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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Personalie Cavoli

Die schö­nen Tage von Elmau sind vor­über. Die selbst­er­nann­ten gro­ßen sie­ben Demo­kra­tie-Bean­spruch­er plus EU-Gar­ni­tur im Dop­pel­pack haben ihr Show-Busi­ness absol­viert. Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz prä­sen­tier­te per TV das Resü­mee mit der Mimik eines beim Abschrei­ben ertapp­ten Schul­bu­ben. Fast wie bestellt kam in Kre­ment­schuk ein rus­si­scher Rake­ten­ein­schlag in einem Ein­kaufs­zen­trum als Stich­wort zupass. US-Prä­si­dent Biden twit­ter­te sogleich: »Der Angriff Russ­lands auf Zivi­li­sten in einem Ein­kaufs­zen­trum ist grau­sam.« In Madrid folg­te mit dem Nato-Gip­fel der 30 Staats- und Regie­rungs­chefs der näch­ste Akt.

Zuvor sei eine Erin­ne­rung gestat­tet. Der Spa­ni­sche Bür­ger­krieg gilt als Auf­takt zum zwei­ten Welt­krieg. Ab 1936 kämpf­ten Trup­pen des put­schen­den Faschi­sten-Gene­rals Fran­co gegen die 2. Spa­ni­sche Repu­blik, unter­stützt vom faschi­sti­schen Ita­li­en Mus­so­li­nis und Nazi-Deutsch­land. Mit der Legi­on Con­dor wur­den seit Ende des 1. Welt­kriegs deut­sche Sol­da­ten erst­mals wie­der im Aus­land ein­ge­setzt. Die Wehr­macht erhielt ein Expe­ri­men­tier­feld für moder­ne Waf­fen. Fran­co hat­te sich zuvor mit einem Hil­fe­er­su­chen an das Deut­sche Reich gewandt. Auf­fäl­lig­kei­ten zum Sze­na­rio des Mai­dan-Put­sches 2014 in Kiew, die west­li­che Regie der fort­wäh­ren­den Waf­fen­lie­fe­run­gen und die auf­dring­li­chen Video-Zuschal­tun­gen Selen­sky­js sind unver­kenn­bar. Der Haupt­feind wie damals Russ­land – aller­dings heu­te von all­täg­li­cher und welt­wei­ter Kriegs­pro­pa­gan­da in Bild und Wort gleich­ge­schal­te­ter Medi­en begleitet.

Nato-Gene­ral­se­kre­tär Jens Stol­ten­berg mach­te im Vor­feld des Tref­fens in der spa­ni­schen Haupt­stadt als Stim­me sei­nes eigent­li­chen Dienst­herrn in Washing­ton mit dem Wört­chen histo­risch Publi­ci­ty. Es wer­de die »größ­te Neu­auf­stel­lung unse­rer kol­lek­ti­ven Ver­tei­di­gung seit dem Kal­ten Krieg«. Das Ergeb­nis selbst war als­dann nicht mehr über­ra­schend. Vor­wärts­ver­tei­di­gung wie ehe­mals gegen den nicht mehr exi­sten­ten War­schau­er Ver­trag, nur beschö­nigt als Vorneverteidigung.

Mit dem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg gegen die Ukrai­ne stell­te die heu­ti­ge Rus­si­sche Föde­ra­ti­on, das muss klar gesagt wer­den, den USA und der Nato einen Blan­ko­scheck für das Hoch­fah­ren zu einem poten­zier­ten vor­erst(?) Kal­ten Krieg aus. In dem neu­en Grund­la­gen­do­ku­ment für poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche Pla­nun­gen wird Russ­land des­halb als »größ­te und unmit­tel­bar­ste Bedro­hung für die Sicher­heit der Ver­bün­de­ten und für Frie­den und Sta­bi­li­tät im euro-atlan­ti­schen Raum« apo­stro­phiert sowie Chi­na als Her­aus­for­de­rung in Stoß­rich­tung II. Stol­ten­berg sprach von einem »grund­le­gen­den Wan­del in unse­rer Ver­tei­di­gung und Abschreckung«. Man wer­de Vorn­ever­tei­di­gung wie Luft­ver­tei­di­gung stär­ken und die Kampf­trup­pen im öst­li­chen Bünd­nis­ge­biet aus­bau­en. Zudem wer­de man künf­tig mehr als 300.000 Sol­da­ten in hoher Ein­satz­be­reit­schaft halten.

An der Ost­flan­ke sol­len die exi­stie­ren­den mul­ti­na­tio­na­len Nato-Gefechts­ver­bän­de auf Bri­ga­de-Niveau aus­ge­baut wer­den. Die Trup­pen spe­zia­li­sie­ren sich auf jeweils ein Ter­ri­to­ri­um, wo sie Manö­ver abhal­ten und Depots anle­gen. In Litau­en sind es zur­zeit 1600 Sol­da­ten. Eine Bri­ga­de besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Sol­da­ten. Die Bun­des­re­pu­blik hat bereits ange­kün­digt, dass die Bun­des­wehr die­se Kampf­trup­pen in Litau­en füh­ren will. Die US-Streit­kräf­te in Euro­pa wer­den auf mehr als 100.000 Sol­da­ten auf­ge­stockt und erhal­ten in Polen ein neu­es festes Haupt­quar­tier. Viel­leicht fällt die Wahl gar auf Hit­lers »Wolfs­schan­ze«? Die bri­ti­sche Insel wird mit zwei zusätz­li­chen modern­sten F-15-Tarn­kap­pen-Geschwa­dern bedacht. Die Bun­des­re­pu­blik wird Stand­ort für 600 US-Luft­ver­tei­di­gungs­kräf­te mehr, was immer die sein mögen. Seit Jahr­zehn­ten blei­ben Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg, Hes­sen und Rhein­land-Pfalz, die ehe­mals die ame­ri­ka­ni­sche und fran­zö­si­sche Besat­zungs­zo­ne bil­de­ten, mit US-Kom­man­do­zen­tra­len und Stütz­punk­ten reich geseg­net. Von der US-Air­ba­se Ram­stein aus wer­den die mili­tä­ri­schen Droh­nen­ein­sät­ze gesteuert.

Ver­ge­gen­wär­ti­gen wir uns eine bekann­te Per­so­na­lie (vgl. Ossietzky 09/​2021, Hans-Jür­gen Nagel: Die Ambi­tio­nen des Mr. Cavo­li). Lan­ge vor dem 24. Febru­ar 2022, auch vor 2014 dien­te von 2001 bis 2005 ein gewis­ser Chri­sto­pher G. Cavo­li im Füh­rungs­stab der US-Streit­kräf­te als Russ­land-Direk­tor. Auf sei­nem letz­ten Posten, als Ober­be­fehls­ha­ber des US-Hee­res für Euro­pa und Afri­ka mit Sitz in Wies­ba­den, plan­te er akri­bisch Groß­übun­gen, bei denen auf­wän­dig tau­sen­de Sol­da­ten samt Aus­rü­stung über den Atlan­tik gebracht und in Euro­pa ver­legt wur­den. 2021 kam von ihm Klar­text: »Wir tref­fen Vor­be­rei­tun­gen, um bereit zu sein, zu kämp­fen und zu gewin­nen«, und er leg­te knall­hart eine straf­fe To-do-Liste für Nato und EU vor. Die U.S. Army kata­lo­gi­sie­re und teste die bestehen­de euro­päi­sche Infra­struk­tur in die­sen Übun­gen, um dann der Nato mit­zu­tei­len, wel­che Ver­bes­se­run­gen not­wen­dig sei­en. Die wie­der­um lei­te die US-Wün­sche an die EU wei­ter, um ihr zu »hel­fen, ihre Infra­struk­tur­gel­der in Dual-Use (…) Infra­struk­tur zu lei­ten«. Bei mili­tä­ri­schen Aspek­ten der EU-Infra­struk­tur­maß­nah­men hät­ten die US-Mili­tärs »ein Wört­chen mit­zu­re­den«. Die Her­aus­for­de­rung bestehe dar­in, »dass wir, als die Nato expan­dier­te, in Ter­ri­to­ri­um expan­dier­ten, das vor­her der ande­ren Sei­te ange­hör­te und des­sen Mili­tär­in­fra­struk­tur für Equip­ment des War­schau­er Pak­tes aus­ge­legt und durch­weg nach Westen aus­ge­rich­tet war. Wir brau­chen dage­gen Infra­struk­tur, die auf west­li­ches Equip­ment aus­ge­legt und nach Osten aus­ge­rich­tet ist.«

Mit der Madri­der Stra­te­gie wer­den sei­ne Direk­ti­ven Pra­xis. War­um z. B. erst lang­wie­ri­ge Trans­por­te von Mili­tär­ge­rät, anstatt sie gleich an Ort und Stel­le in Depots zu lagern? Wes­halb kei­ne Befehls­struk­tu­ren in vor­der­ster Linie, wenn Litau­en und Polen wil­li­ge Hel­fer sein wol­len? Der rus­sisch-ukrai­ni­sche Krieg lie­fert einem befä­hig­ten Mili­tär wie ihm end­lich für ein bereits ange­dach­tes Gefechts­feld real ver­wert­ba­re Ergeb­nis­se in Sachen Logi­stik, Ziel­aus­wahl, geg­ne­ri­scher Tak­tik, Waf­fen­ein­satz, der Ziel­ge­nau­ig­keit rus­si­scher Rake­ten über wei­te Ent­fer­nun­gen, Lücken in der Ver­tei­di­gung sowie der Luft­ab­wehr, Tote und Ver­wun­de­te, Sol­da­ten wie Zivi­li­sten ein­ge­rech­net, ande­re vor­geb­li­che Kol­la­te­ral­schä­den aller Art ebenso.

Einer der G7 ist Patron die­ses Vier-Ster­ne-Gene­rals: Joe Biden! Vor Wochen näm­lich stand Cavo­li bereits als neu­er Kom­man­deur der US-Streit­kräf­te in Euro­pa (Eucom) und Nato-Ober­be­fehls­ha­ber fest. Die übri­gen 29 Nato-Mit­glie­der durf­ten die Ernen­nung zum Supre­me Allied Com­man­der Euro­pe ledig­lich abnicken. Der US-Senat gab am 24. Juni end­gül­tig sei­ne Zustim­mung. Der rus­si­sche-ukrai­ni­sche Krieg braucht Män­ner wie ihn. Cavo­li darf jetzt als Ober­be­fehls­ha­ber im soge­nann­ten Zen­trum der geo­po­li­ti­schen Zei­ten­wen­de in Euro­pa knall­hart die USA und vor­nehm­lich ihr euro­päi­sches Gefol­ge an der Ost­flan­ke der Nato mobil machen und pro­vo­kant auf­stel­len – bis hin zu einer dau­er­haf­ten Mari­ne-Prä­senz im Schwar­zen Meer.

Pro for­ma und schein­hei­lig betont die Nato, sie sei wei­ter­hin wil­lens, Kanä­le der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit der Regie­rung in Mos­kau offen­zu­hal­ten, um Risi­ken ein­zu­däm­men, eine Eska­la­ti­on zu ver­hin­dern und die Trans­pa­renz zu erhö­hen. Die­se Wor­te sind eigent­lich die Druck­far­be nicht wert, sie zu Papier zu brin­gen. Die insze­nier­te Ein­la­dung an Schwe­den und Finn­land zur längst fest­ste­hen­den Auf­nah­me in den Kriegs­pakt ist eine wei­te­re Far­ce für sich. In der Pazi­fik-Regi­on steht ein Nato-Kurs für Japan, Süd­ko­rea, Austra­li­en und Neu­see­land an.

Ange­sichts der Per­so­na­lie Cavo­li und sei­nes ober­sten Befehls­ha­bers im Wei­ßen Haus in Washing­ton ist Schlim­mes und Schlimm­stes zu befürch­ten. Behaup­te spä­ter nur nie­mand, nicht gewusst zu haben, wor­auf der alt­neue Nato-Kurs in letz­ter Kon­se­quenz und wie gehabt abzielt.

In Elmau hät­te Japans Pre­mier den US-Prä­si­den­ten an Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki erin­nern sol­len. Und Agent Oran­ge in Viet­nam? Bis heu­te lei­den Mil­lio­nen Men­schen unter Spät­fol­gen des von der US Air Force ein­ge­setz­ten Ent­lau­bungs­mit­tels mit dem hoch­gif­ti­gen Dioxin. Noch immer wer­den Kin­der mit schwer­sten Fehl­bil­dun­gen gebo­ren. Grau­sam­keit kennt eben zwei­er­lei US-Maß.

Noch Fra­gen, Herr Bun­des­kanz­ler Scholz?