­prä­si­den­ten und dem BDA, dem »Bun­des­ver­band der Arbeit­ge­ber­ver­bän­de«. »Lei­der erkran­ken bei uns im Land nach wie vor viel zu vie­le Men­schen an Coro­na. Und die hohe Zahl der Men­schen, die an dem Virus ster­ben, ist trau­rig und erschüt­ternd«, erklär­te Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Dies »ver­an­lasst mich heu­te zu dem Schritt, gemein­sam mit dem Prä­si­den­ten der BDA und dem Vor­sit­zen­den des DGB, an alle Men­schen in Deutsch­land zu appel­lie­ren: Wir müs­sen auch die Kon­tak­te – wo irgend mög­lich – am Arbeits­platz redu­zie­ren. Weni­ger ist mehr«, des­halb erfol­ge »unser gemein­sa­mer Auf­ruf an Unter­neh­men, Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che und Füh­rungs­kräf­te: Ermög­li­chen Sie das Arbei­ten von zu Hause!«

Die­ser Appell ent­pupp­te sich schnell als rei­ne Show-Ver­an­stal­tung, denn Kon­se­quen­zen hat­te er kei­ne: Weder wur­de ein Geset­zes­ent­wurf ein­ge­for­dert, noch sorg­ten BDA und DGB für Tarif­ver­trä­ge zu Home­of­fice mit Rech­ten auf Aus­stat­tung und Ent­schä­di­gun­gen für das Ein­rich­ten des Heimarbeitsplatzes.

Selbst offi­zi­el­le Daten zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen in den Betrie­ben for­der­ten die Gewerk­schafts­vor­stän­de nicht ein. Dabei erwies sich »der Betrieb« durch­aus als ernst­zu­neh­men­der Infek­ti­ons­ort. Offi­zi­el­le Sta­ti­sti­ken des Robert-Koch-Insti­tuts blie­ben zwar aus. Aber eine Unter­su­chung von Nico Dra­ga­no und Mor­ten Wah­ren­dorf, Medi­zin­so­zio­lo­gen an der medi­zi­ni­schen Fakul­tät und am Kli­ni­kum der Uni Düs­sel­dorf, legt die Gefah­ren offen. Die Wis­sen­schaft­ler hat­ten im Febru­ar und März 2021 die Covid-Infek­tio­nen in der Bevöl­ke­rung im Erwerbs­al­ter in 401 Krei­sen mit den Daten zur Erwerbs­tä­tig­keit nach Wirt­schafts­zwei­gen abge­gli­chen. Es zeig­te sich ein deut­li­cher Zusam­men­hang: »Krei­se mit einem hohen Anteil Erwerbs­tä­ti­ger in der Pro­duk­ti­on hat­ten und haben im Durch­schnitt höhe­re Inzi­den­zen im Ver­gleich zu Krei­sen mit einem weni­ger aus­ge­präg­ten Pro­duk­ti­ons­sek­tor«, stell­ten die For­scher fest.

Das alles ist für die Kapi­tal­sei­te kein The­ma. Statt­des­sen loben sie die »enge Zusam­men­ar­beit mit der Gewerk­schaft gera­de in den schwie­rig­sten Pha­sen der Coro­na Pan­de­mie«, so Mar­kus Was­sen­berg, Vor­stand von »Hei­del­ber­ger Druckmaschinen«.

Aber damit nicht genug. Kurz vor den näch­sten Betriebs­rats­wah­len set­zen ABB und SAP »ein kla­res Zei­chen«, mel­det die IG Metall. Die Unter­neh­mens­ver­tre­ter appel­lie­ren an die Beleg­schaf­ten, an den Betriebs­rats­wah­len 2022 teil­zu­neh­men. »Wir brau­chen mehr jun­ge Men­schen, mehr Frau­en, mehr Beschäf­tig­te mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in den Betriebs­rats­gre­mi­en«, for­dert Cawa Youno­si, Per­so­nal­chef von SAP. Die Mit­glied­schaft im Betriebs­rat sei kein »Kar­rie­re­kil­ler«. Und die Wahl­be­tei­li­gung habe eine hohe Bedeu­tung, ergänzt ABB-Vor­stand Alex­an­der Zumkeller.

Das Dana­er­ge­schenk wird dan­kend ange­nom­men – der IG Metall-Sekre­tär Tür­ker Balog­lu lobt die Wer­be­of­fen­si­ve der Unter­neh­men: »Es ist wich­tig, dass das Ver­trau­en in die Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung wie­der wach­sen kann.« Aus­trit­te wun­dern da kaum noch.