Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Eine angestaubte Pappkugel

Man will es ein­fach nicht glau­ben, aber mein Enkel bekam vor ein paar Tagen stau­nen­de Augen, als wir gemein­sam mei­nen alten Glo­bus betrach­te­ten. Die ange­staub­te Papp­kugel in Fuß­ball­grö­ße hat schon über sech­zig Jah­re auf dem Buckel. Ein Geschenk zur Jugend­wei­he 1960. Ja, damals sah die Welt wahr­lich noch anders aus. In Ost­eu­ro­pa reih­te sich Volks­re­pu­blik an Volks­re­pu­blik, und die mei­sten Län­der in Afri­ka waren noch Kolo­ni­al­staa­ten. Für mei­nen Enkel wie eine Welt aus grau­er Dinosaurier-Urzeit.

Am 3. Juni 1492 stell­te der Nürn­ber­ger Kauf­mann und Geo­graph Mar­tin Beha­im den ersten Erd­glo­bus vor. Bei die­sem Ur-Erd­ap­fel ging es vor allem um die Dar­stel­lung der Han­dels­we­ge nach Ara­bi­en und Indi­en, wo Gold, Edel­stei­ne und Gewür­ze zu fin­den waren. Ein hal­bes Jahr spä­ter war die­ser Glo­bus kei­nen Pfif­fer­ling mehr wert, denn im Okto­ber 1492 ent­deck­te Kolum­bus mit sei­ner legen­dä­ren »San­ta Maria« die Neue Welt.

Wie Atlan­ten und Stadt­plä­ne müs­sen auch Glo­ben stän­dig aktua­li­siert wer­den. Anfang der 1990er Jah­re stan­den die Glo­ben­her­stel­ler durch den plötz­li­chen Zusam­men­bruch des Ost­blocks vor einem gewal­ti­gen Dilem­ma. Als die Druck­far­be auf den Neu­pro­duk­tio­nen gera­de trock­ne­te, ent­stan­den neue Staa­ten qua­si über Nacht. Gan­ze Last­wa­gen­la­dun­gen an Glo­ben fan­den kei­ne Käu­fer mehr und muss­ten ver­nich­tet wer­den. Ja, es ist nicht nur das Schick­sal der Kar­to­gra­fen: »Mit der Erde wer­den wir nie­mals wirk­lich fertig.«

Doch zurück zu mei­nem Enkel, der nicht schlecht staun­te über die Grö­ße der Welt und die unend­li­che Wei­te der Kon­ti­nen­te und Ozea­ne. Deutsch­land nicht grö­ßer als ein Fin­ger­na­gel. Und Hal­le? Ein Fliegenschiss!