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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Egon Krenz – persönlich

Das Buch ergänzt bis­her Bekann­tes und auch bereits von Egon Krenz selbst Ver­öf­fent­lich­tes. In die­sen per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen geht es um den Zeit­raum von 1937 bis 1971. Die­se zeit­li­che Begren­zung ist ver­ständ­lich, aber auch nicht unpro­ble­ma­tisch, da sich der Erin­ne­rungs­schrei­ber im Buch gele­gent­lich mehr­fach auch ganz pro­non­ciert zu spä­te­ren Abläu­fen und Ereig­nis­sen äußert, sogar zur Ukraine-Problematik.

Der Autor behan­delt Per­sön­li­ches, Fami­liä­res. Anschau­lich, offen und ehr­lich. Er schil­dert, wie es ihm als Kriegs­kind ergan­gen ist, und wes­halb die Losung »Nie wie­der Krieg« auch zu sei­nem Lebens­mot­to wur­de. Nach sei­nem Leh­rer­stu­di­um wur­de er Funk­tio­när der Frei­en Deut­schen Jugend (FDJ), deren Chef er von 1974 bis 1983 war. Danach war er in unter­schied­li­chen Funk­tio­nen Mit­glied der Par­tei- und Staats­füh­rung der DDR. Es ist gut, dass am Lebens­weg von Egon Krenz anschau­lich wird, wie im Osten Deutsch­lands, in der DDR, streb­sa­me Men­schen vor­an­ge­kom­men sind und auch in Füh­rungs­po­si­tio­nen gelan­gen konnten.

Inter­es­sant und im Ein­zel­nen so noch nicht öffent­lich bekannt, äußert sich Krenz zu vie­len sei­ner poli­ti­schen Weg­ge­fähr­ten, zu För­de­rern und mehr oder auch weni­ger Gleich­ge­sinn­ten. Er deu­tet aber auch an, wer ihm zum Bei­spiel aus dem Kreis der Funk­tio­nä­re wohl »weni­ger sym­pa­thisch« war. (s. nur die Andeu­tun­gen zu G. Mit­tag, E. Miel­ke, K. Nau­mann.) Die­se Äuße­run­gen zu Per­sön­lich­kei­ten sowie auch zur Abfol­ge maß­geb­li­cher poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen der SED- und DDR-Staats­füh­rung erwecken aber zuwei­len den Ein­druck, als schrei­be da jemand über Erleb­tes, der zwar irgend­wie dabei – aber doch wohl eher Betrach­ter der Abläu­fe gewe­sen sei!

Recht anschau­lich erör­tert Krenz auch die unter­schied­li­chen Posi­tio­nen von Wal­ter Ulb­richt und Erich Hon­ecker sowie die Dif­fe­ren­zen zwi­schen Füh­rern der KPdSU und der SED. Da gibt es auch kri­ti­sche Pas­sa­gen. Erwähnt wer­den auch ein­zel­ne, sei­ner Mei­nung nach »fal­sche« Ent­schei­dun­gen im Lau­fe der Jah­re. Inhalt­li­che Wer­tun­gen zu den Ursa­chen des Schei­terns des Real­so­zia­lis­mus und dem Unter­gang der DDR wer­den aber aus mei­ner Sicht nur wenig über­zeu­gend ange­deu­tet. Das kann auch aus der Text­be­gren­zung die­ser Erin­ne­run­gen nur bis zum Tod von Wal­ter Ulb­richt 1971 fol­gen – was die Fra­ge auf­wirft, ob Egon Krenz auch noch Zeit und Kraft fin­det, sei­ne per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen an die Fol­ge­jah­re aus heu­ti­ger Sicht auf­zu­schrei­ben.

Auf dem Buch­rücken ist schließ­lich ver­merkt: »Krenz sorg­te dafür, dass im Herbst ’89 kein Schuss fiel und Frie­den im Land blieb« – eine wich­ti­ge Aus­sa­ge, zu der man aber wohl im Kon­text und aus heu­ti­ger Sicht aus den per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen von Egon Krenz doch gern noch eini­ges Genaue­res erhofft.

Egon Krenz, Auf­bruch und Auf­stieg, Erin­ne­run­gen, edi­ti­on ost, Ber­lin 2022, 286 S., 24 €.